Die Inflation ist vorbei!
Seit einem halben Jahr fallen die Preise, langsam, aber sicher. Nur leider haben das die Journalisten und die Zentralbank noch nicht mitbekommen.
Es gibt sie noch, die gute Nachrichten. Eine solche lautet: Die Inflation ist vorbei. Ja, richtig gelesen: Die Inflation ist vorbei!
Eigentlich wäre das ein Grund zum Jubeln, für die Regierung und auch die Europäische Zentralbank. Nur: Es jubelt keiner. Kein Sekt, kein Konfetti, keine Jubelmeldungen in den Zeitungen.
Der Preisschock ist auf dem Rückzug. Alle Daten sprechen dafür. Alle Kommentatoren, die von »hartnäckiger Teuerung« faseln, liegen schlicht falsch.
Im Gegenteil: Noch immer gibt es neue Warnungen von Ökonomen, Journalisten und der EZB-Chefin selbst. Die Tagesschau titelte zum Beispiel gestern: »Hartnäckig steigende Preise: Das Thema Inflation ist noch lange nicht abgehakt«. In der Analyse schreibt Tagesschau-Korrespondent Klaus-Rainer Jackisch:
»So zog die Inflationsrate in Deutschland nach hiesiger Berechnungsweise im Dezember im Vergleich zum Vorjahr auf 3,7 Prozent an nach 3,2 Prozent im Vormonat. […] Vor allem bei Nahrungsmitteln gibt es keine Entspannung, sondern wieder anziehende Preise. […] All das zeigt: Das Problem der Inflation ist noch nicht erledigt. Die Teuerung hält sich hartnäckig.«
Seine Schlussfolgerung: »Vorerst gilt es als ausgeschlossen, dass die Europäische Zentralbank den Leitzins antastet«. Und tatsächlich hat die EZB den Leitzins gestern nicht gesenkt, sondern weiter auf dem hohen Niveau von 4,5 Prozent gelassen. Die EZB-Chefin Lagarde sagte dazu vor einer Woche im Weltwirtschaftsforum: »Wir befinden uns auf dem richtigen Pfad in Richtung unseres Inflationsziels von zwei Prozent, aber wir haben es noch nicht erreicht«.
Wohl dem, der Statistiken lesen kann!
»Seht nur richtig hin«, will ich ihnen zurufen. Um zu sehen, dass die Inflation vorbei ist, braucht man nämlich weder Geheiminformationen noch komplizierte Mathematik. Man braucht noch nicht einmal andere Statistiken als die, die auch Jackisch nutzt.
Zugegeben: Den Fehler, den Jackisch für die Tagesschau begeht, begehen Wirtschaftsjournalisten jeden Monat, wenn das Statistische Bundesamt die neuen Inflationszahlen bekannt gibt. Sie vergleichen nämlich die Vorjahreswerte miteinander und schließen daraus, ob sich die Preise erhöht haben oder nicht. Die Preise zögen an, schreibt Jackisch, weil die Inflationsrate im Dezember größer sei als im November. Dabei vergleicht er aber zwei Veränderungsraten, die sich gar nicht vergleichen lassen. Nur ein Beispiel, um den Unsinn zu demonstrieren: Die Inflationsrate im Dezember hätte auch gestiegen sein können, wenn die Preise im Dezember 2022 schneller gefallen wären als 2023. Mit den Zahlen vom November 2023 hat das gar nichts zu tun.
Besser, man schaut auf den Index. Und siehe da: Das Preisniveau war im Dezember mit 117,4 Indexpunkten wohlwollend aufgerundet ganze 0,1 Prozent größer als im November. Lebensmittel hingegen waren genauso teuer wie im Vormonat. Von wegen hartnäckige Teuerung und anziehende Preise!
Noch interessanter ist aber der Vergleich zum Sommer. Ein-Monats-Vergleiche geben eh keinen Aufschluss darüber, ob es Inflation gibt oder nicht. Weil viele Preise monatlich schwanken, etwa die Ölpreise, lässt sich aus so kurzen Zeiträumen längst kein Trend ableiten.
Gehen wir also noch ein paar Monate zurück. Von September bis Dezember sind die Preise um 0,4 Indexpunkte oder 0,34 Prozent gefallen. Errechnet man daraus einen Jahrestrend, liegt die Inflationsrate bei minus (!) einem Prozent (Hilfe! Deflation?), und nicht bei 3,7 Prozent.
Schon seit April gibt es kaum noch Aufwärtsdynamik bei den Verbraucherpreisen. Um lediglich 0,7 Prozent sind die Preise seither gestiegen. Aufs Jahr gerechnet entspricht das einer Rate von 0,9 Prozent. Also weit unter dem Inflationsziel der EZB von zwei Prozent. Erde an Frau Lagarde: Sie segeln schnurstracks auf das Inflationsziel zu!
Noch besser sieht es bei den vorgelagerten Wirtschaftsstufen aus. Der Index für Erzeugerpreise liegt mittlerweile bei 144,5 und damit 1,7 Prozent niedriger als im September, 4,4 Prozent niedriger als im April und 16 Prozent niedriger als am Hochpunkt im September 2022. Ähnlich ist es bei den Importpreisen. Die liegen bei 126,9 und damit 0,2 Prozent über dem September, aber 1,3 Prozent unter dem April und 15 Prozent unter dem Hochpunkt vom August 2022. Müsste Frau Lagarde eigentlich alles wissen, wenn sie doch, wie sie immer sagt, alle Entscheidungen »datengestützt« trifft.
