Ist das noch grün oder schon gelb?
Mit liberalen Wirtschaftspositionen macht Danyal Bayaz Karriere bei den Grünen. Sein neues Interview lässt tief in seine ökonomischen Überzeugungen blicken.
Baden-Württembergs Finanzminister heißt Danyal Bayaz. Der ehemalige Unternehmensberater der Boston Consulting Group ist 2017 für die Grünen in den Bundestag eingezogen, 2020 hat er sich als Aufklärer beim Wirecard-Skandal einen Namen gemacht und im Mai 2021 wurde er Finanzminister in Baden-Württemberg. Sein jüngstes Interview im Handelsblatt ist lesenswert. Nicht, weil er eine kluge ökonomische Analyse liefert, nein. Sondern weil er zeigt, dass sein ökonomischer Verstand gelb angestrichen ist. Er lobt Lindner, huldigt die Schuldenbremse und plädiert dafür, dass die Grünen keine Vermögensteuer mehr fordern - und das mit fadenscheinigen Argumenten. Man bekommt zwischendurch den Eindruck: An Bayaz ist auch ein talentierter FDPler verloren gegangen.
Gleich zu Beginn des Interviews lobt er den Koalitionsvertrag für eine “gute Mischung aus Solidität und dem Fokus auf Investitionen”. Die Begriffe sind eigentlich ausgehöhlt und inhaltsleer, aber bei genauem Lesen offenbart sich Bayaz Denkweise. Für Investitionen Schulden zu machen, ist wohl das Gegenteil von “Solidität”. In begrenztem Maße ist es wohl vertretbar, aber nur wenn die Fiskalpolitik ansonsten “solide” agiert. Mit “solide” meint er nicht Vollbeschäftigung oder eine brummende Wirtschaft, sondern keine roten Zahlen im Staatshaushalt. So viel investieren wie nötig, so wenig Schulden wie möglich - das scheint die Auffassung zu sein.
Der Satz hätte so auch 1:1 von Lindner oder Scholz sein können. Das ist eigentlich das viel größere Probleme. Alle drei bedienen die selben neoliberalen Narrative und hängen den gleichen wirtschaftsliberalen Märchen an, wenn es um Staatsfinanzen geht. Der Widerspruch zwischen Schulden für Investitionen und solidem Staatshaushalt ist in Wirklichkeit keiner. Es ist höchstens ein Scheinwiderspruch. Es ist eine Lüge, die so oft wiederholt wurde, dass sie als wahrer Konsens gilt - fatalerweise. Dabei ist das Gegenteil wahr. Es ist unsolide, wenn Investitionen ausbleiben, wenn die Wirtschaft und die Produktivität lahmen, wenn Menschen arbeitslos bleiben und wir weniger Wohlstand erzeugen, als wir eigentlich könnten. Deutschland hat Investitionsstau. Und zwar milliardenschweren Investitionsstau. Um den Stau zu lösen, müsste sich der Finanzminister einer progressiven Partei wie den Grünen von solchen Märchen und Narrativen lösen. Man dürfte ihn eben nicht mit einem Christian Lindner oder einem Olaf Schäuble - ups, sorry, ich meinte natürlich Olaf Scholz - verwechseln!
Auf die Frage, was die Schuldenbremse noch wert ist, wenn sie an vielen Stellen umgangen werden soll, antwortet Bayaz:
“Die Schuldenbremse ist eine wichtige Errungenschaft, und sie gilt weiterhin. Der Koalitionsvertrag nennt eine Reihe von Möglichkeiten, wie innerhalb der bestehenden Regeln Investitionen finanziert werden können. Das sind kleinere Maßnahmen, die aber in ihrer Kombination schon für einen ordentlichen Wumms sorgen können, um mal einen früheren Bundesfinanzminister zu zitieren.”
Der fettmarkierte erste Satz hätte wirklich von Wolfgang Schwarze Null Schäuble sein können. Und er ist entlarvend. Man kann nicht den Investitionsstau beklagen und die Schuldenbremse bejubeln. Das ist ein Widerspruch.
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