3 große Irrtümer zur Rente
Die Jungen bekommen eh keine Rente? Der Rentenzuschuss explodiert? Falsch!
Die gesetzliche Rente hat ein Imageproblem. 121 Milliarden Euro muss der Bund dieses Jahr aus dem Haushalt in die Rentenkasse zuschießen. Ein Skandal, finden viele. Gleichzeitig werden die Rentenabgaben in den nächsten Jahren steigen: von 18,6 Prozent heute auf 20,2 in 2030. Spätestens wenn die Babyboomer in zehn Jahren in Rente gehen, sei das nicht mehr finanzierbar, hört man häufig – zum Beispiel von Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank. Und dann ist da noch die junge Generation, die zunehmend das Vertrauen in die Rente verliert. „Für uns gibt es eh kaum Rente“, befürchten die Jungen.
Ein Blick auf die Fakten aber zeigt: Diese drei Vorwürfe hat die gesetzliche Rente gar nicht verdient.
#1: Rentenzuschuss explodiert?
Anders als häufig behauptet, läuft der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt nicht aus dem Ruder. Zwar wird die absolute Zahl jedes Jahr größer und liegt mittlerweile über der imposanten Marke von 100 Milliarden Euro. Aber: Das liegt vor allem daran, dass alle nominalen Zahlungen jedes Jahr größer werden, weil Preise steigen und die Wirtschaft wächst. Setzt man den Zuschuss ins Verhältnis zum Haushalt oder zur gesamten Wirtschaftsleistung, ergibt sich ein anderes Bild. Anfang der 2000er machte der Rentenzuschuss noch rund 30 Prozent des Bundeshaushaltes aus, heute sind es nur noch 24 Prozent. Der Anteil am Haushalt ist also gesunken und seit 2010 recht stabil.
Nicht anders im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung: 2003 machte der Rentenzuschuss noch 2,8 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, heute sind es nur noch 2,2 Prozent. Von Explodieren kann also keine Rede sein. Im Gegenteil.
Auch interessant: Die Rentenausgaben pro Rentner sind gemessen an der Wirtschaftsleistung heute um rund ein Viertel geringer als in der Vergangenheit. Pro eine Million Rentner gab Deutschland 1995 noch fast 0,6 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, heute sind es nur noch etwas mehr als 0,4 Prozent. Die Wirtschaft ist also stärker gewachsen als die Ansprüche an die gesetzliche Rente. Klagen über Finanzierbarkeit verbieten sich da. Eher müsste man fragen: Warum ist das Rentenniveau dann nicht höher?
#2: Für uns gibt es eh keine Rente?
Wie oft hört und liest man, dass die junge Generation der Rente nicht mehr traut? Sätze wie „Für uns gibt es eh keine Rente“ gelten als Konsens, sind aber ungerechtfertigt. Denn diejenigen, die etwa die Rente meiner Generation(ich bin 29 Jahre alt) bezahlen werden, sind ja noch gar nicht am Arbeitsmarkt und teilweise noch gar nicht geboren. Was das gesetzliche Umlagesystem in 40 Jahren zu leisten im Stande und wie hoch dann das Rentenniveau sein wird, hängt davon ab, wie die Wirtschaft läuft, wie viel produktiver wir werden, wie viel Zuwanderung es gibt, welche politischen Entscheidungen getroffen werden und natürlich: wie groß die nachfolgenden Generationen werden. Also: lauter großer Fragezeichen.
Vergessen wird dabei häufig, dass die Rente eine Verteilungsfrage ist. Und wahrscheinlich ist es so, dass es 2065 mehr zu verteilen gibt als heute – und das obendrein noch an eine kleinere Bevölkerung. Warum? Weil die Wirtschaft produktiver sein wird als heute.
Die derzeitige Herausforderung der Rentenversicherung liegt an der nahezu einmaligen Situation, dass die Babyboomer so eine große Generation und damit ein demographischer Ausreißer sind. Und sie wird verschlimmert dadurch, dass die Produktivität der Wirtschaft seit Jahren lahmt und die Einkommen so ungleich verteilt sind.
Um weniger Sorgen wegen der Rente zu haben, sollte die Jungen von der Politik also eine florierende und innovative Wirtschaft mit gerechterer Einkommensverteilung fordern. Darauf kommt es nämlich an!

