Asyl-Ansage: Wagenknecht tritt nach unten
Wagenknecht will abgelehnten Asylbewerbern die Gelder streichen. Das wäre fatal und verfassungswidrig. Was steckt dahinter?
Ohne Frage: Wagenknechts neue Partei füllt eine Lücke im Parteienspektrum. Ihr Credo: Die Reichen sollen mehr Steuern zahlen und Malocher mehr verdienen, aber gesellschaftlich soll bitte alles so bleiben, wie es früher mal war. BSW ist eine Mischung aus der traditionellen Linken und dem Arbeitnehmerflügel der CDU. Hat das eine Daseinsberechtigung? Ja. Man kann sogar argumentieren: BSW stärkt die Demokratie, wenn Nicht- oder Frustwähler sich dadurch repräsentiert fühlen.
Die Ausgangslage bedingt allerdings, dass Wagenknecht nicht nur frustrierte Sozialdemokraten, sondern auch potenzielle AfD-Wähler überzeugen muss. Sie will der AfD schließlich das Dasein als Protestpartei abringen – und sich von dort aus als Volkspartei in der Mitte etablieren.
Ihre Strategie: Populismus. Mal linker Populismus, mal rechter Populismus. Mal poltern gegen Reiche, mal einstimmen in die Hetze gegen Arbeitslose und Flüchtlinge. Sie fischt in zwei Teichen gleichzeitig. Das erkennt man auch an der Kandidatenwahl: Mal Fabio De Masi, mal Thomas Geisel (was die beiden unterscheidet, habe ich hier analysiert).
Zwangsläufig wandert Wagenknecht damit auf einem schmalen Grat. Gefährlich wird es allerdings, wenn sie es mit ihrem rechten Populismus übertreibt – und die Gratwanderung zum Abdriften wird. Dann nämlich, wenn sie rechte Positionen legitimiert und beflügelt, indem sie diese kopiert und aufbläst.
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Kein Geld mehr für abgelehnte Asylbewerber
Gestern hat sie dafür das perfekte Beispiel geliefert. Und zwar in Sachen Asylpolitik. Dass Wagenknecht hierzu eine konservative Position vertritt, weiß jeder im Land. Das wusste auch schon jeder, bevor sie aus der Linken ausgetreten ist und BSW gegründet hat. Profilieren muss sich hier also eigentlich nicht, sollte man meinen. Und trotzdem hat sie es gestern getan, in einer bisher unbekannten Schärfe. Sie hat ihr Profil damit radikalisiert.
Wagenknecht fordert nämlich, abgelehnten Asylbewerbern die Gelder zu streichen. „Dass der Staat nach einer Ablehnung dieselben Leistungen weiterzahlt, ist dem Steuerzahler nicht erklärbar", sagte Wagenknecht der Nachrichtenagentur dpa. „Nach einer Übergangsfrist sollten Geldleistungen auslaufen, wenn kein Schutzstatus vorliegt".
Betroffen davon wären nicht nur diejenigen, die tatsächlich innerhalb von 30 Tagen das Land verlassen müssen und rechtssicher abgeschoben werden können, sondern auch alle Geduldeten, die zwar keinen Schutzstatus, aber eine befristete Aufenthaltserlaubnis haben. Um das in Zahlen deutlich zu machen: Es gibt rund 15.000 abgelehnte Asylbewerber ohne Duldung, die ausreisen müssen oder rechtssicher abgeschoben werden können, aber mehr als 100.000 abgelehnte Asylbewerber mit Duldung.
Diese Unterscheidung macht Wagenknecht nicht. Sie wirft alle abgelehnten Asylbewerber in einen Topf und rüttelt damit implizit an der Daseinsberechtigung vom Duldungsstatus. Dabei gibt es etliche legitime Gründe für eine Duldung. Eine Duldung bekommen Asylsuchende etwa, wenn eine Rückkehr in das Heimatland zu gefährlich ist, zum Beispiel weil in Syrien ein Bürgerkrieg herrscht oder in Afghanistan die Taliban eine Schreckensherrschaft ausüben. Geduldet wird aber auch, wer eine Ausbildung angefangen hat, wer schwer krank ist, wer ein Kind mit Aufenthaltserlaubnis hat oder mit anderen Geduldeten eng verwandt ist. Und dann sind da noch solche, die keine vollständigen Papiere haben und vom Herkunftsland nicht zurückgenommen werden.
All diesen Menschen will Wagenknecht die Gelder streichen. Und damit ökonomischen Druck ausüben, das Land zu verlassen, obwohl sie eine Aufenthaltsgenehmigung haben. Im Klartext: Wagenknecht will Geduldete mit Geldentzug erpressen. Ob sie dann eine Ausbildung aufgeben, Verwandte zurückzulassen oder gar zurück in die Taliban-Herrschaft müssen – Hauptsache weg aus Deutschland, so die Botschaft. Klingt hart, ja sogar menschenfeindlich und kaltherzig, ist aber die logische Konsequenz aus ihrer Forderung.
Nebenbei: Naiv ist, wer wirklich glaubt, Asylsuchende würden sich damit zurück in die Heimat drängen lassen, in der sie es nicht ausgehalten haben. Viel mehr drängt man sie in Schwarzmärkte und Kriminalität, wenn man ihnen noch den letzten Euro raubt. Unverantwortlich.
Wagenknecht hat den Boden des Grundgesetzes verlassen
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