Bitcoin-Reserve für die EZB? Bitte nicht!
Die FDP will eine Bitcoin-Reserve bei der EZB. Das wäre ein ironisches Geschenk mit fatalen Folgen
Die Umfragen sind schlecht, der Druck ist groß. Schafft es die FDP bei der Wahl nicht über die Fünf-Prozent-Hürde sind die Tage von Christian Lindner als Parteichef wohl gezählt. Und die Existenz der FDP in Gefahr. Kein Wunder also, dass Lindner jetzt alle Register zieht, um neue Wähler zu gewinnen.
Sein neuestes Ziel: Bitcoinbros. Die will er damit ködern, dass sich die FDP eine Bitcoin-Reserve für die Europäische Zentralbank (EZB) in das Wahlprogramm geschrieben hat. Geklaut ist die Idee von Donald Trump, der sich im Wahlkampf auch für den Bitcoin und eine solche Reserve ausgesprochen hat. „Deutschland und Europa dürfen sich hier nicht wieder abhängen lassen“, sagt Lindner. Eine Bitcoin-Reserve sei „ein Beitrag zur Stärkung der Resilienz der Reserven“. „Denn Krypto-Vermögenswerte machen inzwischen einen bedeutenden Teil des globalen Wohlstandszuwachses aus.“
Das sind wohlklingende, aber inhaltsleere Sprechblasen.
Ironisch wäre all das, weil die Bitcoiner ja gerade den Staat, seine Währung und die Zentralbank als Feind und Übel sehen.
Bitcoin erzeugt keinen Wohlstand
Erstens: Eine Zentralbank braucht keine Reserven in eigener Währung, weil sie die Schöpferin der Währung ist. Die EZB muss nicht mit Bitcoin spekulieren, um mehr Euro ausgeben zu können – sie kann sie einfach auf Knopfdruck erzeugen. Der Euro kann der EZB niemals ausgehen. Was der EZB allerdings ausgehen kann, sind fremde Währungen, beispielsweise der US-Dollar – und das nur in dem unrealistischen Fall, dass niemand mehr US-Dollar gegen Euro tauschen will. Reserven an Fremdwährungen bräuchte die EZB aber nur, wenn sie damit den Wechselkurs beeinflussen wollen würde. Das macht sie aber nicht, weil die Europäische Währungsunion ein flexibles Wechselkursregime verfolgt, sprich: den Wechselkurs einfach den Markt bestimmen lässt, ohne einzugreifen.
Anders war das bis Anfang der 70er-Jahre im Bretton-Woods-System. Damals waren die europäischen Währungen zu einem festen Kurs an den US-Dollar und der US-Dollar an den Goldpreis gekoppelt. Aus dieser Zeit rührt, dass die Zentralbanken große Goldreserven in ihren Tresoren halten. Die wurden benötigt, um im Zweifelsfall den festen Wechselkurs zu verteidigen. Seit über 50 Jahren ist das System aber vorbei und damit der Grund für die riesigen Goldreserven entfallen. EZB und Bundesbank sollten ihre Bestände verkaufen und der Bevölkerung erklären, warum sie nicht mehr gebraucht werden!
Zweitens schwankt der Bitcoinkurs so stark, dass er keinesfalls ein verlässlicher „Beitrag zur Stärkung der Resilienz der Reserven“ wäre, wie Lindner behauptet. Natürlich kann der Bitcoinkurs steigen, wenn der Euro an Wert verliert, weil die europäische Wirtschaft kriselt. Aber darauf kann man sich nicht verlassen. Er kann auch fallen, so wie in der Krise 2022, als der Bitcoin fast Zweidrittel eingebrochen ist. Dann hätte er die „Resilienz“ nicht gestärkt, sondern geschwächt. Das Grundproblem ist: Der Bitcoin hat keinen inneren Wert, sondern ist eine große Blase, die weiterwachsen, aber eben auch einfach platzen kann. Und wenn sie platzt und die Kurse abstürzen, gibt es nichts, was den Bitcoinkurs stabilisiert – außer neue Spekulanten, die hoffen, in Zukunft wieder neue Käufer zu finden. Aber auch das ist wieder nur Spekulation.
Drittens muss eine Zentralbank – anders als normale Banken – keine Gewinne machen. Sie muss nicht einmal ein positives Eigenkapital haben. „Resilienz“, wie Lindner sagt, ist gar kein sinnvolles Kriterium für die Arbeit der Zentralbank. Lernen könnte Lindner das von der Schweizer Nationalbank (SNB). Die SNB hat in der Vergangenheit Milliardenverluste gemacht, weil sie im großen Stil Fremdwährungen gekauft hat, die später an Wert verloren. Und die Verluste waren sogar so groß, dass das Eigenkapital negativ wurde. Auf die Frage, ob die SNB damit nicht wie jedes andere Unternehmen pleite sei und geschlossen werden müsse, gibt die SNB auf ihrer Website folgende Antwort:
„Nein. Die Nationalbank ist aufgrund ihrer Kapazität zur Geldschöpfung in eigener Währung stets zahlungsfähig, weil sie theoretisch unlimitiert über offizielle Zahlungsmittel verfügt. Daher ist die Nationalbank auch bei vorübergehend negativem Eigenkapital vollumfänglich handlungsfähig, d.h., sie kann ihren geldpolitischen Auftrag jederzeit erfüllen. Zudem besteht bei negativem Eigenkapital für die Nationalbank kein rechtlicher Zwang zur Sanierung, geschweige denn zur Liquidation. Es gibt auch keine Nachschusspflicht für die Aktionäre der Nationalbank.“
Das stimmt genauso für die EZB. Für sie ist es nicht einmal sinnvoll, eine Bilanz wie eine Bäckerei oder eine normale Bank zu führen. Formal haben die Zentralbank und der Bäcker zwar beide auf der Passivseite der Bilanz ihre Schulden stehen, die wirtschaftliche Bedeutung der Schulden könnte aber nicht unterschiedlicher sein. Während Bäcker ihre Schulden jemandem zurückzahlen müssen und dafür Einnahmen brauchen, verbuchen Zentralbanken an Schulden lediglich, was sie selbst auf Knopfdruck herstellt: Bargeld und Zentralbankguthaben.
