Steuern runter für Unternehmen? Das spricht dagegen!
Selbst Robert Habeck will die Steuern für Unternehmen senken, damit die mehr investieren. Diese drei Gründe sprechen aber dagegen.
Robert Habeck ist verzweifelt. Weil die Wirtschaft kriselt, aber Scholz und Lindner kein Geld ausgeben wollen, um sie anzuschieben. Nur 0,2 Prozent Wachstum erwartet die Regierung für 2024. Als Lindner zuletzt zugab, dass ihm das „peinlich“ sei, versuchte Habeck seinen Fuß in eine Tür zu stellen, die sich einen spaltweit öffnete. Die Tür zu Steuersenkungen für Unternehmen.
Im Bundestag brachte Habeck die Idee auf, ein Sondervermögen für die steuerliche Entlastung von Unternehmen zu fordern. In den Tagen darauf wiederholte er die Forderung im Interview mit der WELT und in der ARD-Talkshow Caren Miosga. „Auch ich sehe, dass wir in der Summe eine Unternehmensbesteuerung haben, die international nicht mehr wettbewerbsfähig und investitionsfreundlich genug ist“, so Habeck. Bei den Lobbyverbänden der Arbeitgeber dürfte man sich die Augen gerieben haben. Habeck will Steuern für Unternehmen senken?
Ich erkläre mir das so: Weil er Scholz und Lindner mit neuen Schulden für den Klima- und Transformationsfonds gar nicht erst zu kommen braucht, geschweige denn für ein klassisches Konjunkturprogramm, schlägt er sich aus Verzweiflung auf die Seite der FDP. Deren Herzen lassen sich bei dem Thema Steuersenkungen schließlich schnell erwärmen. Habecks Devise: Besser Impulse, die auch Christian Lindner gut findet, als gar keine Impulse. Aber: Geht die Rechnung hinter dieser Verzweiflungstat auf? Diese drei Gründe sprechen dagegen.
Unternehmen horten Geld auf der hohen Kante
Niedrige Unternehmenssteuern sorgen dafür, dass vom Gewinn weniger an den Staat geht – und mehr bei den Unternehmen verbleibt. Aber ist das wirklich nötig? Eine neue Studie von Freshfields zeigt: Deutsche Firmen horten derzeit 769 Milliarden Euro auf der hohen Kante. Das entspricht 19 Prozent der Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: 2003 waren es noch zehn Prozent, 2010 circa 15 Prozent. Während Corona ging es zwischenzeitlich sogar auf ein Rekordstand von 20,7 Prozent. Nur ein Bruchteil der Milliarden wird in bar gehalten, rund 530 Milliarden liegen auf Girokonten, weitere 230 Milliarden auf Tages- oder Festgeldkonten. Offensichtlich fehlt es den Unternehmen nicht an Geld, um zu investieren.
Daten von der Bundesbank zeigen zudem: Im Schnitt über alle Unternehmen hat sich die Eigenkapitalquote in den letzten 15 Jahren ebenso verbessert wie deren operatives Ergebnis. Selbst nach vier Jahren Krise attestiert die Bundesbank den deutschen Unternehmen „gute Profitabilität und solide Kapitalausstattung“.
Klar, die Zinsen sind für Kredite sind gestiegen und verteuern Investitionen, die mit geliehenem Geld finanziert werden. Gleichzeitig haben die Unternehmen aber auch höhere Preise durchsetzen können und so die höheren Kosten für Zinsen (und ganz generell für teurere Einkäufe) kompensiert. Die Bundesbank schreibt dazu: „Insgesamt ist der deutsche Unternehmenssektor als Ganzes hinsichtlich Rentabilität, Liquidität und Stabilität gut aufgestellt, um den Herausforderungen der Zinswende zu begegnen“.
Natürlich schwächeln einige Bereich der Wirtschaft besonders stark. Der Bau oder die energieintensive Industrie zum Beispiel. Deren Probleme sind aber mit allgemeinen Steuersenkungen nicht zu lösen. Einzelfälle rechtfertigen keine pauschale Steuersenkung für alle.
Mitte März erscheint das neue Jacobin-Magazin. Pünktlich zur EU-Wahl geht es um die Krise der EU, ihren Rechtsruck – und wie sie sich reformieren ließe. Auch ich habe einen Artikel beigesteuert und zwar über die Glaskugel von Gregor Gysi. Er hat schon 1998 die Krisen und den Rechtsruck kommen sehen, die der Euro begünstigt. Bis zum 10. März gibt es das Magazin im Probeabo für nur 1 Euro. Hier geht’s zur Bestellung.
Niedrigere Steuern befeuern keine Investitionen
In Deutschland setzt sich die Unternehmensbesteuerung (für Kapitalgesellschaften) aus zwei Komponenten zusammen. Zum einen aus der Gewerbesteuer, die von den Kommunen erhoben wird und durchschnittlich bei rund 14 Prozent liegt (aber auch höher oder niedriger sein kann, je nach lokalem Hebesatz der Kommunen). Zum anderen die Körperschaftsteuer, die der Bund festlegt.
