»Wir müssen zurück zu Margaret Thatcher«
Liz Truss macht Großbritannien erneut zum neoliberalen Versuchslabor. Der Ökonom hinter ihren Steuersenkungen nimmt kein Blatt vor den Mund.
Erst eine tollpatschige Kopie von Trump, jetzt eine junge Kopie von Margaret Thatcher — in Großbritannien regiert das Chaos. Liz Truss folgte Boris Johnson nach seinem Rücktritt als Premierminister des Vereinigten Königreichs. Sie selbst sieht sich in Tradition von Margaret Thatcher, die Großbritannien in ihrer elfjährigen Amtszeit zum neoliberalen Musterschüler machte. Ihr Motto: Steuern für Reiche senken, Staatshaushalt auf das Nötigste zusammenstreichen, Staatsfirmen- und Infrastruktur privatisieren, Spielregeln für die Wirtschaft streichen. Trickle-Down-Economics nennt man den Part mit den Steuersenkungen auch. Wenn die Reichsten nur prächtig verdienen, werden sie das viele Geld wieder investieren und dann geht es am Ende allen besser, so die alte Idee.
Auf dieses eigentlich längst totgerittene Pferd will Truss setzen. Ihr Finanzminister Kwasi Kwarteng verkündete zuletzt ein 230-Milliarden-schweres Paket. Unter Johnson beschlossene Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge werden gestoppt. Ebenso sollen Erhöhungen bei der Körperschaftsteuer und Alkoholsteuer rückgängig gemacht werden. Im Gegenzug gibt es Steuersenkungen auf breiter Front. Der Basissatz der Steuer für Einkommen bis etwa 50.000 Pfund pro Jahr sinkt von 20 auf 19 Prozent. Der Grundfreibetrag liegt steigt von 11.000 auf 12.000 Pfund pro Jahr. Darunter fällt keine Einkommensteuer an. Das größte Geschenk geht aber an die Topverdiener. Der Spitzensatz der Einkommensteuer für Topverdiener ab 150.000 Pfund pro Jahr sinkt von 45 auf 40 Prozent. Der Freibetrag für die Grunderwerbsteuer soll steigen. Maggie Thatcher wäre stolz!
In den 230 Milliarden ist aber auch ein Energiedeckel enthalten. Ein Durchschnittshaushalt soll damit rund 1.000 Pfund sparen, Unternehmen hingegen sollen die Strom- und Gasrechnungen sechs Monate lang zur Hälfte übernommen bekommen.
Der Ökonom hinter Truss
Das Mastermind hinter Truss ist Patrick Minford. Der 79-jährige bekennende Marktradikale lehrt seit 25 Jahren an der Cardiff Business School. In den Achtzigern galt er als einer der Lieblingsökonomen von Margaret Thatcher und beeinflusste entsprechend ihren Trickle-Down-Kurs. Minford war von der medialen Bildfläche verschwunden, veröffentlichte lange keine Papiere mehr, doch heute ist sein Name in aller Munde. Seine Botschaft: »Wir müssen zurück zu den Ursprüngen der konservativen Tradition, zu Margaret Thatcher«.
Anders als Politprofis nimmt er kein Blatt vor den Mund. Auch nicht, als der Wirtschaftsjournalist Mark Schieritz ihn neulich für die ZEIT interviewte. Das Interview wirkt abwechselnd wie Satire oder aus den Achtzigern. Minford fordert in aller Offenheit, die Unternehmen zu pampern. »Die Quelle des Wachstums sind Innovationen« und »Wenn man will, dass die Unternehmen innovativ sind, muss man sie Geld verdienen lassen«. In üblicher marktradikaler Manier kommen ihm Kullertränen, wenn Unternehmen besteuert werden.
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