Stürzt Jens Spahn!
Warum an einem Untersuchungsausschuss zur Maskenaffäre von Jens Spahn nichts vorbei führen darf
Politik ist wie Schach. Es braucht den richtigen Zug zur richtigen Zeit, um wichtige Figuren des Gegners vom Feld zu nehmen. Rechte sind darin sehr gut, Linke leider nicht. Dabei wäre gerade so ein richtiger Zeitpunkt, um eine gefährliche Figur der Union vom Feld zu nehmen. Und zwar: Jens Spahn. Mit einem Untersuchungsausschuss zu seinen Maskendeals.
Warum ist Spahn gefährlich? Er ist machthungrig, intrigant, skrupellos, will die Union nach rechts rücken und sitzt auf dem Sprungbrett zur CDU-Kanzlerkandidatur. Und wenn man einem in der Union zutrauen würde, 2029 auch mit der AfD zu koalieren, um selbst an die Macht zu kommen, dann: ihm. Heißt: Wer den Rechtsruck stoppen will, muss an Spahn vorbei – und das besser heute als morgen!
Spahn wählt die Opferrolle
Wenn die Union Figuren vom Feld räumen kann, hat sie noch nie gezögert. Zur Erinnerung: Die Union wollte einen Cum-Ex-Untersuchungsausschuss auf den Weg bringen, der Olaf Scholz vor dem Wahlkampf belastet. Die Union hat einen Untersuchungsausschuss zum endgültigen Atomausstieg durchgesetzt, um Robert Habeck und Steffi Lemke zu Fall zu bringen. Die Union hat Habecks Vertrauten Patrick Graichen gestürzt und die Heizhammer-Kampagne inszeniert. Und immer vorne mit dabei: Jens Spahn.
Der Spahn, der heute die Kritik der Linken und Grünen zum neuen 170 Seiten langen Sudhoff-Bericht über die Fehler bei der Maskenbeschaffung als „ehrabschneidend“ und „Geraune“ abtut, für die es keine „Belege“ gebe. Und etwaige Fehler pauschal damit rechtfertigt, dass die Krise eben schnelle und unkonventionelle Entscheidungen erfordert hat. „Wir haben in der Not bestmöglich versucht, Not zu lindern und man muss unterm Strich eines sagen: Es ist gelungen“, resümierte Spahn vor kurzem in einem Instagram-Livestream.
Dazu noch eine Erinnerung: Vor einem Jahr war es Spahn, der einen Skandal aus dem Atomausstieg inszenierte und Habeck vorwarf, Akten manipuliert und eine ideologische Entscheidung gegen den Rat seiner Fachleute getroffen zu haben. Wenn dem nicht so sei, könne die Regierung ja einfach alles offenlegen, so sein Geraune damals. Ergebnis: Der Untersuchungsausschuss konnte die Vorwürfe gegen Habeck und Lemke nicht erhärten.
SPD, Grüne und Linke müssen sich fragen, ob sie riskieren wollen, irgendwann auf diesen Moment zurückzublicken und sich einzugestehen, ein Schachmatt gegen Spahn verpasst zu haben – aus Prinzip oder aus machttaktischer Loyalität.
Die Liste der Vorwürfe ist lang
Zurück zur Maskenbeschaffung. Die Fakten sehen anders aus, als Spahn sie darstellt. Die Liste der Vorwürfe und Versäumnisse ist lang. Sowohl der Bundesrechnungshof als auch der Sudhoff-Bericht attestieren Spahn eine massive Überschaffung, die Verschwendung von Milliarden, chaotische Verfahren, Interessenskonflikte, Alleingänge und fehlende bürokratische Transparenz.
In aller Kürze: Zweidrittel aller sechs Milliarden beschafften Masken wurden oder werden vernichtet. Über 100 Lieferanten klagen auf 2,3 Milliarden Euro Schadensersatz vom Bund, weil sie im Open-House-Verfahren den Zuschlag erhalten haben, aber der Bund sich aus den Verträgen gemogelt hat, um die bestellten Masken nicht abnehmen und bezahlen zu müssen. Die Logistik für die ganzen Masken hat Spahn an einen viel zu kleinen Logistiker (Fiege) aus seinem Nachbarwahlkreis gegeben – wohlgemerkt: ohne Ausschreibung –, die damit völlig überfordert waren und Material falsch gelagert und zu spät geliefert haben sollen, wie der Sudhoff-Bericht feststellt. Und das obwohl, der Krisenstab und das eigentlich für Logistik zuständige Innenministerium davor gewarnt und die Branchenriesen DHL und DB Schenker empfohlen haben. Und obwohl Fiege-Gesellschafter im Präsidium des CDU-Wirtschaftsrats sitzen, es also einen offensichtlichen Interessenkonflikt gibt.
Außerdem hat Spahn Masken zu Wucherpreisen bei den Schweizer Jungmillionären von Emix bestellt, nachdem er im Open-House-Verfahren längst mit Masken zugeschüttet wurde und ohne Ausschreibung die Unternehmensberater von EY ins Haus geholt hat, um das offensichtliche Chaos zu beseitigen. Vermittelt wurde der Emix-Deal von Andrea Tandler aus dem CSU-Netzwerk. Sie hat 30 bis 50 Millionen Euro an Provision kassiert, wurde aber längst zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie die Wucherprovisionen nicht richtig versteuert – und sogar noch Corona-Hilfen mit der eigens für die Provisionen gegründeten Agentur („Little Penguin“) abgegriffen hat. Dann sind da noch die Unions-Abgeordneten Löbel, Hauptmann, Korte, Nüßlein und Irmer, die ebenfalls mit Provisionen horrende Summen an der Maskenbeschaffung verdienten. Und der Ehemann von Spahn, Daniel Funke, der Büroleiter bei der Burda GmbH in Berlin war, von der Spahn eine halbe Million Masken bestellte.
