Nobelpreisträger für die 1-Billion-Dollar-Münze?
Allerdings blamiert Paul Krugman sich und den VWL-Mainstream mit falschen Argumenten.
2008 gewann er den Nobelpreis, er gehört zu den berühmtesten Ökonomen der Welt, jetzt hat er sich in den US-Schuldenstreit eingemischt: Paul Krugman outet sich als stiller Fan der 1-Billion-Dollar-Münze. Das ist überraschend, meidet Krugman sonst doch alle Kontroversen, um im Mainstream bloß nicht anzuecken. So gut sein Zuspruch für die 1-Billion-Dollar-Münze ist, um den Republikanern den Wind für Sozialkürzungen aus den Segeln zu nehmen, so falsch ist seine Begründung – und so entlarvend ist sie für den Mainstream der Ökonomenzunft.

Zum Hintergrund: Die USA haben mal wieder ihre Schuldengrenze erreicht. Immer wenn das passiert, startet eine politische Shit-Show zwischen Demokraten und Republikanern. Wer immer in der Opposition ist, wirft der Gegenseite vor, unverantwortlich mit den Staatsfinanzen umzugehen und fordert typischerweise Kürzungen und weniger Schuldenmacherei. Bereits 79-mal wurde die Grenze nach dem üblichen Getöse angehoben. Eigentlich zum Gähnen, aber: ohne Anhebung drohte eine Katastrophe. Die USA dürfte ihre Anleihen nicht mehr bedienen und müsste die Staatspleite erklären. Diesmal scheinen die Republikaner besonders hartnäckig, Finanzministerin Yellen muss längst tricksen, um das Gesetz nicht zu brechen – das kann höchstens bis zum Sommer so weitergehen. Joe Biden aber hat ein Ass im Ärmel. Er könnte die Schuldengrenze mit einer 1-Billion-Dollar-Platinmünze austricksen. Wie das funktioniert und warum es zwingend eine Platinmünze sein muss, habe ich hier erklärt.
Gelddrucken ist nicht inflationär?
Das erste Argument von Krugman ist richtig: Die Münze sei ein genauso willkürlicher Kniff, ein »Gimmick«, wie eine Staatsanleihe oder gar eine Staatspleite dank Schuldengrenze. Alle politischen Spielregeln sind nun mal willkürlich, schließlich sind sie menschengemacht und keine Naturgesetze. Manche Regeln und Institutionen sind auch absurd, das kann also nicht der Maßstab für die Münze sein. So weit, so gut. Interessanter ist sein zweiter Punkt!
Die Münze bedeutete Staatsausgaben straight aus der Druckerpresse – oh Gott! Jeder Mainstream-Ökonom hat gelernt: Das muss (!) inflationär sein, so steht es auch in jedem Lehrbuch. Auch Krugman sieht das so, glaubt allerdings eine Lösung für das Problem gefunden zu haben. Würde die Zentralbank einfach Staatsanleihen verkaufen, um das Zentralbankgeld, das der Staat nach Münzprägung ausgegeben hat, wieder einzusammeln, bliebe die Zentralbankgeldmenge unverändert – und hätte keinen Einfluss auf die Inflation (»zero inflation impact«). Ein typisches Mainstream-Argument, das falscher nicht sein könnte. Deklinieren wir den Fall einmal mit und einmal ohne Anleiheverkauf durch.
