Für wen lobbyiert der Bund der Steuerzahler wirklich?
Was jeder über die scheinheiligste Denkfabrik Deutschlands wissen sollte.
Mit geleckter Frisur, glänzender Stirn und maßgeschneidertem Anzug sitzt er am Montag im Gerichtssaal. Der Frust ist ihm an jedem Gesichtszug abzulesen. Das Urteil des Bundesfinanzhofs zum Solidaritätszuschlag schmeckt ihm nicht: der Soli sei rechtens. Reiner Holznagel, seit 2012 Präsident vom Bund der Steuerzahler (BdSt), war zur Urteilsverkündung persönlich angereist. Kein Wunder, kämpft er doch seit zwei Jahrzehnten mit dem BdSt gegen den Soli. Geklagt hatte ein Steuerberater Aschaffenburg, Holznagel und der BdSt unterstützten mit einem Musterverfahren.
Vor dem Urteil schien er sich des Sieges sicher. Die Verhandlungen seien gut gelaufen, so Holznagel in den Tagen zuvor. Dass es anders kam und ihn nervt, kann er am Montag kaum verbergen. Der Tagesschau gibt er noch im Gerichtsgebäude ein Interview. Ein Interview, das ihn und seinen BdSt entlarvt. Denn Holznagel schaltet aus Trotz auf Offensive:
»Ich stelle fest, dass immer wieder die Forderung erhoben wird, eine Reichensteuer zu erheben. Wir haben sie! Und das ist jetzt amtlich bestätigt worden. Und deshalb sollte man weitere Reichensteuern endlich in die Schublade packen.«
Man muss wissen: Den Soli zahlen seit 2021 nur noch die Spitzenverdiener, die Kapitalgesellschaften und die Aktionäre dieses Landes. Der volle Satz von 5,5 Prozent fällt auf Unternehmensgewinne von Körperschaften an, auf Aktiengewinne und auf Einkommen ab ca. 110.000 € brutto. 90 Prozent der Einkommensteuerzahler zahlen gar keinen Soli mehr. Dafür kommen 61 Prozent des gesamten Aufkommens von den Top-Ein-Prozent.
Die Frage stellt sich: Für wen tritt Holznagel eigentlich ein, wenn er den Kampf gegen den Soli zum Kampf gegen Reichensteuern erklärt?
Lobbyist: Für wen?
»Bund der Steuerzahler« klingt, als stünde er für uns alle ein. Steuerzahler sind wir ja schließlich alle. Nur ist unser aller Steuerlast ziemlich unterschiedlich. Die Kellnerin und der Manager sitzen nicht im selben Boot. Die Kellnerin zahlt etwa kaum Einkommensteuer und erst recht keinen Soli, dafür aber einiges an Mehrwertsteuer. Dem Manager hingegen ist die Mehrwertsteuer fast egal, ihn betreffen die Einkommensteuer und der Soli viel stärker. Und natürlich die Abgeltungsteuer, die er auf seine Aktiengewinne zahlen muss. An Aktien wiederum kann die Kellnerin gar nicht denken, geht ihr Gehalt doch komplett für den Alltag drauf. Für sie hat der BdSt auffällig wenig im Angebot. Der BdSt stört sich nämlich selten an der Mehrwertsteuer auf Brot und Butter, aber häufig an dem Soli und der Steuerbelastung von Unternehmen. Der BdSt stört sich auch selten an Steueroasen und Schwarzarbeit, aber häufig an neuen Staatsschulden. Warum? Um die Antwort zu finden, lohnt ein Blick auf die Vita von Präsident Holznagel, die Mitglieder sowie die Geschäfts- und Akquise-Strategie des Vereins.
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