Fehlstart für die Lobby-Ministerin
Die neue Wirtschaftsministerin liefert schräge Schlagzeilen, aber keine Konzepte. EU-Kommission und Verbände sind empört!
Die Wirtschaft ächzt nach verlässlichen Konzepten, doch Katherina Reiche liefert bisher nur: Bullshitbingo. Die neue Wirtschaftsministerin produzierte in ihren ersten drei Wochen lauter schräge Schlagzeilen. „Schluss mit dem Zwang zur Wärmepumpe“, „Klimaschutz kann nicht das einzige Ziel sein“, „Betriebsverbot für Heizkessel abschaffen“ – um nur drei Beispiele zu nennen. Alle drei Aussagen sind falsch und erinnern an die Rhetorik von „Habecks Heizhammer“. Im Wahlkampf könnte man das noch unter Populismus abstempeln, aber Reiche musste ja gar keinen Wahlkampf führen, weil sie als Quereinsteigerin aus der Wirtschaft zur Ministerin wurde – und ihre neue Rolle offenbar noch nicht versteht.
Flotter Faktencheck zu den drei Schlagzeilen. Einen Zwang zur Wärmepumpe hat es nie gegeben. Das Gebäudeenergiegesetz schreibt nur vor, klimaschädliche Heizungen, die kaputt gehen, durch solche zu ersetzen, die mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien laufen. Und auch Klimaschutz wurde nie als einziges Ziel verfolgt. Selbst der grüne Wirtschaftsminister Habeck hat in seiner Amtszeit Kohlekraftwerke aus der Reserve geholt und mehr Flüssiggas importiert. Weil er in der Not Versorgungssicherheit über Klimaschutz gestellt hat. Und auch ein Betriebsverbot für Heizkessel gilt nur, wenn die Anlagen vor 1991 eingebaut wurden oder älter als 30 Jahre sind. Noch dazu sind Niedertemperatur- und Brennwertkessel ausgenommen, die den Großteil aller Geräte ausmachen. Außerdem hatte das Verbot bereits die Große Koalition 2020 eingeführt – und nicht ihr grüner Vorgänger, den sie bei Amtsübernahme noch versöhnlich gelobt hatte.
Höchststrafe für Reiche: Deutschlands größter Energieverband, der BDEW, hat nicht nur den Appell gegen ihren Anti-Wärmepumpen-Populismus unterzeichnet, sondern auch gefordert, sie solle einfach einen Großteil des Ampelplans zum Bau der Backup-Kraftwerke übernehmen.
Die Ministerin gefährdet die Energiewende
Was Reiche sagt, ist nicht nur schlicht falsch (und populistischer Unsinn), sondern sendet auch fatale Signale. Die Heizhammer-Kampagne hat beispielsweise den Absatz von Wärmepumpen im letzten Jahr um fast die Hälfte einbrechen lassen. 2022 wurden 236.000 Wärmepumpen verkauft, im Jahr darauf 356.000 und im letzten Jahr gerade einmal: 193.000. Immerhin: nachdem sich die Debatte zuletzt beruhigt hatte, hat der Absatz in diesem Jahr wieder zugelegt. 62.000 Wärmepumpen wurden im ersten Quartal verkauft, rund 35 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Der Bundesverband Wärmepumpe berichtet zwar von steigender Nachfrage und „Licht am Ende des Tunnels“, aber erwartet auch in diesem Jahr nur einen Absatz von 260.000 Wärmepumpen. Das Niveau von 2023 wird also auch dieses Jahr voraussichtlich drastisch unterschritten. Mit ihren plumpen Aussagen aber droht Reiche, selbst diesen Fortschritt wieder aufs Spiel zu setzen.
Und das zu Lasten deren, die sich von der Heizhammer-Kampagne oder Reiches Anti-Wärmepumpe-Rhetorik einlullen lassen. Denn: Wer den Heizungswechsel aufschiebt oder sich gar zuletzt erst eine neue fossile Heizung hat einbauen lassen, läuft in eine Kostenfalle. Spätestens in zwei Jahren, wenn der CO2-Preis für Öl und Gas nicht mehr national gedeckelt, sondern europäisch geregelt wird, dürfte es deutlich teurer werden. In der jüngeren Vergangenheit ist der C02-Preis im EU-Emissionshandel mehrfach nach oben gesprungen. Allein von 2020 bis 2022 vervierfachte sich der Preis von 25 auf zwischenzeitlich 100 Euro. Derzeit liegt er zwar wieder bei 73 Euro, doch in Zukunft dürften neue Preissprünge drohen. Zumal eine neue Gasheizung ja 20 Jahre lang laufen soll. Wo wohl 2045 der CO2-Preis steht?
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