Erbschaftsteuer: Macht den Kuhhandel!
Höhere Freibeträge, weniger Schlupflöcher: Warum nicht?
Seit Wochen wird hitzig über die Erbschaftsteuer debattiert. FDP und Union wollen die Freibeträge erhöhen, SPD und Grüne sind zögerlich, Linke dagegen. Statt in höheren Freibeträgen nur Lobbypolitik für die Elite zu wittern, sollten Progressive das Momentum für einen Kuhhandel nutzen. Nie war der Hebel für echte Verbesserungen bei der Erbschaftsteuer größer als jetzt. Für FDP und Union ist das identitätsstiftend. Progressive haben wenig zu verlieren, aber viel zu gewinnen. Eigentlich die perfekte Ausgangslage für eine Verhandlung!
Die Ausgangslage
Wer viel erbt, hat Glück. Sie bekommen Vermögen, ohne etwas dafür geleistet haben zu müssen. Jahr für Jahr werden in Deutschland rund 400 Mrd. Euro vererbt: Häuser, Wohnungen, Kunst, Land, Firmen, Aktiendepots und Sparkonten. Das Glück haben nur wenige. Lediglich jeder Vierte erbt im Leben überhaupt nennenswerte Summen, nur jeder Zehnte so viel, dass er Erbschaftsteuer zahlen muss. Neun von zehn Erbschaften sind nämlich kleiner als die Freibeträge: 500.000 Euro für Partner, 400.000 Euro für Kinder, 200.000 Euro für Enkelkinder. Der Staat nimmt jährlich zehn Milliarden Euro ein. Der effektive Steuersatz liegt im Schnitt also bei 2,5 Prozent. Eigentlich müssten diejenigen, die mehr erben, auch mehr Steuern zahlen. Schließlich sind die Steuertarife progressiv, steigen also mit der Höhe der Erbschaft an. In der Praxis ist das Gegenteil der Fall. Ausgerechnet die Menschen, die am meisten erben, zahlen nur eine geringe, oft sogar gar keine Steuer. Der Grund: Privilegien und Schlupflöcher.
Sobald es um Firmenvermögen geht, greifen großzügige Ausnahmen, sofern der Betrieb für sieben Jahre fortgeführt und die Arbeitsplätze erhalten bleiben. Das hat die Unternehmerlobby bei der letzten Reform 2009 durchgesetzt. Dabei müssen die Teilhaber nicht einmal die Geschäfte führen oder Verantwortung tragen, sondern einfach nur die Beteiligung behalten und abwarten. Seitdem sind Firmenvermögen in Höhe von 409 Mrd. Euro komplett steuerbefreit vererbt worden. 260 Mrd. davon allein bei 3.620 Einzelpersonen (macht im Schnitt 72 Millionen pro Person). Ohne Ausnahmeregelungen hätten sie rund 27 Prozent an Steuern zahlen müssen. Auch krass: 46 Mrd. wurden an Kinder unter 14 Jahren vererbt, in 40 Fällen sogar Vermögen von mehr als 800 Millionen Euro. 800 Millionen für ein Kind. So viel zum Thema Leistung. Dass Kinder Teilhaber von Firmen werden, um Steuern zu sparen, widerspricht so offensichtlich dem Geist des Gesetztes, dass es der Politik peinlich sein müsste.
Der Deal
Die Freibeträge wurden seit 2009 nicht angepasst, obwohl die Immobilienpreise steil gestiegen sind. Dadurch fallen bei den Finanzämtern immer mehr Steuerfälle an. FDP und Union wollen die Freibeträge deshalb erhöhen. Die FDP um 25 Prozent, die Union noch etwas mehr. Progressive sollten daraus einen Deal stricken: Höhere Freibeträge gegen Abschaffung einiger Steuerprivilegien. Dadurch würden die Mega-Erben mehr zahlen, die Finanzämter entlastet und der oberen Mittelschicht die “Sorge” vor der Erbschaftsteuer genommen. Selbst ohne Deal wären höhere Freibeträge kein Drama. Den Mega-Erben sind die sowieso egal, weil bei 800 Millionen ein paar Hunderttausend nichts ausmachen und bei denen, die davon profitieren, geht es meistens um selbst genutztes Wohneigentum, vielleicht mit einigen wenigen Mietwohnungen. Bei 25 Prozent höheren Freibeträgen läge der Steuerausfall für die Länder gerade einmal bei 500 Millionen Euro. Ob jemand seinem Kind 400.000 oder 500.000 steuerfrei vererben kann, ist für die Schere zwischen Arm und Reich nicht so relevant, wie die Privilegien der Elite. Also: Ran an den Kuhhandel!
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Ein sehr interessanter Lösungsvorschlag. Nur wieso soll man nicht Steuerprivilegien für die Reichsten komplett abschaffen und die Erbschaftssteuerfreibeträge herabsetzen? Für eine Erbschaft hat man in den meisten Fällen nichts geleistet.