Wie die Schuldenbremse Kokain-Banden hilft
Weil Organisierte Kriminalität auf kaputtgesparte Sicherheitsbehörden trifft, breitet sie sich immer weiter aus. Bestes Beispiel: Der Hamburger Hafen
Während das ganze Land tagein tagaus über Asylpolitik debattiert, breitet sich die Organisierte Kriminalität immer weiter aus. Über Asyl gibt es eine Talkshow nach der nächsten; aber nicht darüber, wie Drogenschmuggler, Menschenhändler und Geldwäscher zunehmend die Überhand gegen unterbesetzte und kaputtgesparte Behörden gewinnen. Das BKA schätzt den jährlichen Schaden auf fast drei Milliarden Euro. Tendenz: stark steigend. Die Dunkelziffer dürfte größer sein – viel größer.
Die Schuldenbremse schwächt den Staat und stärkt seine schlimmsten Feinde.
Kokain. Geldwäsche. Gewalt.
Beispiel: Kokain. Als letztes Jahr am Hamburger Hafen 35 geschmuggelte Tonnen gefunden und sichergestellt wurden, hat das den Straßenpreis nicht verändert. Weil solche Funde zwar groß klingen, aber nur die Spitze des Eisbergs seien, wie Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter im letzten Sommer erklärte. Heißt: 35 Tonnen sind nur ein Bruchteil des Angebotes auf einem mittlerweile schier riesigen Markt. Sonst hätte ein verknapptes Angebot den Preis auf dem Markt ja nach oben getrieben.
Am Kokain-Markt erzielt die Organisierte Kriminalität schwindelerregende Renditen. Die Umsätze steigen, der Konsum ebenso – und damit auch die Gewalt der Kokain-Banden. Sie schwappt rüber aus Belgien und den Niederlanden. Auftragsmorde, Bombenanschläge, Entführungen. Die Organisierte Kriminalität zersetzt die ehrliche Wirtschaft, unterwandert die Gesellschaft und zerrüttet das Vertrauen in den Staat.
Fast jedes zweite Verfahren im Bereich der Organisierten Kriminalität hat mit Drogen zu tun. Und wo Drogen geschmuggelt werden, werden Menschen bedroht, bestochen und ermordet; und werden Gelder gewaschen und in Immobilien, Firmen und Luxus investiert. Kokain ist besonders beliebt, weil der Aufwand mit extremen Margen belohnt wird. Ein Kilo aus Südamerika kostet zwischen 1.000 und 3.000 Euro, aber kann in Deutschland für 80.000 bis 100.000 Euro verkauft werden. Ein Gelddruckmaschine für Banden und die Mafia. Die Strukturen werden zunehmend professioneller, die Firmengeflechte und digitale Infrastruktur ausgefeilter, die Waffen martialischer und die Gewalt roher. Nachwuchsprobleme gibt es nicht, weil perspektivlose Jungs mit den Versprechen des schnellen Geldes gelockt werden.
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Auf der anderen Seite: ein kaputtgesparter Zoll
Demgegenüber steht ein Zoll, der seit Jahren über zu wenig Personal, zu wenig Geld und zu viel Arbeit klagt. Der Zoll soll eigentlich das Bollwerk gegen Organisierte Kriminalität sein, muss aber immer mehr Pakete mit Billigartikeln aus Fernost kontrollieren, mit veralteter Technik agieren und die eigene Mängelliste verlängern. Während die Banden aufrüsten!
Der Zoll sei bis auf seine lebenserhaltenden Funktionen zusammengespart worden. Wie solle er da jetzt gegen die Banden maximale Stärke zeigen, fragt der Chef der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft, Thomas Liebel.
Es fehlen die Mittel für wichtige Investitionen, etwa für Lage- und Einsatzzentralen mit neuester Digitalfunktechnik und Anlagen zur Überwachung der Telekommunikation von Straftätern. Auch ist zu wenig Geld da für die Neubeschaffung von Röntgengeräten, kriminaltechnischen IT-Systemanlagen für den Zollfahndungsdienst und die Finanzkontrolle Schwarzarbeit sowie für die Erneuerung der Software in den Zollämtern. Nicht einmal die verlangten Mittel für Mietkosten sowie Verbrauchsmittel wie Benzin und Diesel werden im Haushalt vollständig gedeckt. Für die Ersatzbeschaffung von Dienstfahrzeugen soll sogar mehr als die Hälfte des Geldes fehlen – obwohl rund 600 marode Fahrzeuge dringend ersetzt gehörten. „Ohne die Deckung der Ausgabeposten durch Mittel, die eigentlich für Investitionen vorgesehen sind, kann der Zoll seinen laufenden Betrieb nicht mehr gewährleisten“, so Liebel gegenüber der Welt.