Biden lässt die Münzprägeanstalt eine Platinmünze mit Nennwert von einer Billion Dollar prägen, seine Finanzministerin geht damit zur Zentralbank und tauscht die Münze gegen eine Kontogutschrift in gleicher Höhe. Auf dem Zentralbankkonto der Regierung sind nun eine Billion Dollar – frisch geschöpftes bzw. gedrucktes Geld. Gibt die Regierung die Billion aus, (sagen wir zur Vereinfachung, alles geht an eine Baufirma, die neue Straßen bauen soll) landet die Billion an Zentralbankguthaben bei der Bank der Baufirma, die wiederum der Baufirma eine Billion auf ihrem Girokonto gutschreibt. Die Regierung hat also eine Billion weniger bei der Zentralbank, die Bank eine Billion mehr bei der Zentralbank; und die Baufirma eine Billion mehr auf dem Girokonto. In Bilanzen gesprochen: Der Staat verliert Nettogeldvermögen, die Baufirma gewinnt Nettogeldvermögen, die Bank verlängert vermögensneutral ihre Bilanz (sie hat mehr Guthaben bei der Zentralbank, schuldet aber der Baufirma in gleicher Höhe Giralgeld, beides hebt sich netto auf).
Wäre das inflationär? Kommt drauf an! Wenn die Baufirma noch genug Kapazitäten hat und Bauarbeiter findet, eher nicht; wenn sie eh schon komplett ausgelastet ist und für höhere Löhne Bauarbeiter von anderen abwerben muss, dann schon.
Änderte sich daran was, wenn die Zentralbank Staatsanleihen an die Bank verkauft, wie Krugman vorschlägt? Nein! Der Anleiheverkauf bedeutete ja nur, dass die Bank ihre Guthaben bei der Zentralbank gegen zinsbringende Staatsanleihen tauscht. In Bilanzen gesprochen: ein Aktivtausch – Anleihen gegen Guthaben; netto ändert sich für die Bank nichts. Und für die Baufirma ändert sich erst recht nichts. Sie hat trotzdem die Billion auf dem Konto. Und durch den Anleiheverkauf logischerweise weder mehr noch weniger Bauarbeiter zur Verfügung, der hat damit ja gar nichts zu tun. Genau das ist aber relevant für die Inflation. Entscheidend für das Inflationsrisiko ist allein die Ausgabe – und die Frage, wohin das Geld fließt bzw. was die Baufirma wiederum mit dem Geld macht. Ob vorher Münzen geprägt wurden, die Regierung oder die Zentralbank davor oder danach Anleihen verkaufen oder Joe Biden sich auf den Kopf stellt, ist komplett egal. Krugmans Argument läuft ins Leere.
Aber: Moment! Kann die Bank nicht mehr Kredite vergeben, wenn sie mehr Guthaben bei der Zentralbank hat – und wäre das nicht dann inflationär? Nein, kann sie nicht. Auch das ist ein typischer Fehler im VWL-Mainstream. Krugman glaubt das auch, allerdings widersprechen alle Zentralbanken der Welt dieser naiven Vorstellung vom Bankwesen. Eine Bank vergibt in erster Linie Kredite dann, wenn sie gute Kreditnehmer findet. Ob sie vorher Guthaben bei der Zentralbank hat oder nicht, ist dafür völlig egal. Die Bundesbank schreibt zum Beispiel unmissverständlich:
»Dabei hängt die Fähigkeit der Banken, Kredite zu vergeben und Geld zu schaffen, nicht davon ab, ob sie bereits über freie Zentralbankguthaben oder Einlagen verfügen.«
Ich habe das auch in diesem Video erklärt.
Selbst wenn es aber anders wäre, ergäbe Krugmans Argument keinen Sinn. Denn ob die Bank Guthaben bei der Zentralbank hat oder stattdessen Staatsanleihen hält, macht praktisch keinen Unterschied. Schließlich kann sich jede Bank zu jeder Zeit bei der Zentralbank neue Zentralbankguthaben leihen; erst recht, wenn sie dafür noch Staatsanleihen hinterlegen kann. Oder, andere Möglichkeit, sie kann die Anleihe innerhalb von Sekunden an andere Banken, Versicherungen oder Rentenfonds verkaufen. Kein Markt ist so liquide wie der Markt für US-Staatsanleihen. Staatsanleihen in Zentralbankguthaben zu tauschen, ist wie Geld vom Girokonto aufs Tagesgeldkonto zu überweisen. Beides mit zwei Tastendrückern erledigt!
