Hoffnungslose Hilferufe
FDP, AFD und CDU rufen nach Hilfe von der EZB. Hohe Zinsen helfen aber gegen Inflation nicht. Sie riskieren eine neue Finanzkrise!
Die rechte Seite des Bundestages ist sich einig. Von AFD über die Union bis zur FDP vernimmt man immer häufiger Hilferufe. Hilferufe, die an die Europäische Zentralbank (EZB) gerichtet sind. Zinsen hoch gegen Inflation - so der Tenor. Wenn etwa der finanzpolitische Sprecher der FDP, Markus Herbrand, in der Bundestagsrede sagt, die Inflation könne allein durch die EZB bekämpft werden, darf man die Stirn schon mal in Falten legen. Noch weiter gehen die Abgeordneten Frank Schäffler (FDP) und Kay Gottschalk (AFD). Sie forderten sogar schon den Rücktritt der EZB-Präsidentin Lagarde.
Komisch! Man hört von Wirtschaftsliberalen doch sonst immer, die EZB sei unabhängig. Offenbar gilt die Unabhängigkeit bei Wirtschaftsliberalen nur, wenn es einem politisch gerade selber in den Kram passt. Sollten wir uns merken! Aber auch abgesehen von diesem Widerspruch ist der Hilferuf nach hohen Zinsen ein ökonomisches Armutszeugnis, eine pure Verzweiflungstat. Die Mainstream-VWL liefert eben keine vernünftigen Konzepte gegen angebotsseitige Inflation.
Leider aber wird die EZB dem Druck aus der Politik und der Mainstream-VWL bald nachgeben und die Zinsen wirklich erhöhen, nachdem die Zentralbanken in den USA oder Großbritannien bereits vorgeprescht sind. Lagarde stellte eine erste Anhebung im Juli in Aussicht. Auch Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank, bekräftige das in einem Interview diese Woche:
"Aus meiner heutigen Sicht müssen wir dann im Juli einen ersten Zinsschritt machen und weitere in der zweiten Jahreshälfte folgen lassen."
Zinserhöhungen gegen angebotsseitige Inflation sind aber zum Scheitern verurteilt.
Vor kurzem hatte ich schon die DIW-Studie von Prof. Dr. Alexander Kriwoluzky kommentiert, der sich viel von einer Zinserhöhung versprach, sich dabei aber auf schräge Annahmen stützte. Ich will dem heute noch ein paar Gedanken hinzufügen.
Angebot ist das Problem
Dafür müssen wir erst einmal feststellen: Die Preisschübe kommen vor allem von teurer Energie und gebrochenen Lieferketten. Weil Energie quasi überall drin ist, steigen nach und nach auch andere Produkte. Längst ist die Teuerungswelle deshalb auch im Supermarkt angekommen.
Um die Welle zu brechen, gäbe es - neben staatlichen Preiseingriffen - zwei Möglichkeiten: das Angebot von Energie erhöhen oder die Nachfrage nach Energie senken. Um das Angebot an günstiger Energie zu erhöhen, braucht es Investitionen - in Windkraft, in Solarkraft oder in LNG-Terminals. Um die Nachfrage zu senken, braucht es Verzicht. Oder Innovation, um die Energie effizienter einzusetzen. Verzicht schmälert den Lebensstandard, Innovation hingegen wiederum braucht auch Investitionen. Wie sollen höhere Zinsen da helfen?
Zinserhöhungen machen Geld teurer. Genauer gesagt: Sie machen Kredite teurer. Alle, die es mit Angebotspolitik halten, sprechen immer von Investitionsanreizen. Wie genau sollen teurere Kredite ein Anreiz für Investitionen sein? Gleiches gilt auch für öffentliche Investitionen. Wenn die Zentralbank das Zinsniveau hochschraubt, muss der Staat wieder mehr Zinsen auf seine Staatsanleihen zahlen. Unter den Bedingungen der unsinnigen Schuldenbremse bedeuten mehr Zinsausgaben weniger Raum für andere Ausgaben. Gewiss nicht weil Geld per se knapp ist, nein, sondern weil die Schuldenbremse den Handlungsraum politisch einschränkt - ein wichtiger Unterschied. Wir halten fest: Höhere Zinsen sind kein Investitionsanreiz, im Gegenteil, sie machen sowohl private wie auch öffentliche Investitionen teurer. Beides ist kontraproduktiv, wenn das Angebot an Energie ausgeweitet werden soll.
Das ist eigentlich auch im Mainstream Konsens. Nur deshalb werden Zinserhöhungen ja als Mittel gegen Inflation so hochgelobt. Hohe Zinsen würgen Investitionen ab, das senkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, bremst die Konjunktur, führt zu Arbeitslosigkeit und stoppt damit - so die Auffassung - die Inflation. Neben den Investitionen brechen auch die privaten Konsumausgaben ein, wenn die Wirtschaft stockt und Menschen Jobs und Einkommen verlieren, was wiederum Firmen dazu bringen soll, die Preise zu senken, um ihre Kunden zurückzugewinnen. Die Argumentationslinie ist generell brüchig, wie ich im Artikel unterhalb schon ausführlich erklärt habe, aber sie ist so oder so untauglich für eine Inflation, die von der Angebotsseite kommt.
Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu drosseln, hilft der Angebotsseite nicht. Und im Fall von Energie schon mal erst recht nicht. Ausgaben für Energie sind nicht abhängig vom Zinsniveau. Niemand nimmt Kredite auf, um Tanken zu fahren - abgesehen vom Dispo in der Not, der aber ebenso unabhängig von der Zinshöhe ist. Niemand nimmt Kredite auf, um die Wohnung zu heizen. Niemand nimmt Kredite auf, um im Supermarkt einzukaufen oder in das Restaurant zu gehen. Das genau sind aber die Bereiche, in denen gerade das Angebot knapp ist. Ein höherer Zins ändert aber an der Nachfrage nach knapper Energie nichts. Die Nachfrage nach Energie ist extrem unelastisch, so würden Ökonomen sagen. Heißt: Bevor bei Energieausgaben gekürzt wird, kürzen die Leute erstmal woanders. Mit einer Zinserhöhung die Inflation zu senken, ist zum Scheitern verurteilt. Und hat gefährliche Nebenwirkungen.
Die Nadel in die Immobilienblase
Wenn Kredite teurer werden, dann trifft das nicht nur die, die ganz neue Kredite aufnehmen wollen, sondern auch die, die Anschlussfinanzierungen brauchen. Denkt nur an die Hauskäufer.
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