Krise gilt längst nicht für alle. Einige Energiekonzerne profitieren zum Beispiel gerade von den hohen Marktpreisen und machen gewaltige Gewinne. Wieso das ist, habe ich im letzten Artikel schon geschrieben. Auch darüber, dass Italiens Regierungschef Draghi im März eine Übergewinnsteuer eingeführt hat, um die Gewinnparty der Energieriesen zu crashen. Wie genau aber macht er das eigentlich? Ist das nicht kompliziert?
Die Frage ist aus zwei Gründen relevant. Erstens, weil die Linksfraktion am morgigen Freitag im Bundestag einen Antrag auf eine Übergewinnsteuer nach italienischem Vorbild einbringt - und dazu im Bundestag dann munter diskutiert wird. Und zweitens, weil Robert Habeck die Übergewinnsteuer grundsätzlich zwar begrüßt, sie aber für rechtlich schwierig umsetzbar hält. Das Argument wird auch am Freitag im Bundestag häufig kommen. Das Bingo steht parat!
Draghi’s Umsetzung ist aber innovativ. So innovativ, dass sie deutlich einfacher funktioniert, als man vermuten würde. Gemeinhin wäre man ja davon ausgegangen, dass sich die Übergewinnsteuer wie andere Unternehmenssteuern - und wie der Name ja schon sagt - auf den Gewinn der Firmen bezieht. Der Gewinn ist das, was über bleibt, wenn alle Aufwendungen von allen Erträgen im Geschäftsjahr abgezogen wurden. Das ist allerdings häufig kompliziert festzustellen und dauert lange. Da muss man dann Inventur machen, Abschreibungen vornehmen, Bilanzen aufstellen und und und - kostet alles Zeit, kostet Nerven und ist ein Einfallstor für listige Steuertricks der Großkonzerne. Wenn dann auf die normale Gewinnbesteuerung obendrauf auch noch die Übergewinnbesteuerung käme, würde alle noch komplizierter. Bis man die Übergewinne besteuert hätte, wäre längst 2024 - oder noch später - und viele Firmen hätten die Löcher im Steuernetz längst genutzt. Nicht aber mit Draghi’s Variante!
Draghi’s Griff in die Trickkiste
Draghi will schnell Nägel mit Köpfen machen. Deshalb wird die italienische Übergewinnsteuer nicht als Ertragssteuer, sondern als Umsatzsteuer erhoben. Klingt technisch, ist aber einfach zu verstehen. Maßgebend für die Steuer sind nicht die Gewinne, sondern die Umsätze. Genauer gesagt: Der Überschuss aus Ausgangsumsätzen minus Eingangsumsätzen. Verglichen wird der Überschuss im Zeitraum vom 1. Oktober 2021 bis zum 31. März 2022 mit dem aus dem Vorjahreshalbjahr (1. Oktober 2020 bis zum 31. März 2021). Ist der Überschuss mindestens fünf Millionen Euro und mindestens zehn Prozent höher als im Vorjahreshalbjahr, dann wird die Differenz mit der Übergewinnsteuer von 25 Prozent belegt. Ist der Überschuss kleiner, fällt die Firma aus der Übergewinnsteuer raus.
Technisch gesprochen ist Draghis Steuer also eher eine Überumsatzsteuer und keine Übergewinnsteuer. Das hat Vorteile! Die Umsätze sind deutlich einfacher festzustellen als der Gewinn, weil die Firmen ihre Umsatzsteuermeldungen in der Regel monatlich oder quartalsweise bei den Finanzämtern abgeben. Das können die Finanzämter dann als Basis nehmen, um den pauschalierten Umsatzüberschuss festzustellen. Für die Bemessung sind natürlich nur die Nettoumsätze, also ohne Umsatzsteuer, relevant.
In Italien ist die Steuer als einmalige Abgabe vorgesehen und muss bis zum 30. Juni 2022 angemeldet und bezahlt werden. Sie ist allerdings auf Energiekonzerne begrenzt, gilt also nicht für Rüstungskonzerne, die durch volle Auftragsbücher auch von der Krise profitieren. Der von der Steuer erfasste Übergewinn wird auf rund 39,8 Milliarden Euro geschätzt. Heißt: Die Energiekonzerne werden einmalig rund zehn Milliarden Euro zahlen müssen. Selbst dann bleiben aber 30 Milliarden Übergewinne, das Geschäft hätte sich auch trotz zusätzlicher Steuer gelohnt.
Ein weiterer Vorteil: Da das Gesetz der Steuer in Italien erst Ende März in Kraft getreten ist und sich auf die Umsätze von Oktober bis März bezieht, blieb den Firmen kaum Gelegenheit, der Steuer auszuweichen und mit ihren Beratertruppen findige Tricks zur Senkung der Bemessungsgrundlage finden.
All das ist in einem neuen Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages beschrieben. Dort heißt es zusammenfassend:
“Die Anknüpfung an die Umsätze führt jedenfalls zu einer erheblichen Vereinfachung der Erhebung der Steuer, da die erforderlichen Daten in Gestalt der Umsatzsteueranmeldungen bzw. -erklärungen sofort verfügbar sind. Zugleich werden die Schwierigkeiten der Bemessung des Übergewinns nach einkommensteuerlichen Methoden vermieden.”
Offen bleibt, ob es in Deutschland verfassungsrechtlich sauber wäre, wenn die Steuer nur für eine bestimmte Branche (Energie) gilt, nicht aber für andere Branchen. Darüber sollen aber bitte die Verfassungsrechtler grübeln!
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