Und viertens hat der Bitcoin keinen Wohlstand erzeugt. Schon gar nicht global. Das kann er gar nicht, weil er selbst nur ein großes Nullsummenspiel ist. Eine gigantische Umverteilungsmaschine, aus der nur in staatlichen Währungen ausgezahlt werden kann, was vorher eingezahlt wurde. Wie an einem Pokertisch, an dem nur die Chips umverteilt werden, die die Spieler mitbringen. Anders als Aktien, hinter denen produktive Firmen stecken, die Gewinne erwirtschaften, wirft der Bitcoin nur dann Gewinne ab, wenn jemand anders bereit ist, den Bitcoin zu höheren Preisen abzukaufen.
Ein hoher Börsenkurs erweckt zwar den Anschein, der Bitcoin würde Wohlstand erzeugen und alle Halter gewinnen, aber das ist eine trügerische Illusion. Denn nicht alle Halter können den Bitcoin zum aktuellen Kurs verkaufen. Würden es alle Halter versuchen, fiele der Kurs in den Keller. Die Wahrheit ist: Wer zu höheren Preisen verkauft, macht Gewinne zulasten der anderen Bitcoiner. So wie am Pokertisch, wenn jemand den Tisch mit mehr Chips verlässt, als er anfangs eingebracht hat. Und: Niemand würde ja behaupten, dass Pokern Wohlstand erzeugt. Oder?
Zum Glück hat die FDP nur Außenseiterchancen auf eine Regierungsbeteiligung, und zum Glück ist man sich in der Zentralbank all dieser Gefahren bewusst.
EZB-Einstieg wäre ein ironisches Geschenk für Bitcoiner
Obwohl Lindner aus falschen Gründen eine Reserve bei der EZB fordert, würde er den Bitcoinbros ein riesiges Geschenk machen. Denn aus dem Nullsummenspiel könnte mit Einstieg der Zentralbank ein Positivsummenspiel werden. Schließlich pumpt die EZB dann neues Geld in das System, wenn sie anderen die Bitcoins abkauft. Mit anderen Worten: Sie druckt Geld, um Verkäufern ihre Spekulationsgewinne zu realisieren. Die bisherigen Bitcoiner könnten also mehr gewinnen, als sie selbst alle eingezahlt haben. Das ist so, als würde sich der Casinobetreiber mit den eigenen Chips an den Pokertisch setzen und mitspielen. Für alle anderen Pokerspieler gäbe es dann mehr zu gewinnen, als sie selbst einbringen. Und zwar gleich von der Quelle: entweder die Chips vom Casino oder die Währung von der Zentralbank!
Generell würde es mehr Anleger in den Bitcoin treiben, wenn selbst Staaten mit ihren Zentralbanken investieren. Weil das den Bitcoin seriöser machen und die Kurse in die Höhe treiben würde. Je größer die Summen, die Zentralbanken in den Bitcoin investierten, desto größer wäre auch der politische Druck, bei einem Crash zu intervenieren, um mit neuem Geld die Kurse zu stabilisieren. Dann aber würde die Zentralbank de facto also für die Spekulationsrisiken der Bitcoiner haften. Also eine Art Schnellballsystem mit einer staatlichen Versicherung ausstatten – ein No-Go!
Ironisch wäre all das, weil die Bitcoiner ja gerade den Staat, seine Währung und die Zentralbank als Feind und Übel sehen. Als parasitäre Institutionen, die die Bürger verarmen, kontrollieren und den „freien Markt“ verzerren.
Zum Glück hat die FDP nur Außenseiterchancen auf eine Regierungsbeteiligung, und zum Glück ist man sich in der Zentralbank all dieser Gefahren bewusst. Die EZB hat sich schon häufiger kritisch zum Bitcoin positioniert und sieht ihn auch als Konkurrenz zum digitalen Euro. Zum aktuellen Vorschlag hat sich die EZB zwar nicht geäußert, aber EZB-Präsidentin Christine Lagarde gab vor ungefähr einem Jahr in einer Veranstaltung die Geschichte zum Besten, dass ihr Sohn mit dem Investment in Bitcoins etwa 60 Prozent des eingesetzten Geldes verloren habe – obwohl sie ihn vorher eindrücklich davor gewarnt hatte.
Wie jedes Mal - danke für deine Arbeit Maurice! Es hilft ungemein diese teilweise abstrakten bis abstrusen Vorschläge in Wahlprogrammen einordnen und bewerten zu können.
Danke Maurice, auf dich ist Verlass. Platte Platitüden Linders wie gewohnt mit einem Handstreich widerlegt.