Mehr Respekt, Frau Faeser!
Dreist und manipulativ: So will die Innenministerin Busfahrer und Erzieher zum Lohnverzicht bringen.
Bei der Tarifrunde im öffentlichen Dienst treffen Alltagshelden auf staatlichen Sparwahn und Respektlosigkeit. Verhandelt wird über das Gehalt von 2,5 Millionen Beschäftigten: Müllwerker, Krankenpfleger, Busfahrer, Erzieher, Klarwerksmitarbeiter, Ärzte, Juristen und so weiter. Ohne sie würde unser Alltag nicht funktionieren.
Ihr Reallohn ist durch den Preisschock geschrumpft. Gerade in den unteren Tarifstufen sind die Löhne ohnehin niedrig – Erzieher, Busfahrer und Krankenpfleger liegen in der Regel unter dem deutschen Medianlohn von 3.550 € brutto. Die Helden des Alltags verdienen unterdurchschnittlich, seit Jahren wird geknausert, um in der Staatskasse zu sparen. Die letzte Tarifrunde liegt zweieinhalb Jahre zurück, mitten in der Pandemie. Das Ergebnis damals: Eins-Komma-Paar-Gequetschte Prozent. Dafür wurde kräftig geklatscht, als sie uns in der Pandemie mit Überstunden und eigenem Ansteckungsrisiko den Arsch gerettet haben – für viele ein Zeichen von Hohn, nicht von Respekt. Respekt bedeutete mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen. Und mehr Kollegen! An allen Ecken und Enden fehlt nämlich Personal, schätzungsweise rund 360.000 Beschäftigte – von der Kita bis zum Krankenhaus.
10,5 Prozent mehr Lohn
Kein Wunder also, dass die Gewerkschaften hohe Forderungen stellen. Das Geklatsche und Gespare ist man satt. 10,5 Prozent mehr Lohn sollen es sein, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat, Laufzeit: 12 Monate. Für den Müllwerker und die Erzieherin bedeuten die 500 Euro sogar mehr als 10,5 Prozent.
Am Verhandlungstisch sitzen den Gewerkschaften gegenüber: die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und die Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Faeser verhandelt für den Bund und ist die prominenteste am Tisch. Sie gibt die Richtung vor. Im Interview vor der ersten Verhandlungsrunde trat die Ministerin mächtig auf die Erwartungsbremse: »Die nun verkündeten Forderungen der Gewerkschaften treffen bei Bund und Kommunen auf eine angespannte Haushaltslage«, so Faeser. Entsprechend endete die erste Verhandlung ergebnislos. VKA und Faeser hatten nicht einmal ein Angebot dabei. Respekt plakatieren, aber nach 2,5 Jahren Heldentaten nicht einmal ein Angebot dabei zu haben? Passt nicht zusammen.
Dreiste Manipulation
Dass Faeser den vermeintlichen Sachzwang der »angespannten Haushaltslage« als Argument für Lohnverzicht bemüht, ist manipulativ und ökonomische Dummheit. Die Forderung der Gewerkschaften kostete den Bund 1,5 Milliarden. Daraus könnten 4,7 Milliarden werden, wenn die Tarife auf Beamte, Richter und Soldaten übertragen würde. Ob 1,5 oder 4,7: Beides sind Kleckerbeträge für den Bund. Zur Einordnung: Bei den 100 Milliarden für die Bundeswehr gab niemanden, der Haushaltsbedenken hatte. Ebenso wenig bei den zehn Milliarden für die Aktienrente. Und überhaupt: Der Haushalt ist gar nicht angespannt, der Finanzminister ist nur ökonomisch verspannt, weil er sich dogmatisch an die Schuldenbremse klammert, um die schlechte Umfragewerte der FDP aufzupolieren.
Für die Kommunen würde es teurer als für den Bund: rund 15 Milliarden Euro. Und ja, deren Haushaltslage ist wirklich angespannt. Schuld daran ist aber die Bundespolitik, die die Kommunen seit Jahren finanziell aushungern lässt. Zu groß ist die Verantwortung, die nach unten auf die Kommunen abgeschoben wird, zu klein und schwankend die Einnahmen, die die Kommunen bekommen. Dazu gab es von Faeser aber nicht ein Wort.
Dabei hatte sich die Ampel vorgenommen, daran etwas zu verändern; so steht es im Koalitionsvertrag. Insbesondere überschuldete Kommunen sollten mit »einer einmaligen Kraftanstrengung« von Altschulden entlastet werden. Fragt man beim Finanzminister nach, wie es um die Lösung für die Altschulden steht, verweist er auf Verhandlungen mit den Ländern. Von den 40 Milliarden an Altschulden will der Bund nämlich nur die Hälfte übernehmen, den Rest sollen die Länder übernehmen. Im Gegenzug will Lindner eine strenge Schuldenbremse für Kommunen verankern, die gibt es bisher noch nicht. Das Angebot ist also vergiftet, die Verhandlungen eine Hängepartie. Warum spricht der Respekt-Kanzler hier kein Machtwort? Oder lässt seine Respekt-Innenministerin ein Machtwort sprechen?
So bleibt der Eindruck: Faeser nimmt Geldnöte von 2,5 Millionen Alltagshelden in Kauf, um die Geldnöte in einigen Kommunen nicht zu vergrößern. Andersherum wäre die richtige Priorität. Erst recht, weil der öffentliche Dienst wieder attraktiver werden muss. Der Personalmangel ist ein innenpolitisches Risiko. Die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt riskiert die Funktionstüchtigkeit ihrer öffentlichen Infrastruktur und Daseinsvorsorge. Das ist, wie so häufig, Sparen für Dumme!
Übrigens: Zur Lachnummer macht Faeser sich und die Ampel spätestens, wenn das Angebot nicht wenigstens die steuer-und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro enthält. Die hatte die Ampel ja extra geschnürt, damit Beschäftigte den Preisschock durch die Energiekrise abgefedert bekommen. Das hätte sie im Interview gleich ankündigen sollen statt Tränen über die ach so angespannte Haushaltslage vorzutäuschen.
Mich würde mal interessieren, wie viel z.b. der Bund von den 4,7 Mrd die er für die Tariferhöhung beziffert wieder beim Bund landen. Ich bin kein Experte, aber sagen wir die Krankenschwester bekommt 500€ brutto mehr. Durch Lohnsteuer landet doch eh schon wieder ein Teil beim Staat. Und durch das verkonsumieren, doch auch. Sagen wir die Dame kauft sich einen TV für 300€, da streicht der Staat Umsatzsteuer usw. ein. Kann es also sein, daß die öffentliche Hand seine Ausgaben für eine Tariferhöhung viel zu hoch beziffert?
Mal sehen, ob die Haushaltslage auch angespannt ist, wenn über Diätenerhöhung abgestimmt wird....