#3: Kinder an die Börse?
Doch was bekommen die Jungen stattdessen? Aktiendepots von der Politik aufgeschwätzt! Die Union will eine „Frühstart-Rente“. Die hat es auch schon in die geleakten Entwürfe zum Koalitionsvertrag geschafft. Merz hatte dafür auch im Wahlkampf kräftig geworben. Die Idee: vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr zahlt der Staat 10 Euro pro Monat auf ein Depot ein. Danach soll das Depot mit privaten Einzahlungen weiter gefüttert und die Erträge bis zum Renteneintritt sogar steuerfrei gestellt werden.
Nur: Das hilft leider wenig für eine florierende und innovative Wirtschaft. Im Gegenteil: Wenn die Politik die Verbraucher zum Sparen bringt, entzieht sie der Wirtschaft Nachfrage. Das bremst das Wachstum, sorgt für Arbeitslosigkeit, verhindert Investitionen und lahmt so den dringend benötigten Produktivitätsfortschritt. Ein Eigentor, könnte man sagen.
Auch eine kapitalgedeckte Rente kommt nicht umhin, dass die Rente eben maßgeblich ein Verteilungsproblem ist. Je größer die Wirtschaftsleistung, desto bessere Renten lassen sich finanzieren. Kindern schon Aktien ins Depot gelegt werden, wenn sie das Wort nicht einmal buchstabieren können, ändert daran wenig.
Einziger Vorteil von einer Aktien-Rente: Man greift auf Gewinne von ausländischen Firmen zurück. Es wird also nicht nur die deutsche Wirtschaftsleistung als Verteilungsmasse angezapft, sondern auch die von anderen Ländern. Weltweit ist das aber ein Nullsummenspiel. Die Weltbevölkerung kann sich nur als Rente auszahlen, was sie vorher verdient hat; und nur konsumieren, was sie produziert.
Aber: Wenn die Welt ihre Einkommen an die Finanzmärkte schleppt und dort spart, anstatt sie auszugeben, sinkt im nächsten Moment die Produktion, weil es den Unternehmen an Nachfrage fehlt und sie ihre Güter nicht absetzen können. Heißt: Der Kuchen, der an die Rentner weltweit verteilt werden kann, wird kleiner.
Womit wir zu einer letzten, aber entscheidenden Einsicht gelangen: Rentner können mit ihrer Rente nur kaufen, was die Erwerbstätigen produzieren. Der Kern des Rentenproblems ist nicht das Geld, sondern die Versorgung mit Gütern. Auf Deutschland gemünzt: Produzieren wir genug, um bald auch mit weniger Erwerbstätigen mehr Rentner zu versorgen? Und: Was genau soll eine Frühstart-Rente für Sechsjährige zu der Frage beitragen? Spoiler: nicht viel.
Die gesetzliche Rente wird seit Jahrzehnten schlechtgeredet. Damit lässt sich eben wunderbar Geld machen, in der Privatwirtschaft.
Danke, Maurice! Es ist wirklich unfassbar, dass in jeder Talkshow zum Thema Rente immer die gleichen Halbwahrheiten und Mythen verbreitet werden. Und es werden auch immer nur über Scheinlösungen diskutiert, zum Beispiel die Aktienrente oder ein späterer Renteneintritt, anstatt mal das Ganze Bild in den Blick zu nehmen, so wie Du es tust.
Ich finde es zum Beispiel einfach unlogisch, dass im Moment jeder Rentenpunkt gleich viel wert ist. Meiner Meinung nach sollten die ersten Rentenpunkte, die man im Laufe des Arbeitslebens verdient, mehr wert sein, damit sich jeder erstmal eine armutsfeste Basis aufbauen kann. Und jeder weitere Rentenpunkt, den man dazubekommt, wird dann zunehmend immer unwichtiger, genau wie es ja auch bei unserem progressiven Steuertarif ist.
Wenn man es so machen würde, könnte man auch die Beitragsbemessungsgrenze deutlich anheben, ohne dass das gleich zu proportional höheren Rentenansprüchen bei Gutverdienern führen würde. Menschen mit hohem Einkommen können ja sowieso auch privat vorsorgen und sind gar nicht so sehr auf die gesetzliche Rente angewiesen wie Menschen mit kleinem Geldbeutel.