Telekom-Verkauf: Privatisierung für Dumme
Die Ampel verkauft Aktien, um Geld in die Bahn zu stecken. Was wirklich dahinter steckt und warum das ein unnötiges Minusgeschäft ist
An einem Montagabend vor drei Wochen war es vollbracht. Finanzminister Christian Lindner konnte einen Teil seiner Haushaltspläne abhaken. Staatsbeteiligungen im Wert von vier Milliarden Euro verkaufen: Check. Gebleachtes Zahnpasta-Lächeln im Chefbüro des Ministers!
Rund 110 Millionen Telekom-Aktien aus Staatsbesitz hat Lindner für 2,43 Milliarden Euro verkauft. Oder besser gesagt: Verkaufen lassen. Umgesetzt hat das nämlich das Banken-Trio aus der Deutschen Bank, J.P. Morgan und Morgan Stanley (und damit selbst kräftig Provision verdient; wie viel, ist geheim).
Erst im Februar hatte Lindner Post-Aktien für 2,17 Milliarden Euro verscherbelt und damit den Staatsanteil von 20 auf 16 Prozent reduziert.
Das steckt dahinter
Hintergrund beider Verkäufe ist ein krummer Ampel-Deal nach dem 60-Milliarden-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF). Im KTF waren nämlich 12,5 Milliarden an Zuschüssen für die Bahn eingeplant, damit die ihre maroden Schienen saniert. Nach dem Urteil fehlten bekanntlich 60 Milliarden, ein Nackenschlag für die ganze Ampel, deren Koalitionseinigung ohne diesen Fonds seinerzeit undenkbar gewesen wäre.
Um die Milliarden aus dem KTF zu retten, brauchte es ein paar kreative Lösungen. Eine davon geht so: Der Bund gibt der Bahn die Milliarden nicht als Zuschüsse aus dem KTF, sondern als Eigenkapital aus dem Haushalt. Weil solche Staatsbeteiligungen als finanzielle Transaktion von der Schuldenbremse ausgeklammert sind, musste dafür nirgends gekürzt werden. Ein Glück für die Grünen, deren Imageprojekt „Bahnsanierung“ gerettet war.
Das wollte sich Lindner aber natürlich etwas kosten lassen. Lindner denkt unternehmerisch. Er gibt in Verhandlungen nichts her, ohne selbst etwas zu für sich herauszuschlagen. Und was wäre so ein Prestigevorhaben, das Liberale abfeiern und Lindner als FDP-Parteichef im Wahlkampf hilft? Na klar, Privatisierungen. Deshalb lautet die Einigung: Die Eigenkapitalerhöhung bei der Bahn wird finanziert mit dem Verkauf von anderen Staatsbeteiligungen. Konkret: Telekom und Post gegen Bahn.
Angekündigt hatte Lindner das schon im Winter, als die Ampel über ihren Umgang mit dem Karlsruhe-Urteil beriet: „Wir gehen teilweise auch kreative Wege. Beispielsweise wollen wir Privatisierungserlöse von nicht benötigten Bundesbeteiligungen teilweise dafür nutzen, um die Bahn zu stärken.“
Immerhin: Der Staatsanteil an der Telekom ist durch den Verkauf zwar von 30 auf etwas unter 28 Prozent gesunken, unter 25 Prozent soll der Staatsanteil aber auch in Zukunft nicht fallen, um nicht die Sperrminorität zu verlieren. Die Telekom ist schließlich Marktführer in Sachen Breitbandanschlüsse und Mobilfunknetz, also wesentlicher Teil kritischer Infrastruktur.
Unnötiges Minusgeschäft
So nötig mehr Mittel für die Bahn sind, so unnötig war dafür der Verkauf von Telekom und Post. Denn auch Verkäufe von Beteiligungen sind von der Schuldenbremse ausgeklammert. Der Bahn das Eigenkapital zu erhöhen, kostet also keinen Spielraum unter der Schuldenbremse; Staatsanteile zu verkaufen, bringt aber auch keinen.
Worüber die wenigsten berichtet haben: Der Deal ist ein Minusgeschäft für den Bund. Und das gleich im zweifachen Sinne, erklärt am Fall Telekom.
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