Klassenfeind: Pendlerpauschale
Ja, sie stellt Spitzenverdiener besser. Nein, sie ist keine klimaschädliche Subvention. So sollte man sie ändern.
Finanzminister Lindner will die Pendlerpauschale erhöhen. Und zwar auf 38 Cent pro Kilometer, den man zur Arbeit fahren muss. Bisher sind es noch 30 Cent für die ersten 21 Kilometer, 38 Cent werden erst für längere Arbeitswege verrechnet. Ist die Erhöhung eine gute Idee? Grundsätzlich ja, aber dafür muss die Pauschale verändert werden. Denn der Bankmanager und der Bundesligaprofi sparen heute für die gleiche Arbeitsstrecke mehr Geld als Kassiererin und der Kellner. Um das zu verstehen, müssen wir wohl einmal um eine Ecke denken.
Wer malochen geht und ein Jahreseinkommen über dem steuerlichen Grundfreibetrag von 10.347 Euro erzielt, muss Einkommensteuer zahlen. So weit, so klar. Die Kosten, die man aufbringen muss, um seine Arbeit zu erledigen, sollen von der Steuer abgezogen werden, damit der Beschäftigte sie nicht selbst tragen muss. Nur fair. In der Steuererklärung sind das die sogenannten Werbungskosten. Dazu gehören Kosten für Fachbücher, Fortbildungen oder Arbeitsklamotten. Und auch Kosten für den Weg zur Arbeit. Um die Fahrkosten zur Arbeit zu berechnen, gibt es die Pendlerpauschale. Im Steuerrecht auch Entfernungspauschale genannt. Rund 14 Millionen Beschäftigte nutzen die Pendlerpauschale, 80 Prozent davon fahren mit dem Auto und brauchen im Schnitt 26 Kilometer bis zur Arbeit. Warum nur 14 der 45 Millionen Beschäftigten? Erstens weil immer noch zu viele Beschäftigte keine Steuererklärung machen und zweitens weil die Pendlerpauschale nur greift, wenn damit die Werbungskosten über der dem sogenannten Arbeitnehmerpauschbetrag liegen. Der betrug bisher 1.000 €, wurde im Zuge der Entlastungspakete aber auf 1.200 € erhöht. Die meisten Beschäftigten bekommen darüber ihre Arbeitskosten pauschal abgegolten, müssen dafür also keine Kosten nachweisen.
Zurück zum Problem der Pendlerpauschale. Für jeden einzelnen Beschäftigten die persönlichen Fahrtkosten zu berechnen, wäre viel zu umständlich und würde die Finanzämter überlasten. Es wäre auch unproduktive Arbeit, die wir gar nicht wollen. Daher die Pauschale. Egal, ob man mit dem Auto, dem Motorrad, der Bahn, dem Fahrrad oder zu Fuß zur Arbeit kommt: Pro Kilometer senkt die Pauschale das zu versteuernde Einkommen um 30 Cent, ab dem 21. Kilometer sogar um 38 Cent.
Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Der Bundesligaprofi zahlt auf sein zu versteuerndes Einkommen einen höheren Steuersatz als die Kassiererin. Der Bundesligaprofi senkt mit der Pauschale also Einkommen, das sonst mit dem Reichensteuersatz von 45 Prozent besteuert worden wäre, die Kassiererin mit 2.400 € brutto mit einer 40 Stundenwoche lediglich Einkommen, das mit ca. 25 Prozent besteuert worden wäre. Heißt: pro gefahrenem Kilometer spart der Bundesligaprofi vereinfacht gerechnet und aufgerundet rund 14 Cent an Steuern, die Kassiererin aber gerade mal acht Cent. Bei gleicher Strecke wie gesagt!
Noch ungerechter wird es, wenn die Kassiererin zwar fünf Mal die Woche zur Arbeit fährt, aber nur halbtags arbeitet, um sich nach der Schule um ihr Kind zu kümmern. Dann verdient sie möglicherweise so wenig, dass sie gar keine Einkommensteuer zahlt und entsprechend auch von der Pendlerpauschale nichts bekommt. Die Fahrtkosten hat sie aber natürlich trotzdem. Einzige Ausnahme: die Mobilitätsprämie. Die wurde extra für Geringverdiener eingeführt, die weit pendeln. Wenn die Teilzeitkassiererin mehr als 20 Kilometer zur Arbeit hat, bekommt sie 14 Prozent der Pendlerpauschale, also rund 5 Cent pro Kilometer. Wenn sie weniger fährt, bleibt sie auf den Kosten sitzen.
Gleiche Entlastung für alle
Dass Spitzenverdiener bei gleicher Arbeitsstrecke mehr sparen als Geringverdiener, ist unfair. Wenn beide mit dem Bus, mit dem Fahrrad oder gar mit dem gleichen Auto zur Arbeit fahren, haben sie ja die gleichen Kosten. Richtig wäre also, die Entlastung unabhängig vom Einkommen zu machen. Sprich: Jeder soll für jeden Kilometer die gleiche Entlastung bekommen. Das ginge ganz einfach, etwa mit einem Mobilitätsgeld von sagen wir 15 Cent pro Kilometer. Statt mit der Pendlerpauschale das zu versteuernde Einkommen zu senken, würde das Mobilitätsgeld von der Einkommensteuerschuld abgezogen. Wer so wenig verdient, dass er keine Einkommensteuer zahlt, sprich: keine Einkommensteuer dem Finanzamt schuldet, der bekäme den Betrag einfach ausgezahlt. Weil dann nicht mehr das zu versteuernde Einkommen gesenkt wird, stehen die unterschiedlichen Steuersätze nicht mehr im Weg. Dann würde der Bundesligaprofi genau so viel bekommen wie die Kassiererin.
