4 Gründe gegen die Fleisch-Steuer
Landwirtschaftsminister Özdemir will eine Fleisch-Steuer, um Tierwohl zu finanzieren. Eine arrogante und feige Idee, die einen Shitstorm verdient!
Typisch Grüne, könnte man meinen. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir will eine Fleisch-Steuer einführen. Sein Eckpunktepapier hat er jüngst an SPD und FDP geschickt, die BILD hat die Pläne nun öffentlich gemacht. Die Einnahmen sollen an Landwirte fließen, damit die für mehr Tierwohl sorgen. Was ist davon zu halten? Ich meine: Edel sind seine Motive, aber feige und naiv ist sein Plan.
Vier Gründe sprechen gegen diese Fleisch-Steuer, auch wenn man für mehr Tierwohl ist.
Wie genau soll die Steuer funktionieren?
Bevor wir zur Kritik kommen, erst mal die Erklärung: Der Steueraufschlag soll pro Kilogramm Fleisch erfolgen. Wie hoch die Steuer sein soll, schreibt Özdemir nicht. Das solle „politisch entscheiden werden“. Schon die erste Feigheit.
Vorbild aber ist die Kaffeesteuer. Ein Kilo Röstkaffee wird pauschal mit 2,19 pro Kilogramm besteuert, die Einnahmen gehen an den Bund, der Zoll wickelt das Ganze ab. So soll es dann wohl auch beim Fleisch sein. Das Ziel: „Steuereinnahmen für wichtige, vornehmlich landwirtschafts- und ernährungspolitische Vorhaben“ generieren, so steht es im Papier.
Seit Monaten wirbt Özdemir für eine solche Steuer, um Landwirten beim Umbau ihrer Ställe zu helfen. Wie gesagt: edles Motiv. Dass die Forderung aber nicht populär ist, scheint er zu ahnen. Im Januar sagte Özdemir in seiner Rede im Bundestag: „Wenn die Currywurst ein paar Cent teurer wird, dann ist die Angst vor dem Shitstorm groß“. Wie recht er hat. Ist das also mutig oder naiv, die Fleisch-Steuer auch bei rekordmiesen Umfragewerten der Ampel zu fordern?
Übrigens: Ich esse Currywurst aus Pflanzen, habe das letzte Stück Fleisch vor acht Jahren gegessen und zwei Hunde aus dem Tierschutz. An meinem Interesse an Tierwohl muss also keiner zweifeln. Wirkliche Veränderung schafft aber kein Wettbewerb unter Moralstrebern, die sich selbst auf die Schulter klopfen, sondern Politik, die bessere Standards durchsetzt.
Jetzt zu den vier Gründen dagegen.
#1: Dieter Schwarz lacht sich schlapp
Die Pläne sind feige. Weil sich Özdemir aus dem Streit um die Schuldenbremse heraushält und sich nicht an das Geld der Großen und Mächtigen traut, müssen die Verbraucher die Zeche zahlen. Wie so häufig!
Das größte Problem für Hühner, Schweine und Kühe sind nicht die Verbraucher im Supermarkt, sondern die schwerreichen Einzelhändler, die die Landwirte mit ihrer Marktmacht in Verhandlungen auspressen wie eine Zitrone. Sie sind es, die Tierquälerei per Preisdruck institutionalisieren. Darüber können auch keine bunten Tierwohlsiegel hinwegtäuschen, sorry.
Zu denen verliert Özdemir aber kein Wort. An der Spitze der Reichenliste darf ungestört der Schampus geköpft werden. Genau dort thront etwa Dieter Schwarz, der Gründer von Lidl und Kaufland. Laut Forbes Reichenliste besitzt er allein fast 50 Milliarden US-Dollar, ist in den letzten vier Jahren gar noch schlappe fünf Milliarden reicher geworden – wohlgemerkt: während die Mehrheit ärmer geworden ist.
Nicht weit darunter liegen die Aldi-Brüder mit jeweils fast 20 Milliarden. Vemögend sind auch die Besitzer der großen Schlachtbetriebe. Skandal-Schlachter Tönnies etwa besitzt schätzungsweise rund eine Milliarde US-Dollar. Da ist Geld für Tierschutz zu holen. Auch ganz ohne Shitstorm!
