Wo ist Gas, wo ist Bremse?
Ökonomen verwechseln Gas und Bremse bei der Geldpolitik. Sie glauben, hohe Zinsen bremsen Inflation und niedrigere Zinsen schieben die Wirtschaft an. Doch das ist falsch! Teil 3 der Artikelreihe.
Über Inflation und Nullzinsen wird dieser Tage viel gestritten. Von links bis rechts arbeiten sich Ökonomen und Politiker daran ab. Bei allem Streit scheinen sie sich aber in einer Sache einig: Zinsen hoch heißt bremsen und Zinsen runter heißt beschleunigen. Damit machen sie es sich zu einfach. So klar ist nämlich gar nicht, welches Pedal die Bremse und welche das Gas ist!
Die Zentralbank soll für stabile Preise sorgen. Ihr Ziel: 2 % Inflation. Gerade liegt die Inflationsrate darüber. Woher das kommt, habe ich in Teil 1 der Reihe erklärt. In Teil 2 ging es darum, warum die Zentralbank keine Chance hat, die derzeit höhere Inflationsrate zu senken. Und warum sie keine Schuld dafür trifft, dass die Inflation in den Jahren zuvor permanent zu niedrig war. Heute geht es um die blinden Flecken der Ökonomen in Sachen Zinspolitik.
Zinsen senken, Kredite verticken?
Ökonomen akzeptieren mehr und mehr die offensichtliche Machtlosigkeit der Zentralbank, wenn es darum geht, die Wirtschaft mit Nullzinsen anzukurbeln. Die Realität der letzten Jahre haben das Mainstream-Lehrbuch widerlegt. Die Zentralbank ist mir ihrer Zinspolitik nicht so mächtig wie angenommen. In der Diskussion um die Inflation wird aber klar: Ökonomen glauben trotzdem weiter, mit Zinserhöhungen ließe sich die Wirtschaft bremsen und Inflation senken.
Die Idee dahinter: Wenn die Zentralbank den Zins erhöht, kosten Kredite mehr. Firmen müssen dann ihre Kalkulation für geplante Investitionen neu rechnen. Vielleicht ist der Kredit nach der Zinserhöhung so teuer, dass sich der Bau der Lagerhalle nicht mehr lohnt? Dann würde der Investitionsplan erst einmal eingestampft und der geplante Kredit nicht aufgenommen. Wenn weniger investiert wird, kühlt die Wirtschaft und die Inflation lässt nach. Die Zinserhöhung würde also bremse und deflationär wirken. Das Gegenteil soll andersherum gelten, wenn die Zinsen gesenkt werden. Dann gingen viele Kalkulationen wieder auf, die Firmen investieren mehr, die Wirtschaft wird angekurbelt und die Inflation steigt. So die verbreitete Meinung.
Zweifel angebracht!
Die Zinsen sind seit Jahren am Nullpunkt, aber die Inflation ist nicht angesprungen. Ökonomen überschätzen die Bedeutung der Zinsen für die Kredite und die Investitionen. Firmen investieren, wenn sie glauben, dass die Wirtschaft in Zukunft besser läuft, sie mehr verkaufen und mehr verdienen können. Die Erwartung konnten sie lange nicht haben, weil die Wirtschaft in vielen europäischen Ländern seit Jahren am Boden liegt und es keine Wirtschaftspolitik gegeben hat, die den Firmen vermittelt hat: Wir haben einen Plan und wir werden die Wirtschaft zum Wachsen bringen, ihr werdet gute Geschäfte machen. Stattdessen gab es öffentlichen Investitionsstau, Sparpolitik, hohe Arbeitslosigkeit und Unsicherheit in der europäischen Wirtschaft. Ein Hemmschuh für Investitionen. Dann braucht es auch keine Kredite!
Wäre das Gegenteil der Fall und die Firmen würden merken, dass der Staat anschiebt und die Leute mehr Geld zum Ausgeben haben, hätten die Firmen auch mehr investiert - und mehr Kredite nachgefragt. Der Schraubenhandel etwa hätte dann eine neue Lagerhalle gebaut, um mehr Kunden beliefern zu können. Wenn es brummt, ist es für die Firmen auch nicht so wichtig, ob der Kredit 0,5 % mehr kostet oder weniger. Denn im Boom rechnet sich vieles, auch wenn die Zentralbank am Zins fummelt. Außerdem treffen Zinsveränderungen alle Firmen, sodass alle die höheren Kreditkosten einpreisen und auf die Kunden abwälzen können. Der Zins ist also für die Kredite gar nicht so entscheidend. Zumindest die Zentralbank nicht von allen guten Geistern verlassen wird und den Zins in einer Harakiri-Aktion über Nacht um 5 Prozentpunkte verändert. Das würde n selbst im Boom einige Kalkulationen durcheinanderbringen. Der EZB ist das gewiss nicht zuzutrauen.
Wenn das Bremspedal beschleunigt
Zinsen machen aber nicht nur was mit der Nachfrage Firmenkrediten. Es gibt auch noch andere Wirkungskanäle, die selten diskutiert werden und von Ökonomen unterschätzt werden.
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