Warum Kommunen Geld fehlt: das Grundproblem!
Das läuft bei den Kommunalfinanzen falsch. Außerdem: Ein Buchtipp.
Über die Schuldenbremse wird mehr gestritten als über die Kassenlage von Kommunen. Dabei sind klamme Kommunen gar der viel größere Hemmschuh für moderne Infrastruktur! Schließlich tätigen Kommunen rund 60 Prozent aller öffentlichen Bauinvestitionen. Ob Schulgebäude, Turnhallen, Kitas, Kanalsysteme, Straßen, Brücken, Feldwege, Stadtbäder: die Kommunen zahlen!
Bitter sind deshalb diese Zahlen: Seit 2003 sind die Nettoinvestitionen der Kommunen negativ (Pinke Säule in der Grafik). Heißt: Seit 2003 verliert die Infrastruktur in den Kommunen an Wert; die Abschreibungen sind größer als die neuen Investitionen.
Auf 150 Milliarden summiert sich der Investitionsstau allein in den Kommunen, so die Zahlen laut KFW-Kommunalpanel. Und das bezieht allein darauf, die aktuelle Infrastruktur zu erhalten, Zukunftsinvestitionen und Wünschenswertes sind noch nicht eingerechnet!
Buchtipp 📚
Gestern ist ein spannendes Buch im Westend-Verlag erschienen: STAAT MACHT GELD von Monika Stemmer. Die Rechtswissenschaftlerin legt ein neues MMT-Werk vor, das erklärt, wie Geld entsteht. „Wieso ist es meist knapp, aber in Krisen auf einmal schier unbegrenzt verfügbar?“, lautet die wichtige Eingangsfrage. Und was ließe sich nicht alles Gutes mit Geld anstellen, behandelten wir es nicht als knappe, begrenzte Ressource?
Altschulden und die Bayern-Blockade
Viele Kommunen sind überschuldet, müssen zum Teil schon ihre Personalausgaben aus teuren Kassenkrediten wuppen. Besonders betroffen sind jene Kommunen, die mit Strukturwandel zu kämpfen haben: etwa in NRW, im Saarland und in Brandenburg. Richtig und wichtig also, dass die Ampel sich vorgenommen hat, überschuldete Kommunen zu entschulden. Das steht sogar im Koalitionsvertrag.
Doch es gibt zwei Haken. Erstens: Der Prinz aus Bayern, Markus Söder, will nicht mitmachen. Weil die Länder für die Finanzierung der Kommunen verantwortlich sind, müsste neben Bundestag auch der Bundesrat zustimmen. Zudem sollen Bund und Länder sich die Entschuldung 50:50 teilen. Zweitens: Der Bundesfinanzminister, Christian Lindner, will als Gegenleistung für eine Entschuldung den Kommunen auch eine strenge Schuldenbremse verpassen.
Über dieses vergiftete Angebot und die Bayern-Blockade gäbe es viel zu schreiben; doch selbst das ginge am Kern des Problems vorbei. Ach, und zur Vollständigkeit: Eigentlich ist es unfair, die Blockade nur auf Markus Söder zu schieben. Auch Danyal Bayaz von den Grünen, seines Zeichens Finanzminister in Baden-Württemberg, ist dagegen. Weil Bayern und BaWü kaum klamme Kommunen haben, wollen sie kein Geld für andere Länder geben. Sprich: Sie sind dagegen, weil es nicht um sie geht. Wie so häufig im Föderalismus dominiert das „Ich, Ich, Ich“.
Der Kern des Problems
Über den Kern wird selten gesprochen, schon gar nicht in Talk-Shows. Stattdessen kratzt die Debatte lediglich die Symptome an der Oberfläche. Der Kern ist folgender: Die Einnahmen der Kommunen schwanken parallel mit der Konjunktur; die Ausgaben aber sind größtenteils unabhängig von ihr, ein Teil verhält sich sogar gegenläufig.
Der Großteil der Einnahmen geht auf Steuern zurück, am zweitwichtigsten sind Zuweisungen von Bund und Ländern. Die wichtigsten Steuern für die Kommunen sind die Einkommensteuer, die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer. Die Krux: Alle drei boomen, wenn die Konjunktur gut ist und die Wirtschaft läuft. Und alle drei fallen, wenn die Wirtschaft lahmt. Genau so geschehen während der Pandemie, als der Bund den Kommunen die ausfallenden Gewerbesteuereinnahmen erstattet hat.
Obendrauf kommt: ob die Wirtschaft gut oder schlecht läuft, kann die einzelne Kommune kaum beeinflussen. Dafür ist ihr eigenes Gewicht viel zu klein. Die Länder und der Bund haben mit ihrer Politik einen viel größeren Einfluss. Oder eben externe Schocks wie Krieg und Pandemie.
Besonders absurd: die Gewerbesteuerumlage. Die Kommunen geben 15 Prozent ihrer Gewerbesteuereinnahmen noch nach oben an den Bund ab.
