Zu wenig Prüfer: Staat verzichtet auf 18 Milliarden Euro
Der Staat verzichtet auf Steuermilliarden, weil es in Finanzämtern an Personal fehlt. Dabei bringen Prüfer mehr ein, als sie kosten
„Wir laufen in riesige Lücken hinein“, warnte der Finanzminister, Lars Klingbeil, letzte Woche im Interview bei Sandra Maischberger. Um den Haushalt 2028 in die Schuldenbremse zu pressen, fehlten – Stand heute – 60 Milliarden Euro. Die Schlussfolgerung: Deshalb müsse überall gespart werden. Die nächsten Haushalte werden alles etwas abverlangen, so Klingbeil.
Heißt: der Sozialstaat steht weiter unter Beschuss. Und damit Leistungen, auf die Menschen nur schwer verzichten können. Nicht Teil der öffentlichen Debatte ist aber, dass der Staat unnötigerweise auf Einnahmen verzichtet. Und zwar, indem er Finanzämter immer schlechter besetzt und Finanzbeamte immer seltener ausrücken, um Betriebe zu prüfen. Dabei rechnet sich jeder Betriebsprüfer gleich mehrfach selbst.
Ein Prüfer kostet das Finanzamt im Schnitt 50.000 Euro pro Jahr, bringt aber eine Million Euro an Steuermehreinnahmen.
Wie der Staat auf Geld verzichtet
Das wäre doch mal eine Frage für Sandra Maischberger an den Finanzminister gewesen: Was sagen Sie zum Personalmangel bei den Finanzämtern? Der kommt dem Staat nämlich teuer zu stehen, wie neue Daten aus einer Kleinen Anfrage der Linken im Bundestag beweisen.
Fast 7.000 Stellen sind derzeit unbesetzt. Fast doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Seit 2009 wurden außerdem mehr als 5.000 Stellen gestrichen, davon rund 1.000 bei Betriebsprüfern.

Betriebsprüfer, das sind Finanzbeamte, die Steuersündern auf der Spur sind. Sie checken die Bilanzen von Firmen, wühlen sich durch Kassenbelege und durchforsten Buchführungsunterlagen. Plakatives Beispiel: Passen die Einnahmen eines Eisverkäufers zu der Veränderung der Milch- oder Zuckerbestände? Oder die verkauften Türbänder eines Industrieunternehmens zu den veränderten Lagerbeständen und dem eingesetzten Personal? Wenn nicht alle Einnahmen korrekt erklärt wurden, verändern Betriebsprüfer den Steuerbescheid – und bringen dem Staat höhere Steuereinnahmen.
Und zwar ganz schön viele Steuereinnahmen. 2009 waren das inflationsbereinigt rund 29 Milliarden Euro. 2013 immerhin noch 22 Milliarden. Doch der Trend ist rückläufig. 2024 waren es nur noch knapp elf Milliarden Euro an Steuerplus durch Betriebsprüfungen.

Okay, zugegeben: „Nur elf Milliarden“ klingt komisch. Elf Milliarden sind natürlich viel Geld. Sowohl für den Staat als auch für die Betriebe, die sonst elf Milliarden Euro mehr auf dem Konto hätten. Aber es könnte eben auch fast das Dreifache sein. So wie 2009. Würde der Staat diese 18 Milliarden Euro mehr einnehmen, ließe sich selbst unter der Schuldenbremse die Mehrwertsteuer auf alle Grundnahrungsmittel streichen (Kostenpunkt: circa 13 Milliarden Euro) und die Stromsteuer auch für Verbraucher auf das europäische Minimum absenken (Kostenpunkt: circa fünf Milliarden Euro).
Großbetriebe und Reiche werden verschont
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