Vieles davon hat Spahn in Eigenregie eingefädelt, gegen den Rat seiner Fachleute, oft sogar per Kommunikation über WhatsApp oder seinen Bundestagsmailaccount – also am Ministerium vorbei, das all die Kommunikation veraktet hätte. Die Interessenkonflikte und die Fragen nach persönlicher Vorteilsnahme von Spahn oder seinem Netzwerk drängen sich geradezu auf!
Wie Spahn von der AfD-Brandmauer profitiert
Zweifelsohne: Allein diese Kurzfassung bietet genug Stoff für einen Untersuchungsausschuss. Zumal es um mehrere Milliarden Euro geht. Dagegen war der Mautskandal von Scheuer in der Dimension ein Kindergeburtstag.
Und tatsächlich sind sowohl die Grünen als auch die Linken für einen Untersuchungsausschuss. Doch es gibt einen Haken: Sie haben nicht genug Stimmen. Um einen U-Ausschuss einzusetzen, braucht es die Stimmen von einem Viertel der Abgeordneten, sprich: 158 Stimmen. Grüne und Linke kommen aber nur auf 149. Fehlen also neun. Die würde man zwar sicher von AfD-Abgeordneten bekommen, das allerdings schließen die Grünen bisher aus Prinzip aus.
Bittere Erkenntnis: Ohne die Stimmen der AfD und der Regierung gibt es im Bundestag keine Chance auf einen Untersuchungsausschuss. Das schärfste Kontrollinstrument des Bundestags ist damit de facto lahmgelegt. Und ausgerechnet Spahn, der sich kürzlich für eine Normalisierung beim Umgang mit der AfD im Bundestag aussprach, könnte vom Fortbestand der Brandmauer persönlich profitieren.
Und die SPD deckt Spahn?
Einzige Alternative: Neun Stimmen aus den Reihen der SPD finden. Von Abgeordneten, die ihrem Gewissen folgen und nicht der Regierungs- oder Fraktionsdisziplin. Dass Kanzler Merz in dem Fall die Regierung aufkündigen würde, ist unwahrscheinlich. Erstens, weil die Union nach einem solchen Manöver selbst die meisten Stimmen verlieren würde. Zweitens, weil Merz seine Kanzlerschaft nicht aufgeben will. Und dritten, weil Spahn in der Vergangenheit schon Merz‘ Kontrahent war und er ihn sicher nicht aus Überzeugung zum Fraktionschef befördert hat. Merz, Söder und auch Wüst könnten sicher damit leben, wenn Spahn in einem Untersuchungsausschuss an seinen Maskendeals scheitert. Und auch die SPD-Spitze dürfte ein Interesse daran haben, Spahn als Fraktionschef loszuwerden. Immerhin ließen sich für die SPD eigene Schwerpunkte aus dem Koalitionsvertrag leichter umsetzen, wenn das Gegenüber nicht Spahn ist.
Gestern hat sich dann auch erstmals der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Christos Pantazis, lautstark in die Debatte eingemischt. Er fordert eine komplette Veröffentlichung des Sudhoff-Berichts, nicht nur Auszüge für den Haushaltsausschuss. Statt eines Untersuchungsausschusses aber nimmt er Spahn indirekt in Schutz: „Die Aufarbeitung der Pandemie darf nicht zur parteipolitischen Abrechnung verkommen.“ Deshalb unterstütze er – wie übrigens Spahn selbst auch – die Einsetzung einer Enquete-Kommission zur Corona-Pandemie, wie von Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart.
Der Unterschied zwischen einer solchen Enquete-Kommission und einem Untersuchungsausschuss könnte aber nicht größer sein. Die Enquete-Kommission ist in die Zukunft gerichtet, soll Politik beraten und unter Einbeziehung von Wissenschaftlern Empfehlungen erarbeiten – unverbindlich wohlgemerkt. Etwa, wie zukünftig der Katastrophenschutz und die Reserven für Pandemien verbessert werden können. Mit einer Aufklärung anrüchiger Maskendeals und möglicher Korruption hat das nichts zu tun. Das kann nur der Untersuchungsausschuss. Denn nur der kann Zeugen laden, Akten beschaffen und hat das Recht auf parlamentarische Kontrolle. Das weiß auch der gesundheitspolitische Sprecher der SPD. Dass Pantazis trotzdem nur auf die Enquete-Kommission verweist, ist also ein manipulatives Ablenkungsmanöver – zum Schutz von Spahn.
Offensichtlich gäbe es keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, um Spahn vom Feld zu räumen. SPD, Grüne und Linke müssen sich fragen, ob sie riskieren wollen, irgendwann auf diesen Moment zurückzublicken und sich einzugestehen, ein Schachmatt gegen Spahn verpasst zu haben – aus Prinzip oder aus machttaktischer Loyalität.
Unter Spahn wäre eine AFD-CDU/CSU-Regierung im Gegensatz zu Merz möglich - allein schon deshalb gehört er abgesägt!
Was könnte ich, was könnte jeder Mensch jetzt tun, als Unterstützung, dass ein Untersuchungsausschuss stattfindet?
Konnte ich hier nicht finden.