#2: Niemand braucht fettere Quittungen im Supermarkt
Höhere Preise kann nach zwei Jahren Preisschock keiner gebrauchen. Die Reallöhne sind heute sechs Prozent kleiner als 2019. Die reale Kaufkraft im Supermarkt ist sogar um fast 20 Prozent gesunken, denn die Preise für Lebensmittel sind besonders stark gestiegen. Die Frage stellt sich: Weiß Özdemir eigentlich, dass Lebensmittel mittlerweile 31 Prozent teurer sind als 2020 (Geflügelfleisch sogar 40 Prozent)? Weiß er, dass der preisbereinigte Umsatz mit Lebensmittel so niedrig ist wie 2016? Dass auch Normalverdiener am Monatsende schon knapp kalkulieren müssen?
Und jetzt soll der Wocheneinkauf noch teurer werden? „Grüne Arroganz!“ will man dem Minister da nur zurufen. Erst recht, nachdem die Ampel zwei Jahre lang genau nichts gegen die hohen Preise im Supermarkt getan hat. Die EU hat extra ihre Gesetze geändert, damit Grundnahrungsmittel von der Mehrwertsteuer befreit werden können. Spanien, Portugal und Polen haben es vorgemacht. Und die Ampel? Streitet sich lieber um die letzten Krümel für Arbeitslose und Asylbewerber!
#3: Mythos Lenkungswirkung
Dann ist da noch die Lenkungswirkung. Ja, selbst Ökos mutieren zu Neoliberalen, wenn es der eigenen Agenda dient. Wenn Fleisch teurer würde, verzichten Verbraucher beim Wocheneinkauf häufiger auf Fleisch, so die Hoffnung.
Höhere Preise allein bringen keinem einzigen Schwein bessere Haltungsbedingungen. Denn eine Steuer macht noch keine strengeren Auflagen für die Landwirte. Außerdem ist Deutschland großer Exporteur von Fleisch. Drei der sieben Millionen Tonnen Fleisch, die 2022 in Deutschland produziert wurden, gingen in den Export. Auf Exporte fiele aber weder Özdemirs neue Fleisch-Steuer noch eine höhere Mehrwertsteuer an. Die Lenkungswirkung ginge also an fast der Hälfte der gesamten Tierhaltung vorbei.
Statt einfach an der Preisschraube zu drehen, braucht es also höhere Standards für Landwirte und Schlachter. Die können dann wiederum auch zu höheren Preisen führen, allerdings steckte dahinter dann ein echter Gewinn für das Tierwohl und nicht nur Symbolpolitik auf Kosten der Verbraucher.
#4: Steuern sind nie zweckgebunden
Zugegeben: Der letzte Punkt mag kleinkariert wirken, ist er aber gar nicht. Und zwar: Steuern sind nie zweckgebunden. Steuern sorgen zwar für neues Guthaben auf dem Bundesbankkonto von Christian Lindner, wofür das dann aber ausgegeben wird, kann auch Minister Özdemir nicht versichern. Die Verknüpfung der Fleisch-Steuer mit Tierwohlausgaben ist also ein Marketing-Versuch von Özdemir, der sich technisch gar nicht umsetzen lässt. Sicher sind die Leute eher bereit, die Steuer zu akzeptieren, wenn das Geld für mehr Tierwohl eingesetzt wird. Wer kann schon gegen mehr Tierwohl sein?
Und ich glaube Özdemir auch, dass er so viel Geld für Tierwohl (also den Umbau der Ställe) ausgeben will, wie er über die Steuer einnimmt. Aber in zwei Jahren gibt es eine neue Regierung. Womöglich ohne einen Minister Özdemir. Wer garantiert den Verbrauchern dann noch, dass das Geld in Tierwohl fließt? Richtig, niemand. Die Folgen sind absehbar: Wenn das Geld für andere Dinge ausgegeben wird, verlieren die Menschen (zurecht) wieder Vertrauen in die Politik. Schon wieder gebrochene Versprechen auf Kosten kleiner Geldbeutel.
Deshalb: Die Motive von Özdemir mögen edel sein, die Pläne aber sind feige, arrogant und naiv. Er hat den Shitstorm herbeigesehnt, so soll er ihn auch bekommen. Er hat ihn redlich verdient!
Boah ist der Artikel wieder stark 😅. Dachte bei der Überschrift und ohne lange nachzudenken nur. „Ach komm schon Maurice, es geht ums Tierwohl“. Aber du hast absolut recht. Danke!
„Wenn’s teurer ist, essen die Leute weniger Fleisch.“
Hat dieses Lenkungswirkungsprinzip jemals funktioniert? Würde jeder rauchen, wenn wir das nicht besteuern oder wie? Nikotin zu besteuern kann noch sinnvoll sein, da es ein Luxusprodukt ist, aber warum denn grundlegende Nahrungsmittel??