Rechnungshof oder Denkfabrik?
Ist der Bundesrechnungshof die dreisteste Denkfabrik des Landes? Seine Präsidenten sind schwarz-gelbe Parteikarrieristen, die ihm eine neoliberale Linie aufdrücken.
“Bundesrechnungshof” - das klingt nach einer seriösen und wichtiger Institution. Da sitzen doch bestimmt unabhängige Finanzexperten, oder? Immerhin ist ihre Aufgabe, die Wirtschaftlichkeit des Bundes zu kontrollieren. Der Rechnungshof prüft, berät und berichtet genau dazu. Doch mittlerweile wird immer klarer: Der Rechnungshof ist zu einem neoliberalen Think Tank verkommen. Alles andere als seriös. Statt finanzpolitischer Analyse und faktenbasierter Abwägung gibt es neoliberale Ideologie samt Rufen nach einem möglichst kleinen Staat - und Sparpolitik aus der Mottenkiste.
Genau das war schon beim Bericht zur Lage der Bundesfinanzen der Fall, den ich hier kommentiert hatte. Und so auch bei der jüngst veröffentlichten Stellungnahme zum Nachtragshaushalt. Die Stellungnahme gehört zur Anhörung über den 60 Milliarden Nachtragshaushalt, die am Montag im Bundestag stattfand. Zu Anhörungen darf jede Fraktion Experte vorschlagen bzw. einladen. Der Rechnungshof durfte seinen leitenden Beamten, Dieter Hugo, entsenden - auf Einladung von CDU/CSU, na klar!
Schwarz-gelbes U-Boot
Der Bundesrechnungshof ist weder unabhängig noch fachkundig, er ist politisch. Er wird nicht von Finanzexperten geleitet, sondern von zwei Parteisoldaten aus CDU und FDP. Präsident und Vizepräsident des Bundesrechnungshofes werden auf Vorschlag der Bundesregierung vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat für 12 Jahre (!) gewählt und vom Bundespräsidenten ernannt. 2013 wurde der heutige Vizepräsident, Christian Ahrendt, von der schwarz-gelben Regierung vorgeschlagen. Er war vorher jahrelang FDP-Abgeordneter. 2014 wurde dann das Amt des Präsidenten neu besetzt. Die GroKo hat Kay Scheller in das Amt gehievt, der für die Union seit 1991 in Ministerien, Kanzleramt oder Fraktion gearbeitet hat. Der Bundesrechnungshof wird also schwarz-gelb geführt und das merkt man ihm auch an. Öffentliche Stellungnahmen und Berichte haben immer eine politische Schlagseite. Schon deshalb kann der Bundesrechnungshof niemals ein Autoritätsargument für Finanzexpertise sein. Im Gegenteil!
Krücke im Nachtragshaushalt
Jetzt aber zum Nachtragshaushalt, der in der Anhörung diskutiert und vom Rechnungshof scharf kritisiert wurde. Worum geht’s? Die Ampel will ungenutzte, aber bewilligte Schulden in Höhe von 60 Milliarden Euro in den bestehenden Klimafonds überführen. Weil gerade die Schuldenbremse ausgesetzt ist, ist das eine einmalige Möglichkeit, um Geld für geplante Klimainvestitionen in 2023 und 2024 zu sichern. Ökonomisch ist der Schachzug clever, verfassungsmäßig ist er umstritten. Die Schuldenbremse ist ja coronabedingt ausgesetzt, deshalb müssen die zusätzlichen Schulden im Zusammenhang mit Corona-Ausgaben stehen. Dafür hat die Ampel eine argumentative Krücke gebaut. Die 60 Milliarden im Klimafonds sollen dafür genutzt werden, die coronabedingte Investitionsschwäche zu kompensieren. Denn durch die Krise haben die Unternehmen ihre Investitionen massiv zurückgefahren, wie die Abbildung aus dem Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen zeigt.
Warum aber der Klimafonds? Nun, wenn schon ausgebliebene Investitionen nachgeholt werden, dann doch bitte zukunftsorientiert - so die schlüssige Argumentation. Die 60 Milliarden Euro sollen sowohl für öffentliche Investitionen wie auch für private Förderungen - sprich: private Investitionen - genutzt werden.
Tendenziöse Meinungsmache
Der Bundesrechnungshof sieht sich als Gralshüter der Schuldenbremse und ihrer Ideologie. Deshalb ist er natürlich gegen diesen Nachtragshaushalt und plädiert für Verzicht. Die Stellungnahme der Anhörung ist eine Offenbarung. Sie liefert hohle Phrasen und Strohmänner, wo es nur geht.
In der Stellungnahme, die von zwei leitenden Beamten des Rechnungshofes geschrieben wurde, drehen sich viele Argumente darum, dass der Nachtragshaushalt verfassungswidrig sei. Das ist aber gar nicht Aufgabe des Rechnungshofes! Er soll sich um die Wirtschaftlichkeit kümmern, nicht um die Verfassungsmäßigkeit. Zum Wirtschaftlichen liest man in der Stellungnahme allerdings nicht viel.
Auch wird die Begründung der Ampel für den Nachtragshaushalt völlig verkürzt und falsch wiedergegeben. Und zwar wohlwissentlich. Schließlich muss man einen Strohmann erst mal aufstellen, bevor man ihr abfackeln kann. Im Text heißt es:
“Mit der Zuweisung an den EKF (Energie- und Klimafonds) sollen Maßnahmen zur Überwindung des Klimawandels und zur Transformation der Volkswirtschaft finanziert werden.”
Das mag zwar ökonomisch durchaus stimmen, ist aber nicht das maßgebende Argument für die Verfassungskonformität. Denn der dafür wichtige Corona-Bezug wird ja über die Investitionen hergestellt. Wegen Corona gab es in der deutschen Volkswirtschaft weniger Investitionen, das ist dauerhaft schlecht für die Wirtschaft und wird mit dem befüllten Klimafonds korrigiert. Im Gesetzentwurf der Ampel heißt es:
“Viele Investitionen wurden nicht oder nicht im geplanten Maße getätigt. Die Herbstprojektion der Bundesregierung vom 27. Oktober 2021 geht davon aus, dass die gesamte Investitionstätigkeit der deutschen Volkswirtschaft (gemessen an den kumulierten Bruttoanlageinvestitionen) in den Jahren 2020 und 2021 preisbereinigt deutlich unterhalb des in der Herbstprojektion des Jahres 2019 für diesen Zeitraum geschätzten Volumens geblieben sind. Auch deshalb bedarf es einer weiteren Steigerung öffentlicher Investitionen, um gezielt private Investitionen in Zukunftsbereichen zu aktivieren und einen entsprechenden Nachholprozess anzustoßen.”
Ausgebliebene Investitionen und privatwirtschaftliche Planungsunsicherheit spielen für den Rechnungshof aber offensichtlich keine Rolle. Stattdessen wird ein Strohmann abgefackelt, indem der Rechnungshof argumentiert, dass die Bekämpfung des Klimawandels eine dauerhafte Aufgabe ist, die keine hohen Einmalausgaben in Zeiten der ausgesetzten Schuldenbremse rechtfertige. Darum ging es aber gar nicht. Der Rechnungshof argumentiert hier am Gesetzentwurf vorbei und klettert auf den falschen Baum!
Was auffällt: Ökonomische Argumente, die für einen Verzicht auf den Nachtragshaushalt sprächen, liefert die Stellungnahme nicht. Dafür aber alteingeübte Phrasen gegen Staatsverschuldung. So heißt es etwa:
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