Elterngeld: seit 17 Jahren kein Inflationsausgleich!
Seit 2007 wurden die Elterngeldsätze nicht verändert und so von der Inflation entwertet. Diese Parteien wollen das ändern
Gestern wurde im Bundestag der Abbau der kalten Progression beschlossen. Also: ein Inflationsausgleich bei der Einkommensteuer. Es dürfe schließlich keine heimlichen Steuererhöhungen geben, sagte FDP-Chef Lindner. Dabei gibt es durch die Inflation bei vielen anderen Steuern auch heimliche Erhöhungen. Oder eben heimliche Kaufkraftverluste bei Sozialleistungen. Zum Beispiel dem Elterngeld. Und das schon „heimlich“ und “unbemerkt“ seit sage und schreibe 17 Jahren. Seit 2007 wurden der Mindestsatz und der Höchstsatz des Elterngeldes nicht mehr angepasst!
Zur Erklärung: Mindestens 300 Euro im Monat bekommen Eltern, wenn sie wenig oder gar kein Einkommen vor der Geburt des Kindes hatten. Und höchstens 1.800 Euro im Monat, wenn das Nettoeinkommen größer als 2.770 Euro ist. Die Grundregel für alle dazwischen ist: als Elterngeld werden 65 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens gezahlt. Dazu kommen einkommensabhängige Zuschläge für alle mit weniger als 1.240 Euro Nettoeinkommen (vereinfacht: wer weniger hat, bekommt höhere Sätze).
Elterngeld um fast die Hälfte entwertet
Das Problem: seit 2007 sind die Verbraucherpreise um 42 Prozent gestiegen. Das hat das Elterngeld fast um die Hälfte entwertet. Die 300 Euro Mindestsatz haben heute nur noch eine Kaufkraft von 211 Euro. Die 1.800 Euro Höchstsatz nur noch 1.268 Euro. Die Frage stellt sich: Wo bleibt der Inflationsausgleich für das Elterngeld?
Wichtig: Am stärksten betroffen sind von der heimlichen Entwertung diejenigen, die den Mindest- oder Höchstsatz bekommen. Wobei die Entwertung des Mindestsatzes die ärmsten Familien trifft und damit deutlich schmerzhafter ist. Rund 250.000 Eltern beziehen den Mindestsatz und sind davon betroffen, also grob jede vierte Familie, die Elterngeld bezieht.
Da seit 2007 nicht nur die Inflation, sondern auch die Einkommen gestiegen sind, gibt es zudem immer mehr Familien, die den Höchstsatz bekommen. Zu Beginn waren es nur grob 37.000 Familien, heute sind es fast 150.000, also viermal so viele. Und jede dieser 150.000 Familien aus der Mittelschicht kann sich für den Höchstsatz heute 42 Prozent weniger kaufen als 2007. Anders gesagt: Mittelschichtsfamilien mit Kindern gemessen am Elterngeld der Lebensstandard um fast die Hälfte gekürzt!
Auch geprellt werden diejenigen, die Anspruch auf Zuschläge hätten. Weil auch diese Grenze nicht mit der Inflation angehoben wurde, bekommen heute rund 50.000 Familien weniger einen Zuschlag als bei der Einführung. Und obendrauf grob geschätzt 250.000 Familien geringere Zuschläge, weil die Zuschlagshöhe vom Einkommen abhängt – und größer ist, je kleiner das Einkommen. Hätte man die Zuschlagsgrenze mit der Inflation angehoben, müsste sie heute bei 1.760 Euro Nettoeinkommen liegen – und nicht mehr bei 1.240 Euro. Wer also heute weniger als die 1.760 Euro hat, gehört auch zu den Inflationsgeprellten.
