Der 7-Milliarden-Hammer: Björn Höcke gefällt das.
Warum die Steuererhöhung auf Gas und Fernwärme falsch ist, der AfD in die Karten spielt und dem Klimaschutz sogar schadet.
Eigentlich wollte die FDP keine Steuern erhöhen. Und eigentlich wollte die SPD soziale Politik machen. Was vor zwei Jahren auf Wahlplakate gekleistert wurde, interessiert heute nicht mehr – offensichtlich. Heute Vormittag hat die Ampel nämlich im Kabinett beschlossen, die Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme zum Jahreswechsel wieder von sieben auf 19 Prozent steigen zu lassen. Mitten in der Heizsaison. Ein desaströser Fehler!
Gas ist noch immer zu teuer – für Verbraucher
Gesenkt wurde die Mehrwertsteuer damals im Oktober 2022 als Teil des dritten Entlastungspaketes, um schnell Abhilfe gegen die Preisexplosion zu schaffen. Zur Erinnerung: Das war ein Monat, nachdem Putin die Gasleitung Nordstream 1 zugedreht hatte. Der Gaspreis schnellte seinerzeit an der Börse auf Rekordhöhe, Neukunden mussten beim Verbraucher Verträge zu Mondpreisen von fast 30 Cent die Kilowattstunde abschließen.
Geplant war, dass die Senkung bis zum 31. März 2024 gilt. So lange wie auch die Gaspreisbremse greift, die allerdings erst ein halbes Jahr nach der Steuersenkung in Kraft getreten war. Der Plan ist jetzt verworfen. Warum? Die Senkung sei immer nur als kurzfristige Entlastung geplant gewesen, so das Finanzministerium. Und zuletzt seien die Preise eben schneller gesunken als gedacht. Die Steuersenkung sei nicht mehr nötig.
»Der ohnehin lahmenden Konjunktur erweist die Ampel damit einen Bärendienst. Und armutsbetroffenen Menschen sowieso.«
Die Argumentation führt aber in die Irre. Es stimmt zwar, dass Verbraucher für neue Verträge nicht mehr wie vor einem Jahr 20 oder 30 Cent pro Kilowattstunde zahlen, sondern nur neun Cent. Aber erstens sind das immer noch 50 Prozent mehr als vor der Krise (damals lag der Preis bei sechs Cent). Und zweitens sind nicht alle Verbraucher Neukunden, logischerweise. Altkunden, die ihre Verträge in der Vergangenheit geschlossen haben, zahlen aber noch deutlich höhere Preise.
Laut Statistischem Bundesamt lag der Durchschnittspreis je Kilowattstunde für Privatkunden bei 12,26 Cent, also sogar über der Preisbremse. Und damit doppelt so hoch wie 2021, sprich: so hoch wie vor der Krise. Wie kann der Preis über der Bremse liegen, mag sich manch einer jetzt fragen. Nun, die Preisbremse greift ja auch nur für 80 Prozent des Verbrauches, ist also keine fixe Preisobergrenze.
Der eigentliche Grund für die vorzeitige Anhebung der Steuer wird ein anderer sein. Die Ampel braucht Geld, um die Schuldenbremse einzuhalten. Und weil sie es weder den Reichen noch den Gutverdienern nehmen will, bietet sich die gesenkte Mehrwertsteuer beim Gas an. Zynisch? Ja.
Jahreswirkung: Sieben Milliarden Steuererhöhung
Verfolgt man die Berichterstattung, liest man, die Ampel rechne mit rund 2,1 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Das stimmt zwar haushalterisch, weil im Haushalt ja ohnehin geplant war, die Steuer im April wieder anzuheben. Aber das kaschiert die Wirkung auf die Verbraucher. Die ist nämlich deutlich dramatischer.
Dieses Jahr haben Verbraucher durch die Senkung rund sieben Milliarden Euro an Steuern gespart. Wird die Steuer zum Jahreswechsel angehoben, müssen die Verbraucher diese sieben Milliarden wieder oben drauf zahlen. Weil die sieben Milliarden den Menschen dann im Geldbeutel fehlen, können sie auch nicht beim Friseur oder bei Bäcker Lutze ausgegeben werden. Der ohnehin lahmenden Konjunktur erweist die Ampel damit einen Bärendienst. Und armutsbetroffenen Menschen sowieso.
Insgesamt sind fast 30 Millionen Haushalte in Deutschland von der Steuererhöhung betroffen. Vor allem Fernwärme ist in Städten sehr verbreitet, wo die Mieten ohnehin schon hoch sind; und im Osten, wo die Einkommen ohnehin eher klein sind, der Wählerfrust dafür aber umso größer.
