Neue Schulden nur für Investitionen?
Von Merz bis Gysi ist man sich einig: Schulden für Investitionen sind okay, aber für laufende Ausgaben tabu. Stimmt das?
Der Wind dreht sich. Nach den Wirtschaftsweisen und der Bundesbank wirbt jetzt sogar Ex-Kanzlerin Merkel für eine Reform der Schuldenbremse. Und auch Bald-Kanzler Merz nähert sich dem Gedanken immer mehr. Allerdings gibt es bei allen immer eine Bedingung: die Schuldenbremse dürfe nur für Investitionen gelockert werden, auf keinen Fall aber für laufende Ausgaben. Und natürlich nur in begrenztem Umfang, weil Staatsschulden grundsätzlich schlecht seien.
Heißt: Ein bisschen mehr Schulden für Schulen, Straßen und Bundeswehr sind okay, Schulden für Lehrer, Deutschlandticket und Bürgergeld aber tabu. Diese Unterscheidung zwischen Investitionen und laufenden Ausgaben ist breiter Konsens, zieht sich von Merz bis Gysi, von rechts nach links. Und dennoch ist sie falsch.
Auch progressivere Ökonomen wie Marcel Fratzscher vom DIW oder Achim Truger aus dem Rat der Wirtschaftsweisen betonen das immer wieder. Das Argument: öffentliche Investitionen würde sich ja finanziell rentieren (heißt: neue Einnahmen generieren) und neue Vermögenswerte für den Staat schaffen. Wenn der Staat Schulden macht, um eine Schule zu bauen, hat er danach zwar weniger Geld, aber immerhin eine Schule. Und die Schule lohnt sich, erstens, weil sie die künftigen Steuerzahler produktiver und so mehr Einnahmen für den Staat bringt. Und zweitens würde die Schule ja von der nächsten Generation genutzt, also sei es auch okay, dass nicht nur die heutigen Steuerzahler dafür bezahlen. Häufig kommt dann so eine Floskel wie: „Was langfristig wirkt, muss auch langfristig finanziert werden“.
In der öffentlichen Debatte werden Ausgaben für die Bundeswehr zwar als Investition bezeichnet, aber das stimmt natürlich nicht. Granaten, Raketen und Patronen sind klassischer Konsum. Setzt man sie ein, sind sie danach weg.
Es gibt keine separaten Töpfe
Die Argumentation ist schon technisch falsch, weil sie impliziert, dass der Staat genau plant, wofür er Gelder aus Steuereinnahmen und wofür er Gelder aus dem Verkauf von Staatsanleihen (Schulden) verwendet. Als gäbe es einen Steuertopf und einen Schuldentopf. So ist es nicht. Alles wird von einem Konto bezahlt. Die strikte Trennung zwischen Schulden für Investitionen und Steuern für laufende Ausgaben gibt es gar nicht.
Vereinfacht läuft es so: Der Staat legt fest, worauf welche Steuern erhoben werden, und versucht die so gut wie möglich einzutreiben. Außerdem legt er fest, was er in einem Haushaltsjahr wofür ausgeben möchte. Daraus ergibt sich ein Haushaltsplan. Um dann im Verlauf des Haushaltsjahres stets genügend Geld auf dem Staatskonto zu haben, kann er neben den eingenommenen Steuern auch noch Staatsanleihen verkaufen.
Wichtig: Das Staatskonto führt er bei der Bundesbank, der deutschen Zentralbank. Innerhalb eines Tages darf das Konto überzogen werden, länger aber nicht. Wenn auf dem Staatskonto bei der Bundesbank nicht genügend Guthaben ist, um zum Beispiel den Bau einer Brücke oder das Gehalt für Beamte zu bezahlen, verkauft der Staat neue Anleihen, um sich neues Guthaben zu beschaffen. Ob Investition, Sozialtransfer, Personalausgabe oder Staatskonsum ist dafür egal.
Abgerechnet wird am Jahresende. Dann heißt es: Ausgaben minus Einnahmen. Ob dann aus den Steuer- und Ausgabenplänen eine tatsächliche Neuverschuldung resultiert ist, hängt von vielen Faktoren ab. Faktoren, die bei der Planung von Steuern und Ausgaben noch gar nicht klar sind. Wenn etwa die Wirtschaft schlecht lief, dann sind vielleicht die Steuereinnahmen geringer und die Ausgaben höherausgefallen als geplant, weil die Leute weniger verdient und weniger Einkommensteuer gezahlt haben oder der Staat mehr Geld für Arbeitslose ausgeben musste. Bei der Planung kann also gar nicht genau gesagt werden, ob und wofür wie viele Schulden gemacht werden (müssen).
Auch staatliche Sozialausgaben kurbeln die Wirtschaft an, lösen private Investitionen aus, die Wirtschaft wird produktiver, die Einkommen steigen, der Wohlstand steigt, – allen geht es danach besser!
Mehr Bürgergeld für mehr Investitionen?
Auch ökonomisch ist die trennscharfe Unterscheidung zwischen staatlichem Konsum und staatlicher Investition schräg.
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