Das Ende der Zins-Lüge
Endlich! Der Finanzminister verbucht Zinskosten ab 2025 anders und spart so 7,3 Milliarden Euro
Es gibt sie noch, die guten Nachrichten. Heute am späten Abend steht im Bundestag die Abstimmung über ein Gesetz an, nach dem der Bund seine Zinskosten ab 2025 anders verbucht. Und zwar so, wie es ökonomisch sinnvoll ist. Für den Finanzminister Lindner ist das allerdings unangenehm. Denn die Gesetzesänderung ist ein Eingeständnis.
Schließlich ist Lindner seit den Zinserhöhungen der EZB im Jahr 2022 durch die Talkshows gezogen und hat vor explodierenden Zinskosten gewarnt, immer wieder von einer Verzehnfachung von vier auf 40 Milliarden Euro gesprochen. „Das ist Geld, das an anderer Stelle fehlt“, sagte Lindner der „Bild“-Zeitung zum Beispiel. Debatten um ein Aussetzen der Schuldenbremse halte er vor diesem Hintergrund für „ökonomisch verfehlt“. Er hat sich arm gerechnet, um die voreilige Rückkehr zur Schuldenbremse zu legitimieren.
Das Eingeständnis ist Lindner peinlich, weil es seine Talkshowmärchen entlarvt. Ob Illner oder Maischberger ihn in der nächsten Talkshow darauf ansprechen? Wohl kaum.
Schon im April 2023 habe ich hier im Newsletter erklärt, warum die Verzehnfachung falsch ist – und Lindner die Zinskosten manipulativ nutzt. Hintergrund ist eine unbekannte Buchungsregel, die besagt, dass Auktionsverluste oder -gewinne aus dem Verkauf von Staatsanleihen vollständig in das Haushaltsjahr gebucht werden, in dem sie anfallen. Und da Lindner 2022 und 2023 trotz gestiegener Zinsen noch immer Staatsanleihen verkauft hat, die den Haltern gar keine oder nur sehr geringe Zinsen versprechen, haben die Banken die Anleihen unter ihrem eigentlichen Ausgabewert gekauft – und der Bund beim Verkauf von Anleihen milliardenschwere Verluste gemacht. Auktionsverluste, die die Zinskosten aufblähen und nicht entstanden wären, wenn die Anleihen mit höheren Zinsen verkauft worden wären; oder wenn die Auktionsverluste periodengerecht verbucht, sprich über die Laufzeit der Anleihe gestreckt worden wären (so wie Zinsen auch).
Auf Anfrage der Linken hat das Ministerium dann in einer Anfrage zugegeben, dass die Zinskosten für 2023 ganze 17 Milliarden zu hoch veranschlagt sind. Im O-Ton: „Die Bundesregierung hat die Zinsausgaben des Jahres 2023 für den Entwurf des Nachtragshaushalts 2023 mit 36,83 Milliarden Euro geschätzt. Würden die Zinsausgaben des Jahres 2023 periodengerecht abgegrenzt verbucht, läge dieser Wert um 16,99 Milliarden Euro niedriger bei 19,84 Milliarden Euro." Zur Einordnung: Mit 17 Milliarden hätte man die Kaufprämie für E-Autos und eine Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel finanziert bekommen.
Bis vor den Haushaltsverhandlungen der Koalition im Sommer war Lindner noch gegen eine Änderung der Buchungsregel. Und das, obwohl der konservative Bundesrechnungshof, die konservative Bundesbank und selbst der wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums schon länger auf die Änderung pochten. „Eine Umstellung würde weitreichende rechtliche Fragen aufwerfen und, wenn überhaupt möglich, umfassende Änderungen an gesetzlichen Regelungen notwendig machen“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums noch vor einem Jahr.
Da aber die Verhandlungen über den Haushalt 2025 wegen der Schuldenbremse so vertrackt waren und jede Milliarde gebraucht wurde, gab Lindner schließlich nach. Und siehe da: Für 2025 spart die Änderung immerhin 7,3 Milliarden Euro ein. Allerdings steigen dafür natürlich die Zinskosten in der Zukunft. Die Kosten sind ja nicht weg, sondern nur anders verteilt. Dafür aber so, wie es ökonomisch sinnvoll ist. Für eine 30-jährige Anleihe verbucht man ja auch nicht die Zinskosten über die gesamte Laufzeit in einem Haushalt, sondern nur das, was jedes Jahr anfällt.
Dass das Gesetz heute Mitternacht vor leeren Rängen im Bundestag beschlossen und gemeinsam mit dem Kita-Qualitätsgesetz beraten wird, obwohl es genau null inhaltlichen Zusammenhang gibt, kann man auch als Indiz dafür werten: Das Eingeständnis ist Lindner peinlich, weil es seine Talkshowmärchen entlarvt. Ob Illner oder Maischberger ihn in der nächsten Talkshow darauf ansprechen? Wohl kaum. Und zu Lanz und Hart aber Fair geht er ja ohnehin nicht.
Ich genieße wenige Dinge so sehr wie ehrlich empfundene Peinlichkeit bei der FDP - vielen Dank für den wie immer guten Artikel :D
Maurice, ich hätte eine Frage an dich; was hältst du wirtschaftspolitisch und generell vom BSW, wie würdest du sie einordnen?
Hallo Maurice, danke für diese Darstellung eines komplizierten Themas. Beschlüsse um Mitternacht vor leeren Rängen zusammen mit völlig anderen Inhalten geben mir leider trotzdem einen faden undemokratischen Beigeschmack :(