Geld für die Welt

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Fossil-Lobby greift Emissionshandel an

Die EU verwässert ihre Klimaziele und die Industrie will den Emissionshandel abschaffen. Eine fatale Entwicklung

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Maurice Höfgen
Nov. 05, 2025
∙ Bezahlt

Die Nachricht kam leise, ihre Wirkung ist laut: Die EU hat in der letzten Nacht beschlossen, ihre Klimaziele zu verwässern, indem Regierungen auch ausländische Klimazertifikate auf ihre eigene Bilanz anrechnen können. Und zwar bis zu fünf Prozent der Emissionen. Außerdem soll der Start des neuen Emissionshandels für Verkehr und Gebäude (ETS 2) aufgeschoben werden – von 2027 auf 2028.

Heißt: Zukünftig dürfen EU-Staaten ihre Klimabilanz so aufhübschen wie Airlines, die mit ihrer Flotte erst Unmengen Kerosin in die Umwelt blasen, aber dann die Emissionen mit Co2-Zertifikaten kompensieren. Co2-Zertifkate, die zum Beispiel versprechen, Bäume am anderen Ende der Welt zu pflanzen, sich aber in der Vergangenheit schon oft als korrupte Fake-Projekte herausgestellt haben.

Beide Beschlüsse sind ein politisches Alarmsignal. Der ETS 2 soll den Co2-Ausstoß beim Heizen und Fahren teurer machen und damit die Umstellung auf klimafreundliche Heizungen und E-Autos beschleunigen. Jetzt signalisieren die europäischen Regierungen den Hausbesitzern, Autofahrern und der Industrie: Macht ruhig langsamer. Überhaupt ist es ja so: Immer, wenn Klimapolitik weichgekocht wird, lernt die Wirtschaft: Regeln sind verhandelbar, solange man nur laut genug dagegen stänkert und Kullertränen vergießt. Transformation, ach, die kann warten.

Die Frösche beschweren sich, dass ihr Teich trocken gelegt wird – und die Medien lassen sich zu deren Sprachrohr machen!

Angriff auf den Emissionshandel

Schon vor Wochen zeichnete sich in EU-Verhandlungen ab, dass Rückschritt beschlossen wird. Polen wollte sogar zehn statt fünf Prozentpunkte an ausländischen Zertifikaten anrechnen lassen. Kaum aber war das Signal gesendet, standen die üblichen Verdächtigen der fossilen Lobby bereit. Evonik-Chef Christian Kullmann nutzte den Rückenwind und forderte die Abschaffung des Emissionshandels. BASF-Chef Markus Kamieth ebenso. Und natürlich: Markus Söder. Senken müsse man Steuer, Bürokratie und „überzogene Co2-Abgaben, die dem Klimaschutz in der Welt wenig helfen, aber unserer Wirtschaft fundamental schaden“, so der bayerische Ministerpräsident in einer Videobotschaft.

Evonik-Chef Kullmann war noch offensiver. Der ließ sich von der Süddeutschen Zeitung und der Tagesschau interviewen, um ein Ende des Emissionshandels zu fordern. Oder „mindestens eine Verlängerung der kostenfreien Zuteilung“ von Zertifikaten. „Im Vergleich zu Asien und den USA werden nur wir durch die Co2-Gebühr zusätzlich belastet. Unsere Wettbewerbsfähigkeit wird massiv torpediert.“, so Kullmann. Und weiter: „Wer diese Transformation will, der muss in neue Verfahren, in Innovation investieren. Die steigende Co2-Gebühr führt aber genau dazu, dass für diese wichtigen Investitionen weniger Geld zur Verfügung steht.“

Das klingt vordergründig nach Sorge um den Standort, das Wachstum und die Arbeitsplätze – ist aber in Wahrheit nur die verklausulierte Schutzbehauptung für fossile Geschäftsmodelle. Anders gesagt: Die Frösche beschweren sich, dass ihr Teich trocken gelegt wird – und die Medien lassen sich zu deren Sprachrohr machen!

Lobby-Argumente aus der Mottenkiste

Kullmanns Argumente sind übrigens schlicht falsch.

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