Wir sehen: Krugmans Argument ist technisch, theoretisch und praktisch falsch – und zeigt am Ende demonstrativ, wie wenig der VWL-Mainstream vom Geldsystem versteht.
Genau das ist übrigens eine der großen intellektuellen Errungenschaften der Modern Monetary Theory (MMT), die auch Krugman immer wieder attackiert. Sie startet mit einer technischen Beschreibung des Geldsystems und passt ihre Theorie an die Realität an. Der Mainstream geht den anderen Weg: Er bastelt unrealistische Modelle, die mit der Realität des Geldsystems wenig zu tun haben.
Für alle, die das Geldsystem verstehen und Paul Krugman voraus sein wollen, habe ich den Online-Kurs »MMT für Einsteiger« gedreht. Im Kurs gibt es auch Bilanzen und Animationen dazu, wie Staatsausgaben genau abgewickelt werden. Mit dem CODE: NEWSLETTER23 gibt es den Kurs für 5 Tage rabattiert für 9,99€ statt 29,99€. Hier entlang! :-)
"Wäre das inflationär?
Kommt darauf an..."
Es ist somit nicht Geldschöpfung per se inflationär, sondern deren konkrete Verwendung, was wesentlich mit Angebot- und Nachfrage-Relationen zusammenhängt.
Dias gerne bis zu Überdruss malträtierte Quantitäts-Gleichungsmodell fungiert somit nur in den Hirnströmen von Reinraum-Synchronikern im Tabernakel-Modus korrekt, solange Makro-Ökonomie keiner konkreten mikro-ökonomischen Übersetzung mit entsprechenden Fall-Unterscheidungen bedarf, weil das Ergebnis apriori fest steht.
Solange sich solche Religion als Wissenschaft verkaufen darf, wird der Leitspruch der Aufklärung blasphemisch verhunzt bleiben und Hirngespinste ungeprüft als Gral der Erkenntnis verkauft werden können.
Man muss aber keiner Akademikerzunft oder verdatterten Nobelpreisträgern was beweisen, sondern die Vorstellungswelt der Allgemeinheit von einem angeblich bösen Hexenglauben heilen.
Wie schon ein Paracelsus wusste, dass die Dosis das Gift macht, weiß ein fähiger Volkswirtschafter, dass mit zu wenig Kaufkraft ausgestatteten Marktteilnehmer nicht verzweifeln müssen, sondern zumindest ihre existenziellen Bedürfnisse durchaus zu befriedigen sind, indem durch Geldschöpfung das Potential von Produktionsfaktoren disinflationär substituierend genutzt wird.
Das muss dann auch nicht als Schuld verbucht werden, sofern man den Wahnvorstellungen der unreifen Jungs und ihren Uniformen, welche durchaus Talaren ähneln, entwachsen ist.
Die MMT liefert Techniken und Erklärungsansätze, welche gerne missverstanden und deshalb fehlinterpretiert werden.
Eine technische Geldschöpfung aus dem Nichts entspricht keiner volkswirtschaftlichen Nachfrage-Belebung im Nichts.
Unterausgelastete Produktionsfaktoren tendieren bei besserer Auslastung nach dem kaufmännischen Kalkül zu tendenziell niedrigeren Preisen, sofern die economies of scale besser greifen. Diese niedrigeren Preise bei besserer Rentabilität aufgrund besserer Auslastung der Produktionsmöglichkeiten sind dann aber das Gegenteil einer Deflation, wenngleich sie disinflationär wirken.
"... Aber: Moment! Kann die Bank nicht mehr Kredite vergeben, wenn sie mehr Guthaben bei der Zentralbank hat – und wäre das nicht dann inflationär? Nein, kann sie nicht. ..."
Meine Frage wäre eingentlich: kann die Bank nicht mehr Kredite vergeben, weil sie mit mehr Zentralbankguthaben Kredite mit niedrigerem Zins vergeben kann, weil sie weniger abhängig vom Leitzins ist.