Lindners Zins-Lüge
Wieso der Finanzminister 2023 viel weniger Zinsen zahlt, als er behauptet – und damit SPD und Grüne austrickst.
Niemand hat es so schwer wie Christian Lindner. Finanzminister zu sein, ist ein schweres Los dieser Tage. Man könnte fast Mitleid haben. Mit Kullertränen tingelt er von Talkshow zu Pressekonferenz und beklagt die steigenden Zinsen. Weil die Zentralbank den Leitzins von 0 auf 3,5 Prozent hochgerissen hat, muss Lindner heute mehr Zinsen zahlen als letztes Jahr, wenn er Staatsanleihen verkauft. Und davon muss er ziemlich viele verkaufen. Für das Sondervermögen Bundeswehr, den Doppelwumms, die Ukraine-Hilfen und so weiter.
Doch es gibt einen Haken. Lindner drückt nämlich stärker auf die Tränendrüse, als gerechtfertigt wäre. Und zwar aus Kalkül. Je größer die Kullertränen für die Zinslast, desto leichter kann er rechtfertigen, sich an die Schuldenbremse zu kletten – und dort zu sparen, wo es SPD und Grünen wehtut: beim Klima, bei der Krankenkasse oder der Kindergrundsicherung. Sein Argument geht so:
»Die Zinslast des Bundes ist seit 2021 von 4 auf mittlerweile knapp 40 Milliarden Euro gestiegen. Das ist Geld, das uns künftig an anderer Stelle fehlt - für Bildung, Digitalisierung, Investitionen in Klimaschutz. Die Schuldenbremse einzuhalten, ist daher ökonomisch weise.«
Das Bundesfinanzministerium unterstreicht das, wo sie nur können, mit dieser Grafik. Die Botschaft: Was für ein Glück doch Ex-Finanzminister Scholz 2021 hatte – und was für ein Pech für Christian Lindner heute hat. Was ein steiler Anstieg, Gott behüte!
Der Trick: Wie aus 28 Milliarden 40 werden
Lindners Prognose und die Grafik aus dem Finanzministerium sind aber irreführend. Die wirkliche Zinslast ist 12 Milliarden geringer und der Anstieg bei Weitem nicht so steil, wie oben vom Finanzministerium dargestellt.
Um den Trick zu verstehen, müssen wir kurz ein paar Basics klären. Wenn Lindner Geld auf seinem Konto bei der Bundesbank braucht, verkauft er Staatsanleihen. Wie genau das funktioniert, habe ich in diesem Video erklärt. Er verkauft die Anleihen natürlich nicht selbst, sondern lässt das die Finanzagentur für ihn machen. Die wiederum verauktioniert an eine ausgewählte Gruppe an Banken, die höchstbietende gewinnt. Man kann sich das vorstellen wie eine Kunstversteigerung im kleinen Kreis.
Nun noch ein paar Begriffe. Was ist eigentlich eine Staatsanleihe? Nun, sie ist ein Wertpapier. Jede Anleihe hat einen Ausgabewert, einen Kupon, eine Laufzeit, einen Kurs und daraus ergibt sich eine Rendite. Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Der Reihe nach:
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