Der Preisschock ist auf dem Rückzug. Alle Daten sprechen dafür. Alle Kommentatoren, die von »hartnäckiger Teuerung« faseln, liegen schlicht falsch. Das werden sie wohl auch spätestens im Februar einräumen müssen. Angenommen, der Index der Verbraucherpreise steht dann noch bei 117 Komma ein paar Gequetschte, dann fällt die Inflationsrate im Jahresvergleich auf knapp unter zwei Prozent. Man darf also gespannt sein, was Jackisch und die Tagesschau im Februar schreiben werden. Vom großen Preisfall (was ja falsch wäre) und dem Ende der Inflation? Das zeigt vor allem, wie unsinnig dieser Warn-Artikel jetzt war.
Die Ampel bringt sich ums Konfetti
Ach, fast vergessen: Die Ampel hat ja mit dem neune Haushalt ganz viele Steuern und Abgaben erhöht, also zum Jahreswechsel für höhere Preise gesorgt. Die Mehrwertsteuer in der Gastro steigt, der CO2-Preis macht das Tanken und Heizen teurer, die Preisbremsen laufen aus, die Netzentgelte steigen, ebenso die LKW-Maut und dann im März auch noch die Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme. Heißt: Womöglich steigt der Preisindex im Januar (und März) nochmal an und bleibt nicht bei 117.
Das allerdings ist keine Inflation, wie Ökonomen sie verstehen, sondern eine einmalige Anhebung des Preisniveaus. Inflation wäre das nur, wenn die Preise dauerhaft steigen würden.
Das Statistische Bundesamt nennt das dann einen Basiseffekt, weil es die Statistik verzerrt. Verglichen werden dann nämlich Preise bei unterschiedlichen Steuersätzen. Äpfel und Birnen für die Statistiker. Die Erklärung dazu findet man dann demnächst in deren Pressemitteilung ganz unten.
Die Ampel bringt mit den Teuerungen zum Jahreswechsel nicht nur die Verbraucher und die Statistiker gegen sich auf, sondern beraubt sich auch einer eigenen Jubelmeldung. Und mal ehrlich: Das Ende der Inflation zu verkünden, hätte der Ampel angesichts der historisch schlechten Zustimmungs- und Zufriedenheitswerte gut zu Gesichte gestanden. Und würde vor allem der AfD Wind aus den Segeln nehmen, zumal genau jetzt, wo die Menschen gegen die AfD demonstrieren und wichtige Wahlen anstehen. Hätte, hätte, Fahrradkette - die Ampel verbockt sich die Jubelmeldung, weil sie lieber verkündet, der Schuldenbremse treu zu sein.
Um kein Missverständnis zu erzeugen: Nur weil die Inflationsrate wieder unter zwei Prozent liegt, heißt das natürlich nicht, dass die Menschen ihre verlorene Kaufkraft wiederhaben. Dafür müssten die Preise wirklich fallen (also der Indexwert) oder die Löhne weiter steigen. Zur Erinnerung: Die Reallöhne lagen im dritten Quartal 2023 sage und schreibe 5,7 Prozent unter dem Niveau von 2019. Diesen Verlust gilt es noch wettzumachen.
Auf das alte Preisniveau von vor dem Ukrainekrieg werden die Preise natürlich nicht wieder fallen. Das müssen sie auch gar nicht, um die Kaufkraft von damals wiederherzustellen. Denn die Löhne, das Bürgergeld, das Kindergeld, die Renten und die steuerlichen Freibeträge sind ja auch alle gestiegen. Schon jetzt ist aber absehbar, wenn man auf die Tarifabschlüsse schaut, dass die Reallöhne vieler Menschen in diesem Jahr steigen. Wie gesagt, es gibt sie also noch: Die guten Nachrichten!
Ich warte auf die Talkshow, im ÖRR oder sonst wo, in der jemand das einfach mal klarstellt. Warum lädt Lanz nicht mal Lindner und Habeck ein und hält ihnen diese paar Zahlen vor? Hinter Lanz, Maischberger und Co. sollten doch genug Experten stehen, dass zumindest einer mal auf die Idee kommt.
Ein fähiger Therapeut macht sich an die Ursache(n) einer Krankheit und lindert die Symptome, kann aber zwischen Ursachen und Symptomen unterscheiden.
Die EZB scheint noch nicht so weit zu sein und reagiert auch nur mit dem Mittel der Geldpolitik darauf.
Wenn man es nicht besser weiß und vielleicht auch noch weniger kann, brauchr das nicht zu verwundern.
Dabei würde eine fähige Politik das Catweazle-Stadium der Inflationserkenntnis schnellstens überwinden und von dessen Keilschrift-Logik direkt den Schritt ins Computerzeitalter mit hinreichender Vernetzung nicht wagen, sondern vollziehen.
Denn das eigentliche Wagnis ist die Beibehaltung des Status Quo.
Erwas weiter unten als Antwort auf die Inflationsursache(n) kann man dann mehr lesen, was darunter so zu verstehen ist.