18 Fragen an Jens Spahn
Nachdem der ungeschwärzte Sudhoff-Bericht an die Öffentlichkeit gekommen ist: Diese Fragen sollte Jens Spahn jetzt beantworten
Wer nichts zu befürchten hat, kann sich doch einem Untersuchungsausschuss stellen, oder Herr Spahn? War das nicht genau Ihr Argument, mit dem Sie Robert Habeck einen U-Ausschuss zum Atomausstieg aufgezwungen haben? Der wohlgemerkt trotz voller Akteneinsicht und Anhörung von Zeugen ohne belastbare Beweise endete – und sich als haltloses Geraune herausstellte.
Bisher hatten Sie Glück, dass wichtige Informationen nicht öffentlich waren. Und dass Sie in Interviews die falschen, weil irrelevanten Fragen gestellt bekamen. Nicht zuletzt bei Markus Lanz, der sich 40 Minuten auf unwichtige Nebensächlichkeiten fokussierte. Was für ein Geschenk für Sie – vor allem in Anbetracht dessen, was der ungeschwärzte Sudhoff-Bericht jetzt an die Öffentlichkeit bringt!
Die ungeschwärzte Variante offenbart nämlich, dass Gesundheitsministerin Warken ausgerechnet die Stellen schwärzen ließ, die Sie, Herr Spahn, am meisten belasten. Keineswegs ging es bei den vorherigen Schwärzungen nur darum, Prozessrisiken zu mindern oder Persönlichkeitsrechte zu schützen. So sind etwa in den Fußnoten ausgerechnet die Belegstellen geschwärzt, die zeigen, wie Sie persönlich in die Maskenbeschaffung eingegriffen oder Warnungen und Bedenken von Beamten, etwa dem Haushaltsbeauftragten Ihres Ministeriums oder dem Experten aus dem eigentlich zuständigen Beschaffungsamt ignoriert haben.
Auch ist auffällig: Je größer der öffentliche Druck wird und je mehr Informationen öffentlich werden, desto aggressiver Ihre Gegenstrategie. Sudhoff werfen Sie parteipolitische Befangenheit vor. Dem Bericht unterstellen Sie, ohne belastbare Belege erstellt worden zu sein. Und die Opposition verwende „AfD-Methoden“ – Verleumdung, konstruierte Lügen, gar Verschwörungstheorien. Ihre Strategie ist durchsichtig: ablenken und diskreditieren.
Dabei ist Ihnen ausgerechnet die Brandmauer zur AfD nützlich, die Sie am liebsten einreißen würden. Denn Grünen und Linken fehlen neun Stimmen, um ohne die AfD einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Und da sich jetzt sogar der Bundeskanzler bei Maischberger vor Sie gestellt und Sudhoff diskreditiert hat, sind neun Stimmen aus den Reihen der SPD unwahrscheinlicher geworden.
Anständig wäre aber, endlich reinen Tisch zu machen. Denn: Je länger die berechtigten Vorwürfe im Raum schwirren, desto mehr bringt das nicht nur Ihre Person, sondern gar das ganze Parlament, vielleicht sogar die Demokratie in Verruf. Deshalb: hier die 18 wichtigsten und drängendsten Fragen.
18 Fragen an Jens Spahn
Warum behaupten Sie öffentlich, keine Bedenken und Warnungen von Beamten mit entsprechender Expertise und Verantwortung bei der Beschaffung zur Kenntnis genommen zu haben, wenn doch der Sudhoff-Bericht allein in den ursprünglich geschwärzten Passagen zwölf Mails sowie Leitungsvorlagen zitiert, die belegen, dass solche Bedenken und Warnungen Ihr Postfach oder Ihren Schreibtisch erreicht haben?
Warum kommunizierten Sie, Herr Spahn, mit Lieferanten häufig per WhatsApp oder über den Mailaccount Ihres Bundestagsbüros (teilweise sogar über den Mitarbeiter-Account 07) und nicht wie üblich und zwecks Veraktung vorgesehen über den Mailaccount des Ministeriums?
Und: Warum haben Sie dem Ministerium nicht jegliche Kommunikation außerhalb der dienstlich vorgesehenen Wege zur Veraktung vorgelegt?
Warum haben Sie eigenständig ein Open-House-Verfahren beschlossen und von einer externen Kanzlei erstellen lassen, obwohl eigentlich das Beschaffungsamt aus dem Bundesinnenministerium alle Kompetenzen dafür und viel mehr Erfahrung darin hat?
Warum haben Sie mit 4,50 Euro netto pro FFP2-Maske – gegen den Rat Ihres Abteilungsleiters – einen Preis für das Open-House-Verfahren gewählt, der offensichtlich viel zu hoch gegriffen war, warum gibt es über die Preisfindung keine nachvollziehbare Dokumentation und warum wurde das Verfahren nicht mit einem niedrigeren Preis begonnen, um die Marktlage zu sondieren?
Warum wurde im Open-House-Verfahren versäumt, für Maskenlieferungen rechtssichere Qualitätskriterien zu definieren und damit fahrlässig in Kauf genommen, dass Gerichte für nichtig erklären, wenn der Bund Lieferanten wegen mangelnder Qualität die Zahlungen verweigert – und so hohe Schadensersatzansprüche und vermeidbare Rechtskosten entstehen?
