Ein kluger Konter?
Die Sanktionen gegen die russische Zentralbank haben den Rubel schwer getroffen. Wie hat Russland reagiert und warum verliert der Rubel nicht weiter an Wert?
Als Reaktion auf den Angriffskrieg Putins auf die Ukraine haben die EU und die USA scharfe Sanktionen erlassen. So scharf, dass sie teilweise als Erklärung eines Finanzkrieges bezeichnet wurden. Neben dem Ausschluss einiger russischer Banken aus dem SWIFT-System und dem Verbot vom Handel mit russischen Aktien und Staatsanleihen haben die EZB und die FED die Devisenreserven der russischen Zentralbank eingefroren. Die Devisenreserven sind die Bankguthaben, die die russische Zentralbank bei den europäischen Zentralbanken (in Deutschland etwa die Bundesbank) und der amerikanischen Zentralbank (Federal Reserve) hält. Im letzten Artikel habe ich genauer beschrieben, wie das genau funktioniert und warum das ein harter Schlag für Russland ist.
Die Auswirkungen auf den Rubelkurs waren dramatisch. Aus Sorge nicht mehr an Geld zu kommen, kam es in Russland zu langen Schlangen an den Geldautomaten. Die Aktienkurse russischer Unternehmen schossen vorbörslich in den Keller. Die russische Währung, der Rubel, verlor in der Spitze mehr als 50 Prozent gegenüber dem US-Dollar. Man kann sagen: Die Sanktionen wirken! Auffällig ist allerdings, dass der Rubel nicht weiter an Wert verliert. Das liegt an den Gegenmaßnahmen der russischen Zentralbank.
So kontert Russland
Die russische Zentralbank reagierte prompt auf die neuen Sanktionen. Und zwar großschrittig. Die Moskauer Börse wurde gestern und heute ausgesetzt, den Leitzins hat die Zentralbank um 10,5 Prozentpunkte auf 20 Prozent angehoben. Zuvor hatte sie Wertpapierhändlern verboten, russische Wertpapiere im Besitz von Ausländern zu verkaufen. Obendrauf wies die Zentralbank die heimischen Unternehmen an, 80 Prozent ihrer Deviseneinnahmen gegen Rubel zu verkaufen. Alle Maßnahmen zielen darauf ab, den Rubel zu stabilisieren, indem dieser attraktiver (höhere Zinsen) und die Nachfrage nach ihm künstlich befeuert wird (Verkauf von Devisen). Gerade Letzteres scheint vielversprechend - aus russischer Sicht.
Rettungsanker: Energieexporte
Weil die EU und die USA weiter Energie aus Russland kaufen (müssen), werden Euros und US-Dollars an die Banken russischer Exporteure überwiesen. Weil Russland mehr Waren an das Ausland verkauft, als es aus dem Ausland einkauft, also einen Exportüberschuss erzielt, kann Russland neue Fremdwährungsguthaben aufbauen. Die Banken der russischen Exporteure bekommen mehr neue Euro- und Dollarguthaben bei der EZB und der FED als sie für den Import von Waren nach Russland abgeben müssen. Obwohl also die bestehenden Euro- und Dollarreserven der russischen Zentralbank eingefroren sind, besorgen die russischen Exporteure so neue Euro und Dollarreserven - und setzten diese jetzt strategisch ein. Denn seit neustem müssen sie 80 Prozent der Deviseneinnahmen wieder am Devisenmarkt gegen Rubel verkaufen. Mit einfacher Angebot-Nachfrage-Logik erkennt man schnell die Wirkung. Mehr Nachfrage nach Rubel und mehr Angebot an Fremdwährung stabilisieren den Rubelkurs und schwächen die Sanktionen.
Der Leiter der Investmentabteilung von Locko Invest, Dmitry Polevoy, schätzt, dass die russischen Exporteure den Rubel so in den nächsten Wochen jeden Tag mit Fremdwährungsdevisen in einer Größenordnung von 1,5 Milliarden US-Dollar stützen könnte. Zum Vergleich: Am Donnerstag bevor die russische Zentralbank sanktioniert wurde, setzte sie Devisen in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar ein, um den Rubel am Devisenmarkt zu stabilisieren - also 50 Prozent weniger. Für die nächste Zeit kann sich der Schachzug der russischen Zentralbank deshalb als geeigneter Konter erweisen.
Allerdings bleibt Russland jetzt gezwungen, weiter Öl, Gas und Kohle zu liefern. Das stärkt die Verhandlungsmacht der EU und der USA gegen ein mögliches Drosseln der Liefermengen und einer Drohung mit Mondpreisen. Am Ende des Tages bleibt aber die westliche Abhängigkeit russischer Energie das größte Ass von Putin und das größte Risiko für den Westen. Statt 100 Milliarden für die marode Bundeswehr anzukündigen, wären 100 Milliarden für den Ausbau von Solar- und Windenergie wohl angebrachter.
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Hervorragender Beitrag! Die Russen haben im Gegensatz zu unseren Politkern das Geldsystem verstanden. Statt des 80% Umtauschs der Fremdwährung in Rubel würde ich an Putins Stelle meine Energie nur noch gegen Rubel verkaufen. Dann wären alle Guthaben-Sperrungen praktisch unwirksam. Wieso erkennen unsere Politiker nicht die einzig sinnvolle Massnahme, nämlich deinen Vorschlag für die 100 Milliarden: Ausbau der Solar- und Windenergie!