Bitte nicht!
Lindner macht Professor Lars Feld zum Chefberater und gibt ein Interview, das Frankreich und Italien Angst machen muss. Wird Lindner jetzt zum Hardliner?
Seit gestern gab es zwei Hiobsbotschaften. Sonntagmittag machte das Gerücht die Runde, dass Finanzminister Lindner den ehemaligen Wirtschaftsweisen Prof. Lars Feld zu seinem Chefvolkswirt macht. Das ist schlimm, weil Feld ein ordoliberaler Hardliner ist, der Finanzpolitik aus der Mottenkiste propagiert. Mittlerweile wurde aus dem Gerücht auch eine offizielle Bekanntmachung, auf die ich gleich noch eingehe.
Heute Morgen dann die zweite Hiobsbotschaft. In einem Interview beim Handelsblatt ließ Lindner den Schafspelz fallen und verschärfte seine finanzpolitischen Positionen drastisch. Zu Beginn der Amtszeit zeigte er sich noch wenig dogmatisch, unterstützte auch den 60 Milliarden Euro Nachtragshaushalt. Auch in Frankreich zeigte er sich beim Antrittsbesuch gemäßigt und offen für Reformen in Sachen Stabilitäts- und Wachstumspakt. Wachstum sei wichtiger als Schuldenregeln, so lautete sein Motto. Das dürfte jetzt vom Tisch sein. Fatalerweise!
“Ich schätze ihn für seine ordoliberale Grundüberzeugung”
Christian Lindner machte in der offiziellen Verkündung zur Berufung von Prof. Feld keinen Hehl daraus, warum er genau ihn berufen hat. So heißt es in Lindners Statement:
„Stabile Staatsfinanzen und eine maßvolle Fiskalpolitik bilden die Grundpfeiler einer funktionierenden Sozialen Marktwirtschaft. Kaum ein anderer Ökonom in unserem Land hebt diesen Zusammenhang immer wieder so deutlich hervor wie Professor Lars Feld. Sein ordnungspolitischer Kompass ist klar. Ich schätze ihn für seine ordoliberale Grundüberzeugung.”
“Stabile Staatsfinanzen” sind Lindners liebste Nebelkerze. Den Begriff nutzt er ständig, ohne zu erklären, was damit gemeint ist. Gleiches gilt für “maßvolle Fiskalpolitik”. Wann ist sie denn “maßvoll”? Wenn sie für Wachstum und Vollbeschäftigung sorgt oder wenn sie die Schuldenquote nicht erhöht? Richtig wäre Ersteres, Lindner aber meint Letzteres.
Dann führt Lindner aus:
“Der Staat muss gute Rahmenbedingungen für Investitionen setzen und Anreize für Innovationen geben. Geld, das der Staat ausgibt, muss aber immer erst erwirtschaftet werden.”
Der letzte Satz tut besonders weh. Wir haben einen Finanzminister, der unser Geldsystem offenbar nicht versteht. Nicht auszudenken!
Staatliche Währung wächst nicht auf Unternehmern oder Steuerzahlern, sondern wird von der Zentralbank geschaffen. Jeder Euro, der von Finanzministern der Eurozone ausgegeben wird, kommt ursprünglich von der Europäischen Zentralbank (EZB). Die EZB hat das Währungsmonopol und erzeugt Euros - auf Knopfdruck. Wenn Christian Lindner eine Staatsanleihe verkauft, ist kein einziger Steuerzahler im Spiel. Die Bank, die dem Staat die Anleihe abkauft, zahlt mit ihrem Guthaben bei der Zentralbank, sprich: mit Zentralbankgeld. Der Finanzminister sollte sich dazu mal bei der Bundesbank oder Finanzagentur kundig machen. Oder diesen Artikel lesen. Die Finanzagentur hat meine Erläuterung auch mal in diesem Gutachten, das ich für Fabio De Masi damals angefordert habe, bestätigt.
Geld muss immer erst geschöpft werden, bevor damit erwirtschaftet werden kann. So wird ein Schuh draus. Zum Abschluss der Verkündung:
“Professor Lars Feld hat sich als einer der profiliertesten Streiter für die Schuldenbremse und eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik hervorgetan. Ich freue mich daher, dass ich ihn mit seiner international anerkannten Expertise und Erfahrung dafür gewinnen konnte, mich in diesen wichtigen Fragen unabhängig zu begleiten und zu beraten.“
Im Finanzministerium werden also die Wände gelb gestrichen.
Lindner wird zum Hardliner
Die milden Töne des Anfangs sind verstummt. Das zeigt das heutige Interview beim Handelsblatt deutlich. Auf die Frage nach dem Haushalt 2022 sagte Lindner, dass er den Plan der GroKo mit einer coronabedingten Neuverschuldung von 100 Mrd. Euro einhalten will, wenngleich er skeptisch ist. Er sagte:
"Dieser Zielwert der Vorgängerregierung [die 100 Mrd. Euro] stammt aus optimistischeren Phasen. Trotz der Risiken lasse ich ihn aber unverändert. Denn wir brauchen ein Signal der Stabilität. Da wir ab dem Jahr 2023 die Schuldenbremse einhalten wollen, müssen sich alle neuen Konsumausgaben schon in diesem Jahr daran messen lassen, ob sie unter den Vorgaben der Schuldenbremse auf Dauer finanzierbar sind.”
Konsumausgaben sind also der Feind, der auf der Abschussliste steht. Was aber sind Konsumausgaben? Vor allem Personal und Sozialstaat. Droht also der Kürzungshammer in 2023?
Auf die Frage nach den Zinsen und der Politik der EZB führte Lindner aus:
"Ich habe aber registriert, dass das Programm zum Ankauf von Anleihen verändert wurde und Zinsschritte im Gespräch sind. Die Normalität ist die Finanzierung der Staaten unabhängig von der Geldpolitik. Dafür stehen die Regierungen in Europa in der Verantwortung. Wir müssen für die wirtschaftliche Erholung sorgen und die Verschuldung reduzieren. Deshalb werbe ich dafür, zu den Fiskalregeln zurückzukehren.”
Staatsfinanzierung kann niemals unabhängig von der Zentralbank sein. Schon technisch gar nicht, weil die Zentralbank die Überweisungen für die Regierung tätigt und, wie oben erklärt, jeder Euro, den Lindner ausgibt, ursprünglich von der EZB erzeugt wurde.
Richtig ist, dass die EZB in der Eurozone indirekt die Zinsaufschläge auf die Staatsanleihen kontrolliert. Mit Nullzinsen und dem großen Anleihekaufprogramm hat sie in der Krise sichergestellt, dass die Staaten ohne hohen Zinsdienst an neues Geld kommen. Der geplante Ausstieg aus den Anleihekäufen ist ein Fehler.
Genauso ist es ein Fehler, dass Lindner für Schuldenabbau trommelt und die Vorschläge von Italien und Frankreich zur Reform der europäischen Schuldenregeln blockiert. So argumentiert er gegen die Reform der Schuldenregeln:
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