Wenn Lindner die Pendlerpauschale erhöhen will, dann ist das grundsätzlich richtig, denn für Pendler ist der Weg zur Arbeit durch die höheren Spritkosten teurer geworden. Ohne Reform zum Mobilitätsgeld würde die Teilzeitkassiererin aber leer ausgehen und der Bundesligaprofi am stärksten entlastet. Das wäre Unsinn.
Keine klimaschädliche Subvention
Gerade Grüne führen die Pendlerpauschale gerne mit auf, wenn sie vorrechnen, wie viele Milliarden die Bundesregierung für klimaschädliche Subventionen ausgibt. Gefordert wird, die Subventionen alle zu streichen. So richtig das Grundanliegen ist, so falsch ist es, die Pendlerpauschale da mit hineinzunehmen.
Eine ersatzlose Streichung der Pendlerpauschale hieße nichts anderes als eine Steuererhöhung für 14 Millionen Pendler. Der Weg zur Arbeit ist aber einer, den man nicht vermeiden kann. Die Lebensrealität außerhalb von Berlin, Hamburg und München ist, dass Bus und Bahn nicht gut genug ausgebaut sind, um die Beschäftigten verlässlich und komfortabel zur Arbeit zu bringen. Viele sind schlicht auf das Auto angewiesen. Vor allem Geringverdiener, die sich die teuren Mieten in der Stadt nicht leisten können und deshalb weiter draußen wohnen. Die Zahlen vom statistischen Bundesamt zeigen das: Je geringer das Einkommen, desto weiter der Weg zur Arbeit - im Durchschnitt.
Auch ist die Pauschale keine Subvention im klassischen Sinne, wie etwa der niedrigere Energiesteuersatz auf Dieselkraftstoff (Dieselprivileg). Die Pendlerpauschale ist lediglich die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen, die nötig sind, um seine Arbeit zu machen. Das gilt für die Fahrtstrecke genau so wie für das Fachbuch, die Weiterbildung und die Arbeitsklamotte. Ohne Fahrt und Klamotte könnte die Arbeit nicht erbracht werden. Dass die Beschäftigten die Aufwendungen selbst von ihrem Einkommen tragen sollen, ist nicht einzusehen. Mit progressiver Politik für die Mehrheit hätte das nichts zu tun. Viel mehr wäre das sogar arbeitnehmerfeindlich.
Obendrauf gibt die Pendlerpauschale schon heute einen ökonomischen Anreiz, auf das Auto zu verzichten. Wer mit dem Fahrrad oder mit dem Bus fährt, bekommt die Pauschale ja in gleicher Höhe wie der Autofahrer, obwohl die realen Fahrtkosten günstiger sind. Wenn überhaupt sollte die Pendlerpauschale also erhöht werden. Desto mehr kann man nämlich sparen, indem man auf Drahtesel und Bus umsteigt. Ebenso bevorteilt die Pauschale günstigere ÖPNV-Tickets. Wer mit dem 9€-Ticket zur Arbeit kommt, kann trotzdem 30 Cent pro Kilometer anrechnen, ab 20 Kilometer sogar 38 Cent. Je höher die Pauschale und je günstiger die klimafreundlichen Verkehrsmittel, desto größer ökonomische Anreiz für Fahrrad und Bus. Der Klimaanreiz ist also schon längst da. Warum fahren trotzdem mehr als 80 Prozent der Pendler mit dem Auto? Weil Bus, Bahn und Fahrrad keine alltagstauglichen Alternativen sind. Wenn man das ändern will, muss man in die Alternativen investieren. Anreize alleine laufen ins Leere.
Wer in der Pendlerpauschale aber nur Geld für die bösen “Klimasünder” namens Autofahrer sieht, macht sich das Leben zu einfach. Aus dem Grund die Pendlerpauschale zu streichen, folgte der stumpfen Logik, gute Klimapolitik sei, Autofahren einfach teurer zu machen. Autofahren zu verteuern, ohne vorher Alternativen zu schaffen, ist aber das Gegenteil von guter Klimapolitik. Pendler würden ärmer, Autogefahren aber dadurch nicht weniger. Wer keine alltagstaugliche Alternative zum Auto hat, der muss die höheren Kosten einfach schlucken und dann woanders kürzen. Weniger Pendlerpauschale hieße also nicht weniger Autofahrten, sondern weniger Kino-, Restaurant- und Friseurbesuche. Dem Klima hilft man damit nicht. Im Gegenteil: So verspielt man Akzeptanz für wirkliche Klimaschutzmaßnahmen. Eine der größten Gefahren derer, die das Auto als Objekt eines neuen Kulturkampfes auserkoren haben. Das ist ökonomisch und politisch zum Scheitern verurteilt. Außer Twitterapplaus von Akademikern aus Großstädten, die Geldsorgen nicht kennen, ist damit nichts zu holen. Und selbst wenn das die Strategie wäre, dann doch bei den Kosten für die Arbeitgeber und die Betriebsflotten anfangen und nicht bei den Beschäftigten? Ich gebe zu, um Klassenbewusstsein ist es in Deutschland gut bestellt.
Wir halten fest: Ja, Pendlerpauschale erhöhen. Besser aber noch: Mobilitätsgeld daraus machen!
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Wenn man keine Steuern zahlt, macht man dann nicht auch keine Steuererklärung und müsste nun eine machen, damit man die 15cent bekommt? Klingt nach mehr Bürokratie