Lasst die Mütter in Ruhe!
Warum sich Kürzungen beim Elterngeld verbieten und die Ausweitung der Mütterrente überfällig ist
Deutschland altert und ausgerechnet für Mütter soll esbald weniger Geld geben? Während die Koalitionsverhandlungen laufen, mehren sich die Kürzungsvorschläge, die gegen die gerichtet sind, die noch immer den Großteil der harten, unbezahlten Sorgearbeit schultern, dafür aber mit Altersarmut und Pay Gap gestraft werden: Mütter.
Für die, die bald Kinder bekommen, wird das Elterngeld in Frage gestellt. FAZ-Journalistin Julia Löhr forderte im Presseclub, das Elterngeld abzuschaffen, um acht Milliarden Euro im Haushalt zu sparen. Dasselbe fordert Ifo-Chef Clemens Fuest. Das Elterngeld sei ein „nice to have“, das man streichen könne, so der Ökonom.
Und für die, die ihre Kinder längst erzogen (und dafür ihre Karrieren hintangestellt) haben, wird die von Schwarz-Rot geplante Ausweitung der Mütterrente als teures Wahlgeschenk verunglimpft. Die Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer und Veronika Grimm halten die Mütterrente für aus der Zeit gefallen und ein „reines Wahlgeschenk“. Ähnlich scharfe Töne schlagen die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, und der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, an.
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Elterngeld: 17 Jahre entwertet
Wer wie Fuest das Elterngeld als „nice to have“ kleinredet, ist von der Lebensrealität der Mittelschicht so weit entfernt wie der Mars von der Erde. Die bittere Realität ist: Ohne Elterngeld könnten sich viele Paare aus der Mittelschicht gar kein Kind leisten, weil ein Partner auf das volle Gehalt verzichten müsste. Und das wären in den meisten Fällen: die Mütter.
Und selbst doppelte Gehälter ermöglichen bei mittleren Einkommen vor der Elternzeit keine derartigen Ersparnisse, von denen man in der Elternzeit zehren und auf Gelder vom Staat verzichten könnte. Als junges Paar ist man schließlich erst ein paar Jahre im Beruf gewesen, hat nur Einstiegsgehälter verdient und womöglich nur befristete Verträge gehabt. Nennenswerte Ersparnisse? Fehlanzeige. Woher auch?
In der Regel muss der Lebensstandard auch mit Elterngeld eingeschränkt werden, weil das ja nur etwa Zweidrittel des Gehaltes kompensiert. Ein Drittel fällt also weg. Dazu kommt: Das Elterngeld wurde in den letzten 17 Jahren klammheimlich entwertet. Denn anders als bei anderen Sozialleistungen wurden der Mindest- und der Höchstsatz seit 2007 nicht angepasst – trotz Inflation.
Wer das Elterngeld abschaffen will, sollte zu Gleichberechtigung und Feminismus in Zukunft besser schweigen.
Zur Erklärung: Mindestens 300 Euro im Monat bekommen Eltern, wenn sie wenig oder gar kein Einkommen vor der Geburt des Kindes hatten. Und höchstens 1.800 Euro im Monat, wenn das Nettoeinkommen größer als 2.770 Euro ist. Die Grundregel für alle dazwischen ist: als Elterngeld werden 65 Prozent des vorherigen Nettoeinkommens gezahlt.
Das Problem: seit 2007 sind die Verbraucherpreise um 42 Prozent gestiegen. Das hat das Elterngeld fast um die Hälfte entwertet. Die 300 Euro Mindestsatz haben heute nur noch eine Kaufkraft von 211 Euro. Die 1.800 Euro Höchstsatz nur noch 1.268 Euro. Statt das Elterngeld abzuschaffen, sollte sich die Frage stellen: Wo bleibt der Inflationsausgleich?
Naja, sagen Kritiker des Elterngeldes, sollen die Mütter halt eher wieder arbeiten gehen. Die Abschaffung wäre ein Erwerbsanreiz, heißt es dann zynischerweise. Zynisch deshalb, weil Existenznot kein Anreiz im eigentlichen Sinne, sondern eher knallharte ökonomische Erpressung ist. Was die Kritiker außerdem verschweigen: Um wieder arbeiten gehen zu können, bräuchte es bezahlbare und verlässliche Kitaplätze. Bundesweit fehlen davon aber fast eine halbe Million!
Auch in Sachen Gleichberechtigung wäre die Abschaffung ein Rückschritt. Betroffen von der Streichung wären vor allem Frauen, weil sie deutlich häufiger das Elterngeld beziehen als Männer. Und damit deutlich mehr auf den Partner und dessen Einkommen angewiesen wären als ohnehin schon. Also: Wer das Elterngeld abschaffen will, sollte zu Gleichberechtigung und Feminismus in Zukunft besser schweigen.