Darüber habe er auch immer wieder mit der Ampel gesprochen, im Haushalt wiedergefunden habe sich das aber nicht. 2024 stand dem Zoll sogar 110 Millionen Euro weniger als 2023 zur Verfügung. Seit 2020 ist das Budget im Bundeshaushalt nur um sieben Prozent gewachsen, das Preisniveau aber um 21 Prozent. Heißt: Inflationsbereinigt ist das Budget für den Zoll sogar geschrumpft. Und das, obwohl schon 2020 rund 4.000 Stellen unbesetzt waren, also etwa jeder zehnte. Immerhin (kann man fast nur noch zynisch festhalten): 2024 wurde auf den letzten Drücker verhindert, dass die Vorgabe von Christian Lindner, in allen Verwaltungen pauschal 1,5 Prozent der Stellen einzusparen, auch für den Zoll gelten sollte.
Auch Frank Buckenhofer, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) im Zoll, klagt seit Jahren über die desolaten Zustände, mit denen die Beschäftigten auskommen müssen und die Vernachlässigung durch die Politik. „Der Zoll könnte kaum stiefmütterlicher geführt werden“, so sein vernichtendes Urteil zuletzt gegenüber der Welt. Man habe sich an die deutlich gestiegene Kriminalitätslage nicht „ernsthaft gestärkt“ angepasst.
Die Nachbarn rüsten auf, und die Banden weichen aus
Antwerpen ist der größte Kokain-Importhafen Europas. 40 Prozent des beschlagnahmten Kokains in Europa kommen aus Belgien, das allermeiste davon aus Antwerpen. 2013 wurden in Antwerpen lediglich 4,7 Tonnen beschlagnahmt, 2023 bereits 116 Tonnen. Aber: Dort hat man die Lehren gezogen und rüstet die Sicherheitstechnik auf. Drohnen, Videokameras, Röntgenanlagen.
Diese Röntgenscanner zählen zu den wichtigsten Geräten, um Kokain-Container zu finden. Antwerpen hat elf Röntgenscanner, viele weitere in Anschaffung. In Rotterdam hat jedes (!) Terminal auf der Hafeninsel Maasvlakte einen Scanner für die Container, die hereinkommen. Acht Terminals, acht Scanner. Und Hamburg? Hat eine Röntgenstraße. Und die liegt auch noch außerhalb der Terminals. Eine Einladung an Banden, um auf den Weg vom Boot zur Röntgenanlage Kokain aus Containern verschwinden zu lassen.
Zur Einordnung: Diese Anlage schafft lediglich rund 180 Container pro Tag. Wenn das dafür geschulte Personal da ist, die Technik nicht spinnt und alles gut läuft. Pro Tag kommen aber rund 20.000 Container am Hamburger Hafen an. Weitere Röntgenanlage sind in Anschaffung, auch mobile Geräte. Die müssen allerdings europaweit ausgeschrieben werden. Das dauert. Und außerdem fehlt: Geld.
Da die Nachbarhäfen aufrüsten und eine höhere Kontrolldichte gewährleisten, weichen die Kokain-Banden immer häufiger aus. Sie wählen schließlich die Routen des geringsten Widerstandes. Und das ist nun mal der Hamburger Hafen, wo die Sicherheit durch lahme Bürokratie und gefährliche Sparwut aus Berlin gebeutelt wird. Ein weiteres Symbol dafür ist auch das neue Hafensicherheitszentrum. Ein Raum, in dem Beamte des LKA und Zoll gemeinsam mit Polizisten und Hafenmitarbeitern die Sicherheitslage koordinieren. Sie sollen der einzige Anlaufpunkt für alle Hinweise, alle Fragen rund um den Drogenschmuggel im Hamburger Hafen sein. Das Problem: sie sind zu wenige, meistens keine zehn Leute. Wohlgemerkt: Für 20.000 Container pro Tag und mehr als sieben Millionen pro Jahr.
Die Schuldenbremse hilft Kriminellen
Mal herausgezoomt: Zu wenig Geld und Personal für Sicherheitsbehörden hat natürlich auch mit fehlgeleiteter Sparpolitik zu tun. Und mit der Schuldenbremse. Sie lässt nicht nur Brücken und Straßen verkommen, sondern gefährdet die Sicherheit des Landes. Spitz formuliert: Die Schuldenbremse schwächt den Staat und stärkt seine schlimmsten Feinde: Kriminelle.
Warum gibt es eigentlich im Wahlkampf keine Talkshow dazu?
Genau! Die Diskussionen drehen sich um die Migranten als das größte Problem in unserem Land. Die CDU kreiert Vorschläge im Bundestag, die von der AfD zu stammen scheinen und erhofft sich mehr Wählerstimmen. Ganz im Geiste Horst Seehofers „ Die Mutter aller Probleme etc…“ Solange wir uns nicht um eine funktionierende Infrastruktur kümmern, klappt es auch nicht mit der Integration. Der Fokus ist falsch aber wenn diese Themen nicht in die Diskussion einfließen, sehe ich schwarz, nein braun. Danke Maurice, dass Du wieder mal echte Probleme aufgreifst und den Finger in die Wunde legst.
Dazu kommt noch, dass immer mehr Menschen von Armut bedroht sind und Geflüchtete nicht arbeiten dürfen. Die organisierte Kriminalität hat bestimmt weniger Nachwuchssorgen als der Zoll.