Warum wurde das Beratungsunternehmen EY erst nach Beginn des Open-House-Verfahrens und dann ohne Ausschreibung und für ein Millionenhonorar beauftragt, wenn doch dem Ministerium offensichtlich die Kompetenz und das Personal für die Abwicklung solch großer Beschaffungen gefehlt hat?
Warum wurden auch nach Abbruch des Open-House-Verfahrens und einer schon absehbaren Überbeschaffung noch Masken von der Firma Emix bestellt – und das auch noch zu deutlich höheren Preisen (laut Sudhoff-Bericht sogar zu teilweise sieben Euro brutto pro FFP2-Maske) und mit deutlich späteren Lieferfristen als im Open-House-Verfahren (zweite Jahreshälfte statt Ende April)?
Warum wurde Emix bei den Bestellungen ein „dreimaliges Nachlieferungsrecht“ bis Ende Dezember 2020 eingeräumt, aber den Lieferanten aus dem Open-House-Verfahren nur ein Fixgeschäft bis Ende April 2020, wenn doch der akute Mangel an Masken die hohen Emix-Preise rechtfertigen soll?
Warum wurden Emix laut Sudhoff-Bericht der Großteil der Masken anstandslos bezahlt, obwohl der TÜV Nord fast die Hälfte der gelieferten FFP2-Masken als mangelhaft einstufte und bei anderen Lieferanten die Zahlung bei mangelhafter Qualität verweigert wurde?
War Ihnen, Herr Spahn, bewusst, dass Andrea Tandler für die Vermittlung von Emix an das Gesundheitsministerium eine Provision in hoher zweistelliger Millionenhöhe verdiente? Wenn ja, wann haben Sie wie davon erfahren und welche Rolle spielte das bei der Vergabeentscheidung an Emix?
Gab es Bestellungen von Lieferanten, deren Eigentümer oder Geschäftsführer in der Vergangenheit Parteispenden an die Union geleistet haben, Parteimitglieder gewesen sind oder gar politische Ämter für die Union bekleidet haben? Und wenn ja, wie wurde diesem Interessenskonflikt Rechnung getragen?
Sehen Sie, Herr Spahn, einen Interessenskonflikt in der Beauftragung der Logistikfirma Fiege, deren Inhaber zum damaligen Zeitpunkt im Präsidium des CDU-Wirtschaftsrates aktiv war und welche private Kommunikation außerhalb der Aktenlage gab es zwischen Ihnen und den Firmeninhabern?
Warum wurde der Logistiker Fiege ohne Ausschreibung beauftragt, obwohl doch das Bundesinnenministerium bereits mit den Branchenriesen DHL und Schenker in Sondierungen stand und wer hat die konkreten Verhandlungen mit Fiege geführt?
Wurde das von Ihnen so gelobte Logistikkonzept der Firma Fiege vor der Vergabe von Beschaffungs- und Logistikexperten geprüft oder nur von Ihnen selbst, Herr Spahn? Und: Wieso kamen die Unternehmensberater von EY laut Sudhoff-Bericht dann zu der Feststellung, dass Fiege die angebotenen Lieferungen „logistisch nicht bewältigen“ könne und zogen stattdessen das Transportunternehmen DHL hinzu?
Warum haben Sie sich, Herr Spahn, gegen eine Mängelrüge und Schadenersatzansprüche an die Firma Fiege entschieden, obwohl die von Ihnen beauftragten Unternehmensberater von EY laut Sudhoff-Bericht explizit dazu geraten haben und in welcher Höhe sind dem Bund daraus Schadensersatzansprüche entgangen?
Warum bestellten Sie Masken in zwei bis dreistelliger Millionenhöhe bei Ihrem Parteifreund und damaligen CDU-Bundestagskandidaten Niels Korte, obwohl seine Baufirma Areal Invest vorher nie mit medizinischer Schutzausrüstung betraut war, und welche Rolle spielte der offensichtliche Interessenskonflikt bei der Ausgestaltung von Vertragsdetails, etwa der Maskenpreise oder der auffällig langen Lieferfrist bis zum März 2021?
Wie ist zu erklären, dass der Firma von Niels Korte eine Abgeltung in Höhe von rund 18 Millionen Euro gewährt wurde, obwohl sich laut Sudhoff-Bericht „eine entsprechende Gegenleistung oder Rechtsgrundlage (wie zurechenbare Kosten aus Verzugsschaden)“ nicht erschließt?
Und das alles sind nur die Fragen, die aus dem ergeben, was bisher (!) öffentlich bekannt wurde. Und die allein rechtfertigen einen Untersuchungsausschuss, in dem Akten gesichtet und Zeugen gehört werden können. Die Frage stellt sich: Finden Grüne und Linke keine neun SPD-Abgeordneten, die ihr Gewissen über den Koalitionszwang stellen?
wenn er damit durchkommt ist die politische moral in diesem land engültig verloren (man stelle sich nur vor ein/e grüne\r hätte das „verzapft“)
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Ich rechne nach dem bisherigem Verlauf fest damit, dass Spahn damit durchkommt. Wenn er selbst keine Konsequenzen zieht, zieht die niemand für ihn. Dafür ist die CDU viel zu durchzogen von Lobbyismus, als dass sich jemand traute, den ersten Stein zu werfen.