Allein die kleine Gruppe, die über der Zuschlagsgrenze und unter dem Höchstsatz liegt, hat die Inflation ausgeglichen bekommen – und wurde nicht geprellt. Weil die mit der Inflation gestiegenen Einkommen nach wie vor zu 65 Prozent als Elterngeld ersetzt werden. Mit den Zahlen vom Statischen Bundesamt lässt sich das zwar nicht ganz genau abgrenzen, aber diese Gruppe dürfte nur rund einem Viertel der Elterngeldbezieher entsprechen. Ein Viertel wurde verschont, Dreiviertel haben verloren.
Außerdem hat die Ampel die Einkommensgrenze, ab der Eltern kein Elterngeld mehr bekommen, in ihrer Legislatur gekürzt: erst von 300.000 Euro auf 200.000 Euro, und ab April 2025 sinkt die Grenze erneut auf 170.000 Euro. Das trifft rund fünf Prozent der bisherigen Elterngeld-Familien, natürlich die mit den höchsten Einkommen, und führt zu Einsparungen im Bundeshaushalt von rund 300 Millionen Euro. Statt mit diesen 300 Millionen aber an die Mindestsätze anzuheben, wurde das Geld allein für Lindners Sparwahn genutzt. Was für eine Verschwendung!
Einige Parteien versprechen den Inflationsausgleich
Immerhin findet sich die Forderung nach einem Inflationsausgleich in einigen Wahlprogrammen. Die Grünen etwa wollen „den Mindest- und Höchstbetrag auf 400 bzw. 2.400 Euro“ erhöhen. Die Linkspartei plant den Mindestbetrag beim Elterngeld auf 420 Euro anzuheben. Zudem sollen Mindest- und Höchstbeträge „an die Entwicklung des allgemeinen Verbraucherpreisindex gekoppelt“, also an die Inflation angepasst werden. Und selbst die FDP verspricht höhere Mindest- und Höchstbeträge samt zukünftigen Inflationsausgleich. Konkrete Zahlen findet man im Programm der FDP aber nicht. Die CDU will das Elterngeld generell verbessern, erwähnt den Inflationsausgleich aber nicht explizit. Ebenso die SPD.
Nicht zu vergessen ist allerdings, dass CDU, SPD, FDP und Grüne den Inflationsausgleich schon in den letzten 17 Jahren hätten beschließen können.
Um allerdings allein die Kaufkraftverluste seit 2007 auszugleichen, müsste der Mindestsatz auf 426 Euro und der Höchstsatz auf 2.556 Euro steigen. Dazu die Zuschlagsgrenze auf die erwähnten 1.760 Euro. Also: Alle Sätze müssten höher liegen, als die Parteien gar in ihren bekanntlich überambitionierten Programmen versprechen. Und selbst dann hätte das Elterngeld nur den Wert von 2007 zurück – und nicht mehr. Sprich: das wäre kein Fortschritt, man hätte nur den Rückschritt aufgeholt.
Nicht zu vergessen ist allerdings, dass CDU, SPD, FDP und Grüne den Inflationsausgleich schon in den letzten 17 Jahren hätten beschließen können. All zu große Hoffnungen sollet man sich von den Versprechen in den Programmen also nicht machen. Leider!
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Bewundernswert! Woher hast du nur immer deine Daten? Stat. Bundesamt, Deutschlandatlas und Bundesgesetzblatt sind klar und bei den Ländern finde ich auch etwas. Schwierig finde ich aber Gesetzentwürfe und ihren aktuellen Stand zu verfolgen.
Das Elterngeld soll doch Familien fördern, oder? Allein aufgrund der Alterspyramide muss doch die Motivation aller Politiker bedeutend höher sein, Familien zu fördern und zu unterstützen, von der nachgelagerten Bildung und Ausbildung ganz zu schweigen. Das steht doch sogar in Artikeln 6 und 20 GG.
Aber meine Vermutung ist, dass alles, was über eine Wahlperiode plus ein paar Monate hinausgeht, ausgeblendet wird.
"Mittelschichtsfamilien mit Kindern gemessen am Elterngeld der Lebensstandard um fast die ( (xxxx)gekürzt!"
Hier fehlt leider ein Wort.
Ein sehr guter Artikel. Danke fūr deine Arbeit.
Liebe grüße