6-Tage-Woche: Griechenland plötzlich Vorbild, Herr Söder?
Markus Söder findet, Deutschland solle sich ein Vorbild an Griechenlands Sechs-Tage-Woche nehmen. Darum liegt er falsch
Vor zehn Jahren wollten Sie die „Pleitegriechen“ noch aus dem Euro ekeln, Herr Söder. Sie forderten den „Grexit“ so laut wie kein Zweiter. Man müsse an Griechenland „ein Exempel statuieren“, polterten Sie damals. Und heute? Heute soll sich Deutschland ein Vorbild an Griechenland nehmen, weil die die Sechs-Tage-Woche einführen?
Zum Hintergrund: Ab können Arbeitgeber in Griechenland ihren Angestellten vorschlagen, sechs anstatt bisher fünf Tage die Woche zu arbeiten. Für den sechsten Arbeitstag erhalten Angestellte dann einen Lohnaufschlag von 40 Prozent, für Feiertage sogar 115 Prozent.
Bei der BILD sagten Sie vor einigen Tagen das hier: „In Griechenland gibt es jetzt zum Beispiel eine Sechs-Tage-Woche, bei uns wird über eine Vier-Tage-Woche diskutiert. So werden wir den Rückstand nicht aufholen. Wir müssen wieder mehr arbeiten, aber mehr Arbeit muss sich dann auch lohnen.“
Welchen Rückstand soll Deutschland denn eigentlich zu Griechenland haben? Deutschlands Wirtschaftsleistung pro Kopf ist zweieinhalbmal so groß wie Griechenlands. Und das, obwohl die Griechen im Schnitt schon fünf Stunden pro Woche mehr arbeiten, nämlich 40 statt 35 Stunden wie in Deutschland. Pro Stunde werden in Griechenland 28 Euro erwirtschaftet, in Deutschland sind es 59 Euro. Für Sie übersetzt, Herr Söder: Deutschland ist produktiver und reicher. Da gibt es nichts aufzuholen.
Der griechische Arbeitsminister, Adonis Georgiadis, sieht die Sechs-Tage-Woche als Maßnahme gegen den Fachkräftemangel. Moment. Fachkräftemangel? Die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei elf Prozent, die Jugendarbeitslosenquote sogar bei 25 Prozent. Die inoffizielle Quote wird noch größer sein, weil Menschen sich aus Frust und Verzweiflung gar nicht mehr arbeitslos melden – und ohnehin kaum Sozialhilfe bekommen, vorallem Langzeitarbeitslose. Was wenig wissen: Die Mindestsicherung von 200 Euro pro Monat gibt es in Griechenland erst seit 2019. Vor 2019 war nach einem Jahr Schluss mit Hilfsgeldern. Wenn es nach der Union geht, ist der löcherige Sozialstaat bald auch Vorbild?
Bei Massenarbeitslosigkeit von Fachkräftemangel zu reden, entbehrt jeder makroökonomischen Grundlage. Was allerdings tatsächlich ein Problem für den Arbeitsmarkt ist: Der Braindrain der Jungen, der Manager und der Akademiker nach der Finanzkrise. Nach einer Studie der griechischen Zentralbank haben allein zwischen 2008 und 2014 mehr als 400.000 Griechen ihrem Land den Rücken gekehrt. Mittlerweile dürfte die Zahl der Krisen-Auswanderer die halbe Million übersteigen. Ob man die allerdings mit einer Sechs-Tage-Woche zurücklockt? Wohl kaum!
Und dann ist da noch die Schwarzarbeit. Ein großes Problem in Griechenland, das der griechische Arbeitsminister meint, mit der Sechs-Tage-Woche bekämpfen zu können. Viele Angestellte arbeiteten ohnehin in Extrastunden, häufig auch in Zweit- und Drittjobs, um Steuern zu sparen und mehr Geld nach Hause zu bringen, so Georgiadis. Die Hoffnung: Durch das neue Gesetz und den Lohnaufschlag sollen die Angestellten regulär die Arbeitszeiten ausweiten – und eben Steuern und Sozialabgaben bezahlen.
Darin steckt aber ein Widerspruch zum Klagen über den Fachkräftemangel. Wenn so viele Angestellte ohnehin schon länger oder in Nebenjobs arbeiten, dann bringt die Sechs-Tage-Woche zwar vielleicht mehr offizielle Arbeitsstunden, aber eben nicht in gleichem Maße mehr Fachkräfte. Der ohnehin fragwürdige Fachkräftemangel würde damit also ohnehin nicht beseitigt.
Die Idee ist rückschrittlich und eine Verzweiflungstat von überforderten Ministern. Das gilt für den griechischen Arbeitsminister genauso wie für Sie, Herr Söder. Bringen Sie die Wirtschaft mit Konjunkturpaketen ans Laufen, trauen Sie sich (wie immer mehr Ihrer Unionskollege) an eine Reform der Schuldenbremse und drängen Sie darauf, kleine und mittlere Einkommen bei den Steuern zu entlasten. Das brächte Deutschland nach vorne und die Wirtschaft in Schwung.
Aber bitte hören Sie auf, Deutschland zu Griechenland machen zu wollen. Das wäre nämlich Abstieg, nicht Aufstieg!
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Was will Herr Söder damit erreichen? Will er jetzt endgültig die Gesellschaft spalten es ist doch einfach nur mal wieder eine andere Sau, die durch die Talkshows treiben will. ich kann es nicht verstehen. Im Bericht wird schon sehr gut dargelegt, was in Griechenland anders da läuft als hier und schon deshalb ist es nicht vergleichbar.
Wäre die gewählte griechische Regierung damals mit ihrem Auftrag ihrer Wähler stark geblieben, ginge es den Griechen heute besser. Ein Grexit wäre kein Weltuntergang für die Griechen gewesen. Die damalige Regierung hat stattdessen gegen ihren Wählerauftrag verstoßen und den EU-Irrsinn der sozialen Anpassungen ausgeführt. Die Griechen hätten stattdessen die Regierung „in die Wüste schicken sollen“ statt klaglos die Vernichtung der eigenen Wirtschaft zu schlucken! Die 6-Tage-Woche ist nur der hilflose Ausfluss einer unfähigen und meiner Ansicht nach „korrupten“ Regierung!