Zu den Ausgaben der Kommunen wiederum zählen vor allem Personalkosten: Busfahrer, Erzieher, Pfleger, Müllwerker und Sachbearbeiter im Amt müssen arbeiten und bezahlt werden, unabhängig vom Zustand der Konjunktur. Ebenso sind Investitionen in Kitas, Straßen, Schulen, Bäder und Kanäle unabhängig davon, ob die Wirtschaft boomt oder kriselt. Oder die Kosten zur Unterbringung von Geflüchteten. Die großen Kostenblöcke haben gar nichts mit der Konjunktur zu tun, sind aber schwankenden Einnahmen ausgesetzt. Wer kommt auf eine solche Idee?
Noch schlimmer sind die Sozialausgaben. Die laufen nämlich gegenläufig zur Konjunktur. Wenn die Wirtschaft schlecht läuft, gibt es mehr Arbeitslose und entsprechend mehr Ansprüche auf Arbeitslosengeld, die Sozialausgaben steigen. Denn die Kommunen kommen für einen Teil der Unterkunftskosten auf. Immerhin: Seit Corona tragen Kommunen nur noch zu 25 Prozent der Kosten der Unterkunft, vorher war es noch die Hälfte.
Krise vorprogrammiert
Das Ergebnis: Kriselt die Wirtschaft, fallen die Einnahmen, während die Ausgaben steigen. Städte wie Duisburg und Gelsenkirchen, die vom Strukturwandel hart getroffen werden, landen so in einem Teufelskreislauf. Die steigenden Sozialausgaben für die vielen Arbeitslosen rauben die Spielräume für Personal und Investitionen. In der Folge verschlechtern sich Infrastruktur und öffentliche Daseinsvorsorge. Schulen und Straße werden marode, Kitaplätze fehlen, Jugendzentren und Bäder schließen. Die Städte, die Geld am meisten bräuchten, haben also am wenigsten davon - und rauben den Kindern, die in ihnen aufwachsen, die Chancen. Die Struktur der Kommunalfinanzen erzeugt soziale Brennpunkte.
Eine Entschuldung nähme kurz Last von den Schultern, löste aber das strukturelle Problem nicht. Dafür müssten die Kommunen von den erdrückenden Sozialausgaben befreit werden und statt der Steueranteile mehr Zuweisungen bekommen. Die Daumenregel: Je mehr Firmen und Einwohner pro Quadratkilometer in der Kommune, desto größer müssten die Zuweisungen sein. Nur permanente Zuweisungen passen schließlich zu den permanenten Ausgaben. Niemals aber schwankende Einnahmen, die größtenteils sogar außerhalb des Einflusses der Kommune liegen. Der Status quo ist ein Rezept für Desaster!
Es ist so ein Jammer. Komme selber aus dem Ruhrgebiet und habe erlebt, wie Duisburg, GE und Co ausbluten... und zwar bis zur Unkenntlichkeit der ehemaligen Zentren.
Lebe seit 14 Jahren in Taipei, Taiwan und kann hier erfahren was es bedeutet, Entwicklungen rund um die Einwohner:innen zu pushen. Wie machen wir die Stadt lebenswerter, damit die, die hier leben... gerne hier leben. Unternehmen gruenden, Steuerzahler:innen von Morgen grossziehen und generell mithelfen, eine lebenswerte Metropolregion zu schaffen.
Ich kann es mir nicht mehr anders vorstellen
Der Kern des Problems ist die FALSCHE Annahme, der Staat mit all seinen Gliedern (Bund, Länder und Kommunen und Sozialversicherung) ist auf Steuer-Einnahmen zur Bezahlung seiner Ausgaben angewiesen.
Das unser föderales System bei den Ländern und Kommunen dieses auch noch erzwingt, da diese Glieder von der staatlichen Fähigkeit der Geldschöpfung ausgenommen wurden, verschärft das Problem!
Bundesländer wie z.B. Niedersachsen haben trickreich eine „eigene Geschäftsbank (die N-Bank)“ gegründet und kann sich damit deren „Geldschöpfungs-Fähigkeit“ zu Nutze machen. Das ist zugegebenermaßen nicht dasselbe wie die Deutsche Bundesbank, ist aber eine Freiheit, die dieses Bundesland notfalls mit entsprechenden Krediten dieser „Geschäftsbank“ ausnutzen kann. Da auch ein Bundesland nicht „Pleite gehen kann“, sind diese Landeskredite in der Bilanz dieser Geschäftsbank immer als „sichere Kredite“ zu verbuchen!
Dass sich die Euro-Länder mit der EZB und deren „Unabhängigkeit“ praktisch selber in den Fuß geschossen haben, zeigen Entwicklungen wie Griechenland!
Eine Kommune mit oft ehrenamtlichen Bürgermeistern ist meistens sachlich nicht in der Lage, eine eigene „Geschäftsbank“ zu Gründen, um wie im Fall des Landes Niedersachsen diese „Geldschöpfungs-Fähigkeit“ ausgleichend für schwankenden Steuereinnahmen zu nutzen.
Die Einnahmen der Kommunen sollten also mindestens entsprechend ihrer Aufgabenstellung vom Land und/oder Bund verlässlich geregelt sein. Die künstlichen „Haushalts-Zwänge der Kommunen“ verstoßen eindeutig gegen unser Grundgesetz und gehören unverzüglich abgeschafft!