Strategie gescheitert
Die politische Linke verliert den nächsten Kampf gegen die Schuldenbremse. Die Strategie, auf Niedrigzinsen zu setzen, war falsch.
Von SPD bis LINKE ist man sich einig: Die Schuldenbremse ist nicht mehr zeitgemäß. Trotzdem kommt sie nächstes Jahr wieder. Und mit ihr die Debatte um schmerzhafte Kürzungen. Daran ist aber nicht nur Christian Lindner schuld. Sich an einem liberalen Finanzminister abzuarbeiten, fällt Linken natürlich leicht. Ihren eigenen Anteil am Scheitern zu hinterfragen hingegen nicht. Das wäre aber bitternötig. Denn auch 13 Jahre nach ihrer Einführung ist es für Lindner ein Kinderspiel, die Schuldenbremse im öffentlichen Diskurs als “Gebot ökonomischer Klugheit” zu verkaufen - und sie ab dem nächsten Januar wieder durchzusetzen.
Schuldenbremse angeschlagen…
Spätestens die Corona-Krise hat der Schuldenbremse ihre Grenzen aufgezeigt. Deshalb wurde sie ja ausgesetzt. Dieses Jahr kam noch der Krieg oben drauf. Um die Pandemie zu bewältigen, die Wirtschaft zu retten, der Ukraine zu helfen und die Verbraucher von massiven Preisanstiegen zu entlasten, musste die Schuldenbremse aus dem Weg geräumt werden. Auch der Zeitenwende von Olaf Scholz stand sie im Weg. Die 100 Bundeswehrmilliarden wären mit ihr schlicht nicht möglich gewesen. Deshalb wurde das Sondervermögen Bundeswehr mit viel Heckmeck und Betteln um 2/3-Mehrheit bei der Union in das Grundgesetz geschrieben. Der Trick: Im Grundgesetz kann man mit nur einem Satz festlegen, dass die Milliarden an der Schuldenbremse vorbeilaufen.
Nie stand die Glaubwürdigkeit der Schuldenbremse mehr infrage. Nie war klarer, dass ein deutscher Finanzminister kein Geldproblem hat, wenn er Geld ausgeben will. Dass Finanzierbarkeit von politischem Willen abhängt, ist eine wichtige Einsicht. Sie steht der neoliberalen Erzählung entgegen, wonach der Staat nur das Geld seiner Steuerzahler ausgeben könne, Geld grundsätzlich knapp sei und der Staat wie der Haushalt von Oma Erna funktioniere.
Doch statt dieses Gewinnerframing zu nutzen, bleibt die gesamte Linke bei ihren alt eingeübten Floskeln - ohne zu merken, damit seit 30 Jahren dem Neoliberalismus indirekt das Wort zu reden. Ewig ist die Rede vom knappen Steuerzahlergeld, das die Ampel nicht gut einsetzt - oder verschwende. Ob für die Bundeswehr, den Tankrabatt oder sonst was. Abgeordnete von SPD und Grünen erklären dem Bundestag am laufenden Band, dass weitere Entlastungen gegen die teuren Energiepreise nicht möglich seien, weil die Kassen jetzt knapp seien. Linke machen aus dem Sondervermögen Bundeswehr „Sonderschulden Bundeswehr“ - und damit aus einem außenpolitischen Argument (keine Aufrüstung) ein haushaltspolitisches (keine Schulden). Überall schwingt deshalb Maggie Thatcher mit: Geld ist knapp, Schulden sind böse und der Staat hat nur das Geld seiner Steuerzahler. Damit legt man Lindner den roten Teppich aus, statt ihn herauszufordern.
… aber längst nicht K.O.
Das ist aber noch nicht alles. Nicht nur geht die ganze Linke neoliberalen Frames auf den Leim, auch haben sie die falschen ökonomischen Argumente gegen die Schuldenbremse genutzt. Nämlich die Negativzinsen und die Rendite von öffentlichen Investitionen. Die Argumentation war bequem, weil man wie ein guter Unternehmer reden konnte, der Rendite jagt. Dagegen können doch auch Schäuble, Merz und Lindner nichts haben, so die Idee. Und damit konnte man Grundsatzdebatten über Geld und Staatsfinanzierung umgehen und konnte trotzdem mehr Investitionen fordern. Der Staat ist aber kein Unternehmer. Und öffentliche Investitionen müssen sich nicht rentieren. Die Strategie rächt sich heute. Denn die EZB hebt jetzt die Zinsen wieder an. Und für neue Entlastungspakete müsste die Ampel neue Schulden machen. Entlastungen sind aber haushälterisch gesehen aber Konsumausgaben und nicht Investitionen. Die zwei Hauptpfeiler linker Argumentation gegen die Schuldenbremse sind also ins Wasser gefallen. Das Momentum kippt, die Strategie scheitert.
Lindner hingegen hat es einfach. In der Notlage musste er zwar Schulden machen, aber diese “Ausnahmesituation“ sei vorbei. Zurück zur Normalität und Sparsamkeit, so sein Credo.
Ich habe schon Ende 2019 in Mythos Geldknappheit geschrieben, dass die Strategie zum Scheitern verurteilt ist. Dass die Schuldenbremse sogar zurückkommt, obwohl sie dank Aussetzung und Tricksereien an politischer Glaubwürdigkeit eingebüßt hat, liefert den Beweis. Die ganze politische Linke braucht einen Strategiewechsel. Dafür müsste man systematisch und schonungslos aufarbeiten, welche neoliberalen Frames man die letzten 30 Jahre reproduziert hat - und sich dann ein neues Narrativ zulegen. Raus aus der neoliberalen Zwangsjacke!
Warum Schulden für Konsum okay sind, habe ich hier schon Mal ausgeführt.
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