Grüne Mogelpackung
Lindner kündigt 200 Milliarden für Klimaschutz an, die Grünen bejubeln es als Erfolg. Schaut man aber genauer hin, bleibt außer Marketing nicht viel übrig.
Es ist Sonntagabend. Die Nachrichten sind voll von den neuesten Ereignissen aus der Ukraine und neuen möglichen Sanktionen. Am Rande wird höchstens noch über die 100 Milliarden für die Bundeswehr diskutiert. So auch im ARD, wo am Sonntag Finanzminister Christian Lindner zu Gast ist und die Bundeswehrmilliarden rechtfertigt. Als Reporter Matthias Deiss ihn dann fragt, ob die Grünen jetzt nicht auch einen Nachschlag für Klimaausgaben fordern, wiegelt Lindner ab. Er wisse nichts von einem Nachschlag, er kenne nur seine eigenen Zahlen. Und die sähen vor, bis 2026 rund 200 Milliarden Euro für den klimafreundlichen Umbau Deutschlands bereitzustellen. So weit, so unspektakulär. Eigentlich!
Denn plötzlich wurden aus den 200 Milliarden eine Eilmeldung der Nachrichtenagenturen. Plötzlich wurden die 200 Milliarden als nennenswerte Neuigkeit und als zusätzliche Mittel interpretiert. Auf Twitter ging es gleich hoch her!
Erst 100 Milliarden für die Bundeswehr, jetzt 200 Milliarden für den Klimaschutz - so die Botschaft. Grünen-Abgeordnete sprangen jubelnd auf den Zug auf und feierten sich im Netz für den Erfolg. Parteichef Nouripour sagte in der Pressekonferenz am Montag:
“Wenn man bedenkt, dass in den nächsten 4 Jahren 200 Milliarden für Klimaschutz ausgegeben werden sollen,[…] dann ist das so etwas wie eine Mondlandung”.
Mondlandung? Das klingt groß! Ja, die Meldung klang genau nach dem, was Grüne gebraucht hätten, um die 100 Bundeswehrmilliarden von vorher in den Schatten zu stellen. Zumal die Grünen bei hier von Olaf Scholz scheinbar nicht wirklich mit einbezogen und stattdessen bei der Verkündung im Plenum vor vollendete Tatsachen gesetzt wurden. Auf den zweiten Blick fällt die 200-Milliarden-Meldung allerdings in sich zusammen, weil längst beschlossenes Geld zusammengezählt wurde, statt Finanzminister Lindner in nennenswerter Höhe neues Geld aus den Rippen zu leiern.
Kleiner Klugscheißer-Hinweis noch: Nouripour meinte sicher 5 Jahre, nicht 4 Jahre, denn das ist der übliche Zeitrahmen für den Finanzplan und auch das, wovon Lindner gesprochen hat. Das soll eigentlich gar nicht die Kritik sein, aber reiht sich eben nahtlos ein in das grüne Marketingtheater.
Wasser in den Wein
Dabei wäre es doch so schön und so nötig gewesen. 200 Milliarden zusätzlich für Klimaschutz; 200 Milliarden zusätzlich, um mit Wind- und Solarenergie unabhängiger von Putin zu werden. Doppelt so viel fürs Klima wie für Rüstung auszugeben, wäre eine Ansage gewesen. Die Wahrheit ist eine andere.
Bereits der alte Finanzplan der GroKo sah bis 2025 rund 96 Milliarden Euro für den Klima- und Energiefonds vor (siehe Abbildung.). Für 2026 wären wohl so oder so noch mal rund 22 Milliarden oben drauf gekommen. Macht schon rund 118 Milliarden, die keinen Neuigkeitswert haben.
Aber es geht noch weiter. Schon Ende Januar wurde der sehr begrüßenswerte Nachtragshaushalt gebilligt, der zusätzlich 60 Milliarden in den Klima- und Energiefonds (EKF) vorsah. Das war gut, darum geht es nicht, aber es war eben schon bekannt - seit Veröffentlichung des Koalitionsvertrags. Macht also 178 Milliarden, die vorher schon klar waren. Wirklich neues Geld, das eine Eilmeldung wert gewesen wäre, sind also nur die Differenz von 22 Milliarden. Gerade einmal ein Zehntel der kolportierten Summe. Über 5 Jahre!
Jetzt kann man natürlich sagen: “22 Milliarden mehr sind doch gut”. Und dem würde ich auch erst einmal zustimmen. Allerdings klingen auch diese 22 Milliarden besser als sie letztlich sind. Ein großer Verhandlungserfolg sind die nämlich nicht, wenn man berücksichtigt, dass der Bund durch den enormen Preisanstieg bei C02-Zertifikaten wohl rund 19 Milliarden Euro mehr einnehmen wird, als im vorherigen Finanzplan veranschlagt. Es sind also nicht einmal 22 Milliarden mehr an neuem Geld, das aus dem Verkauf von zusätzlichen Anleihen geschöpft wird, sondern Geld, das die Steuerzahler vorher über die Zertifikate abdrücken mussten.
Entlastungen vs. Investitionen
Über die genaue Verteilung der 200 Milliarden ist noch nichts Handfestes bekannt. Das erfahren wir wohl in den nächsten Tagen, denn diese Woche ist Haushaltswoche im deutschen Bundestag. Heißt: es geht um Zahlen. Lindner wird seinen Finanzplan genauer vorstellen. Eine kleine, aber entscheidende Info gab er allerdings schon vorab auf Twitter bekannt.
Wenn ein Viertel des Klimafonds für Entlastungen genutzt werden soll, entspricht das rund 50 Milliarden Euro. Den Großteil davon macht die EEG-Umlage aus, die künftig vom Bund und nicht mehr vom Verbraucher bezahlt werden soll. Sicherlich ein guter Schritt, Entlastungen sind überfällig angesichts der monatelangen Energiepreisexplosionen. Die Lage wird sich durch Putins Krieg noch weiter verschärfen. Aber Entlastungen sind eben keine Klimaschutzinvestitionen. Davon wird kein Windrad mehr gebaut. Wenn sie dem Klima- und Energiefonds zur Last fallen, dann verdrängen sie am Ende sogar Klimainvestitionen. Klimaschutz und soziale Abfederung werden so haushälterisch zum Konflikt. Ärgerlich! Wie viel von den neuen 22 Milliarden also letztlich in Windräder, Solarpaneele, Wasserstoff und Co. landen, ist unklar. Wahrlich kein Grund zum überschwänglichen Jubeln.
Erst recht, wenn es tatsächlich zu einem Energieembargo gegen Russland kommen sollte und die Preise noch schärfer anziehen. Was die Kosten eines solchen Embargos wären und wie es Russland schaden würde, habe ich in diesem neuen Video beleuchtet.
Mehr Rüstung als Klima
Die 200 Milliarden sind aber noch in einer anderen Hinsicht eine Mogelpackung.
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