»Wer solche Steuererhöhungen mitten in einer Inflation und Wirtschaftskrise durchzieht, treibt der AfD Protestwähler in die Arme.«
Übrigens: Genau der Christian Lindner, der ständig warnt, höhere Staatsausgaben trieben die Inflation in die Höhe, sorgt jetzt mit dieser Steuererhöhung dafür, dass die Statistiker bei der Inflationsrate zwölf Prozentpunkte für Gas- und Fernwärmepreise addieren können. Mit anderen Worten: Die Steuererhöhung ist ein staatlicher Preistreiber par excellence.
Einwand: Fossile Subventionen gehören beendet
Grüne und Klimaaktivisten verteidigen die Steuererhöhung in sozialen Netzwerken. Schließlich gehörten »fossile Subventionen wie diese« ohnehin verboten. Und außerdem sei das formal ja keine Steuererhöhung, sondern nur das Ende einer temporären Steuersenkung. Beide Positionen sind ein strategisches Eigentor – und schaden am Ende dem Klimaschutz.
Erstens: Den Menschen mit wenig Geld ist es völlig egal, ob das eine Steuererhöhung oder die Rücknahme einer Steuersenkung ist. Was zählt, ist die Wirkung auf den Geldbeutel. Und wenn der neue Steuersatz 19 statt sieben Prozent lautet, dann heißt das: ein fettes Minus für den Geldbeutel. Ein solches Klugscheißer-Framing ist ein politischer Irrweg – immer und generell, aber erst recht in diesem Fall und nach zwei Jahren, in denen die Inflation den Geldbeutel angefressen hat und die Reallöhne gesunken sind.
Zweitens: Fossile Subventionen haben dann eine Wirkung, wenn sie Verhalten beeinflussen. Das ist hier aber kaum der Fall. Wer zur Miete wohnt, kann die Heizungsart ja nicht wechseln. Es bleibt nicht anderes über, als die nächste Preiserhöhung über sich ergehen zu lassen. Das erzeugt Frust. Zurecht. Frust lenkt aber nicht im Sinne des Klimaschutzes, sondern zu seinen Lasten. Wenn die Steuererhöhung also etwas lenkt, dann Protest- und Nichtwähler zur AfD. Genau das schadet aber dem Klimaschutz, weil er an Akzeptanz verliert. Und weil Klimaschutz einem politischen Rechtsruck zum Opfer fällt.
Zur Vollständigkeit: Natürlich sind nicht alle nur Mieter. Für Eigentümer und Vermieter aber gibt es schon das Heizungsgesetz und den steigenden Co2-Preis als Lenkungsinstrumente. Für die braucht es keine Mehrwertsteuererhöhung.
Tankrabatt 2.0
Im Grunde wird hier die Debatte vom Tankrabatt aus dem Sommer 2022 wieder aufgewärmt. Auch damals waren ambitionierte Klimaschützer und Linksliberale empört über den Tankrabatt als fossile Subvention. Bei all der Empörung übersehen diejenigen aber leider die Zwänge und Nöte der breiten Mehrheit. So wenig wie ein Mieter heute seine Gasheizung wechseln kann, so wenig konnte damals die Kassiererin im Alltag auf ihre Dieselmöhre verzichten. Verarmung statt Lenkungswirkung, so das Ergebnis.
Auch übersehen sie, dass ihre Forderungen eigentlich längst überfüllt sind. So wie Sprit damals de facto teurer war, als er selbst mit dem im Wahlkampf 2021 geforderten Co2-Preis von Fridays4Future teuer gewesen wäre; so ist auch Gas heute trotz gesenkter Mehrwertsteuer doppelt so teuer wie 2021. Steuersenkungen und Subventionen hin oder her. Statt die Preise immer weiter blind hochjazzen zu wollen, sollten sich diejenigen eher fragen, ob solche Preisschocks dem Klimaschutz überhaupt dienen. Ich habe daran Zweifel.
Björn Höcke gefällt das
Noch eine Erinnerung: Nächstes Jahr wird in drei Ost-Bundesländern gewählt. In Thüringen, Brandenburg und Sachsen. Die AfD kommt in Umfragen im Schnitt auf mehr als 30 Prozent. Wer solche Steuererhöhungen mitten in einer Inflation und Wirtschaftskrise durchzieht, treibt der AfD Protestwähler in die Arme. Ebenso wie jene, die die Steuererhöhungen zum Klimaschutz verklären. Björn Höcke gefällt das. Uns sollte das besorgen.