Statt den Müttern in die Tasche zu greifen, sollten Wirtschaftsweise und Journalisten über echte Privilegien und Ungerechtigkeit reden.
Mütterrente: Besser späte Gerechtigkeit als gar keine
Mütter, die nicht arbeiten, weil sie sich um die Kinder kümmern, bekommen für diese Zeit Rentenpunkte gutgeschrieben. Wer vor dem Jahr 1992 Kinder bekommen hat, kann sich allerdings weniger Rentenpunkte gutschreiben lassen – nämlich: nur zweieinhalb statt drei. Im Sondierungspapier haben sich SPD und Union nun auf die Ausweitung der Mütterrente geeinigt. Heißt: drei Jahre für alle, egal, wann die Kinder geboren sind. Kostenpunkt: circa fünf Milliarden Euro.
Die Anpassung beendet eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Denn dank einer Gesetzesänderung 1992 wurden seitdem für Mütter drei Jahre statt nur ein Jahr als Kindererziehungszeit bei der Rente angerechnet. Und um ältere Generationen nicht zu benachteiligen, wurde 2014 die – halbgare – Mütterrente eingeführt. Halbgar war sie deshalb, weil statt drei Jahren weiterhin nur zwei Jahre angerechnet wurden. Das war zwar mehr als vorher, aber noch immer nicht gleich viel. 2019 hat die Groko dann aus zwei Jahren zweieinhalb Jahre gemacht. Immerhin. Erst jetzt, 2025, soll endlich die vollständige Gleichstellung folgen. Endlich!
Man fragt sich: Warum erst jetzt und nicht schon 1992? Oder zumindest 2014? Zu teuer, befand die GroKo damals – und auch 2019, bei der letzten Reform. Wie so häufig: Geldmangel als Ausrede für ungerechte Politik. Allein die Linken waren schon 2014 dafür, drei Jahre für alle Mütter anzurechnen, egal wann das Kind geboren wurde.
Gerade deshalb wundert man sich über den Rechtfertigungsdruck und die Empörung heute. Bei der Einführung war die Gleichstellung zu teuer und heute gilt die Gleichstellung als „teures Wahlgeschenk“? Ausgerechnet für Mütter, die wie keine andere Gruppe von Altersarmut gefährdet sind, obwohl sie mit unbezahlter Carearbeit jahrelang Knochenarbeit im Dienste der nächsten Generation und der Gesellschaft geleistet haben, ist damals wie heute kein Geld da?
Mal andersherum gedacht: Wäre die Mütterrente schon 2014 vollständig eingeführt worden, würde heute niemand auf die Idee kommen, Mütter von älteren Kindern benachteiligen zu wollen. Auch deshalb sind die abschätzigen Kommentare der Wirtschaftsweisen heute eine Frechheit!
Strukturreformen: Das trojanische Pferd
Viel ist dieser Tage die Rede von Strukturreformen, die Schwarz-Rot nach dem Schuldenpaket jetzt dringend angehen müsse. Obacht! Solche Strukturreformen sind ein trojanisches Pferd. Gemeint sind damit nämlich nicht nur harmloser Bürokratieabbau, sondern oft Kürzungen am Sozialstaat. Nach Arbeitslosen und Asylbewerber sind jetzt die Sozial- und Rentenleistungen für Mütter unter Beschuss. In einer alternden Gesellschaft, die sich für Gleichberichtigung einsetzen will, wohlgemerkt!
Ich finde: Statt den Müttern in die Tasche zu greifen, sollten Wirtschaftsweise und Journalisten über echte Privilegien und Ungerechtigkeit reden. Die größte Steuerersparnis im offiziellen Subventionsbericht der Bundesregierung sind Ausnahmen für Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer. Das größte Leck im Steuersystem sind illegale Steuerhinterziehungen und legale Steuertricks der Superreichen. Da sprechen wir über hunderte Milliarden jedes Jahr. Und um die sollte es gehen, damit Schwarz-Rot den Haushalt zusammengeschustert bekommt. Lasst aber die Mütter in Ruhe!
Danke dafür! Hier wird es den falschen Ecken angesetzt. Ist wohl einfach als sich den großen, schwierigen Themen zu stellen. Aber gerade da geht es wirklich um Gerechtigkeit und die signifikanten Geldbeträge...
Völlig hirnrissige Nebendiskussion. Mir fehlt in Talkrunden , dass sowas mal gegengerechnet wird mit Ausgaben, die Politiker in den Sand gesetzt haben , zum Beispiel in der Coronazeit. Oder warum Steuerhinterziehung nicht stärker verfolgt wird usw. Dass gerade Frauen so daherplappern ist besonders unverständlich.