Keine Steuer über Weihnachten?
Um das Weihnachtsgeschäft anzukurbeln, streicht Kanada für zwei Monate die Mehrwertsteuer. Eine gute Idee?
In Deutschland lahmt der Konsum, weil die Inflation die Kaufkraft angefressen hat. Die Krisenverluste sind noch immer nicht wettgemacht. Symbolisch dafür: Der Dekohändler Depot musste Insolvenz anmelden, Filialen schließen und Mitarbeiter entlassen, weil die Kosten gestiegen sind, aber die Deutschen noch immer 14 Prozent weniger für Einrichtung ausgeben als 2019. Nötig wäre längst ein Konjunkturpaket. Eine „Bazooka“ oder ein „Wumms“, wie auch immer der Kanzler es genannt hätte. Aber: Daraus wird jetzt nach dem Ampel-Aus natürlich nichts mehr.
Es lohnt aber ein Blick nach Kanada. Dort steht Premierminister Justin Trudeau politisch ebenso unter Druck wie der Kanzler hier. In Umfragen führen die Konservativen, die kanadische Wirtschaft war in Folge von Corona und Ukraine-Krieg eingebrochen, hat sich aber immerhin im Gegensatz zur Deutschen schon wieder erholt, liegt über Vorkrisenniveau und wächst dieses Jahr mit 1,1 Prozent. Das ist nicht viel, aber immerhin besser als die Stagnation in Deutschland. Auch in Kanada hat die Inflation aber die Reallöhne angefressen und für viel Frust bei den Wählern gesorgt. Dagegen kämpft Trudeau jetzt mit einer ungewöhnlichen Maßnahme.
Weihnachtseinkäufe steuerfrei
Kurz vor Weihnachten streicht Kanada für zwei Monate die Mehrwertsteuer auf eine ganze Palette an Produkten: Lebensmittel, Getränke, Kinderwaren, Kinderkleidung, Bücher, Spielkonsolen, Restaurantbesuche und Weihnachtsbäume. Dafür verzichtet der Bund auf 1,1 Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Eine Familie, die in der Zeit 1.400 Euro für ihre Einkäufe ausgibt, würde damit 70 Euro an Bundes-Mehrwertsteuer sparen.
Generell gilt: Genau die Steuern zu senken, die Einkäufe verteuern, ist eine gute Idee.
Aber das ist noch nicht alles. Denn neben der Bundes-Mehrwertsteuer schlagen die Provinzen noch eigene Mehrwertsteuersätze zwischen null und zehn Prozent auf. Die gesamte Mehrwertsteuer liegt also zwischen fünf und 15 Prozent. Im Höchstfall würde die Familie also umgerechnet 210 Euro sparen – und die Provinzen entsprechend auf Einnahmen verzichten.
Gut gedacht, schlecht gemacht
Generell gilt: Genau die Steuern zu senken, die Einkäufe verteuern, ist eine gute Idee. Davon profitieren kleine und mittlere Einkommen überproportional, weil sie einen viel größeren Teil ihres Einkommens für Einkäufe ausgeben als Spitzenverdiener. Eine Zahl, die das für Deutschland beweist: Die obersten zehn Prozent verdienen ein Drittel aller Einkommen, bezahlen fast 60 Prozent der gesamten Einkommensteuer, aber nur 20 Prozent der gesamten indirekten Steuern (inklusive Mehrwertsteuer). Umgekehrt verdienen die untersten zehn Prozent nur 2,6 Prozent aller Einkommen, zahlen aber 5,4 Prozent aller indirekten Steuern. Noch deutlicher: Die untere Hälfte verdient nur 24 Prozent aller Einkommen, aber zahlt 36 Prozent aller indirekten Steuern. Indirekte Steuern sind also armenfeindliche Steuern.
Die Mehrwertsteuer aber nur für eine kurze Zeit von zwei Monaten zu senken, sorgt für praktische Probleme. In dem Wissen, dass Einkäufe ab dem 14. Dezember günstiger werden, schieben Verbraucher ihre Einkäufe auf. In den nächsten zwei Wochen dürfte der Umsatz also erstmal zurückgehen, bevor den Läden dann – überspitzt formuliert – die Türen eingerannt werden. Umgekehrt gilt: Vor dem Ende der Steuerbefreiung am 15. Februar werden Einkäufe vorgezogen und die Vorratsschränke gefüllt. Statt einer normalen, planbaren Auslastung der Geschäfte, erzeugt die Steuerbefreiung künstliche Ups und Downs. Das ist für die Geschäfte ein Problem, weil sie ihre Einkäufe und Lagerhaltung daran anpassen und umstellen müssen – und verursacht vermeidbare Kosten. Dazu kommt: Ärmere Familien können sich nicht leisten, Käufe im großen Stil vorzuholen, geschweige denn aufzuschieben. Weil Kühlschrank wie Bankkonto höchstens knapp gefüllt sind und wenig Spielraum für „strategisches Einkaufen“ besteht.
Besser als eine Kurzfrist-Streichung wäre also eine Absenkung über einen längeren Zeitraum. Die Ersparnis wird dann zwar etwas gestreckt, die praktischen Probleme aber reduziert. Bei einer dauerhaften Reduzierung würden sie sogar ganz vermieden. Außerdem wäre die Entlastung gerechter verteilt und die Finanzlage der Provinzen verschont, wenn nur die Bundes-Mehrwertsteuer gestrichen würde – dafür dann aber eben über einen längeren Zeitraum.
Sollte Deutschland Kanada nachmachen?
Ja, Mehrwertsteuersenkungen wären ideal für ein Konjunkturpaket und würden den lahmenden Konsum ankurbeln. Kopieren ließe sich das aus Kanada hierzulande aber nicht. Weil es für die Mehrwertsteuersätze in der EU fest Vorgaben gibt. Einfach den Steuersatz auf Weihnachtsbäume und Kinderwaren streichen, würde gegen EU-Recht verstoßen.
Was aber sehr wohl ginge, wäre die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel zu streichen, denn dafür gibt es seit 2022 eine Ausnahme im EU-Recht. Davon hat auch Spanien Anfang 2023 Gebrauch gemacht, um die Inflation zu dämpfen. Erst jetzt im Oktober hat Spanien die Mehrwertsteuer wieder aufgehoben.
Alternativ ließe sich nach EU-Recht außerdem noch die Mehrwertsteuer auf Strom von 19 auf 7 Prozent reduzieren. Da jeder Haushalt Strom verbraucht, wäre auch das eine wirksame Entlastung. Die deutsche Konjunktur hätte es bitternötig. Zu erwarten ist das aber nicht. Schon gar nicht zur Weihnachtszeit. Schade!
Prinzipiell eine gute Idee zum drüber nachdenken. Besser fände ich es wenn z.B. die Mehrwertsteuer für die Gastronomie wieder auf 7% reduziert wird. Dazu finde ich, dass die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel auf Null gesetzt wird. Um den fairen Handel zu stützen sollten Importsteuern auf Produkte die die ILO-Grundnormen nicht erfüllen deutlich erhöht werden.
Und natürlich am Besten den Mindestlohn hier bei uns deutlich erhöhen auf 15€+.
Sehr gute Idee, die MwSt auf Grundnahrungsmittel dauerhaft zu streichen. Das würde genau denen helfen, die es am nötigsten haben. Nur geht dann sicher der Streit los, was genau dazu zählt und was nicht.