Die letzte große Unternehmenssteuersenkung ist in Deutschland lange her. 2001 senkte die rot-grüne Bundesregierung den Körperschaftsteuersatz auf einheitlich 25 Prozent. Außerdem wurden Gewinne aus dem Verkauf von Unternehmensbeteiligungen steuerfrei gestellt (ein großes Privileg, das so weitgehend bis heute besteht). Nur sieben Jahre später, 2008, senkte die damalige Große Koalition den Körperschaftsteuersatz von 25 auf 15 Prozent. Minus zehn Prozentpunkte bei der Steuer, davon würden die Wirtschaftsverbände heute nur träumen!
Der Effekt? Statistisch kaum zu erkennen. Nach der Reform 2001 sanken die Investitionen sogar. Und nach 2008 ging es nur seitwärts, wie die Grafik zeigt. Das heißt: Innerhalb von zehn Jahren sank der nominale Steuersatz für Unternehmensgewinne von über 50 auf knapp unter 30 Prozent, ohne einen Investitionsboom auszulösen. Ups!
Wo das ganze Geld landete? Es wurde ausgeschüttet an die Eigentümer, bei börsennotierten Unternehmen als Dividende, oder zum Rückkauf von Aktien genutzt – oder eben auf die hohe Kante gelegt.
Dass die Senkung von Unternehmenssteuern nur koffeinfreier Kaffee für die müde Wirtschaft sind, zeigt auch die Simulation vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) für das Wachstumschancengesetz, Christian Lindners Lieblingsgesetz. Damit werden zwar nicht die Steuersätze gesenkt, de facto müssen Unternehmen aber weniger Steuern zahlen, weil sie ihre Gewinne mit Verlustverrechnungen und Abschreibungen kleinrechnen dürfen. 32 Milliarden Euro Steuersenkungen lösen nach der Stimulation des IWs aber nur 11 Milliarden Euro an privaten Investitionen aus und bringen 2028 eine um zwei Milliarden Euro erhöhte Wirtschaftsleistung – also so gut wie nichts. In Wirtschaftsleistung ausgedrückt wäre das ein Plus von 0,05 Prozent. Wie gesagt: so gut wie nichts.
Was das IW dabei nicht berücksichtigt hat, sind die negativen Effekte durch Kürzungen oder Belastungen an anderer Stelle. Da die Ampel sich ja an die Schuldenbremse hält, führt jede Milliarde, die man von Unternehmen weniger bekommt, zu Druck an anderer Stelle. Allein in diesem Haushalt steigen die Mehrwertsteuern auf Gas, Fernwärme und Speisen in der Gastro, die LKW-Maut, der CO2-Preis, die Sozialbeiträge, die Flugticketsteuer und es wird sogar eine neue Plastikabgabe eingeführt. All das drosselt die Nachfrage mitten in der Krise und kostet die Unternehmen Umsätze und Aufträge. Aus dem kleinen Plus würde so ein dickes Minus für die Wirtschaft!
Erst Wachstum, dann Investitionen
Was all jene übersehen, die die Unternehmen mit Steuersenkungen zur Tränke locken wollen: Unternehmen hassen es, in eine Wirtschaftskrise hinein zu investieren. Das gilt erst recht, wenn nicht nur die Nachfrage lahmt, sondern auch die Preise schwanken – Stichwort: Preisschock. Wie soll sicher kalkuliert werden, ob und wann sich eine Investition rechnet, wenn man nicht weiß, wie teuer Energie die nächsten Jahre sein wird, wie sich der Zins verändert, wann die Verbraucher wieder mehr Geld ausgeben?
In Krisen halten Unternehmen das Geld eher zusammen. Weder Steuer- noch Zinssenkungen können daran etwas ändern. Wer einen privaten Investitionsboom will, muss erst die Nachfrage ankurbeln, für volle Auftragsbücher sorgen – und Planungssicherheit schaffen. Nicht andersherum. Wenn dann das Feuer einmal lodert, kann man mit gezielten Subventionen und Investitionsprämien Öl hineingießen – und Investitionen lenken. Höhere Belastungen und völlige Ungewissheit darüber, wie teuer eine Tonne CO2 ab 2027 sein wird, sind aber das Gegenteil.
Der Ruf nach Steuersenkungen ist ein alter Hut der Lobbyverbände. Diese Grafik aus dem Economist sollte eigentlich Warnung genug sein, um dem nicht schon wieder zu erliegen. Seit Anbruch des Neoliberalismus in den 1980er-Jahren geht es mit den Steuersätzen im Wettlauf bergab. Statt Investitionen und Innovationen gibt es aber nur höhere Gewinne, mächtigere Konzerne und glücklichere Aktionäre.
Danke für den aufschlussreichen Text. Endlich Fakten statt Nebel-Diskussionen und Märchen.
Hi Maurice. Erstmal danke für den tollen Artikel. Ich hätte dennoch noch ein paar Fragen zum besseren Verständnis.
Du kritisierst die Unternehmenssteuersenkung als vergeblichen Versuch Privat-Investitionen/die Wirtschaft anzukurbeln, aber nicht generellen oder?
Ich frage weil du in deinem Buch „Mythos Geld Knappheit“ die Unternehmenssteuer als regressiv und mit hohen Opportunitätskosten verbunden kritisierst, und dir eine Abschaffung (0%) vorstellen könntest.
Könnte eine Reduzierung der Unternehmenssteuer (wenn auch aus den falschen Motiven) nicht helfen zumindest die regressive Wirkung zu schmälern?