Neuer Haushalt: Eine Zumutung für Verbraucher, ein Geschenk für die AfD
Mitten in der Krise legt die Ampel einen Kürzungshaushalt vor – gebaut auf mieser Ökonomik und dreisten Lügen. Diese Alternativen hätte es gegeben.
Nach dem Schuldenurteil aus Karlsruhe und wochenlangem Streit hat sich die Ampel endlich auf einen Bundeshaushalt 2024 geeinigt. Das war es dann aber auch schon mit den guten Nachrichten. Denn der Haushalt ist eine Hiobsbotschaft für Verbraucher und Wirtschaft, auch wenn die Ampel die Einigung als Erfolg verkaufen will.
Die Ampel hätte nicht kürzen müssen, um einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen. Diesen Zwang gab es schlicht nicht. Das ist eine Lüge.
Das Verhandlungsergebnis kennt einen klaren Sieger: Christian Lindner. Wieder mal! Und das, obwohl die FDP in Umfragen an der Fünf-Prozent-Hürde kratzt. Man fragt sich: Was weiß Christian Lindner über Olaf Scholz, dass er fast alle seine Wünsche durchbekommt und Habeck fast alle Wünsche verwehrt bleiben?
Gekürzt, dass sich die Balken biegen
Es ist ein Haushalt mit „Kürzungen und Einsparungen“, gesteht Bundeskanzler Scholz. Die Ampel wolle die gleichen Ziele jetzt mit weniger Geld erreichen. Und die Schuldenbremse einhalten. Eine erneute Notlage wegen des Ukrainekrieges wird die Ampel also nicht beschließen – Punkt für Lindner. Das allein sollte man schon hinterfragen. Denn der Krieg tobt noch immer, noch immer kommen ukrainische Flüchtlinge in Deutschland an, noch immer läuft auch ein Wirtschaftskrieg über Handels- und Finanzsanktionen.
Und der Krieg kostet auch 2024 Geld: acht Milliarden für Waffenlieferungen und Finanzhilfen, sechs Milliarden für die Unterstützung ukrainischer Geflüchteter hier in Deutschland, dazu Ausgaben für den Bau von LNG-Terminals und das Füllen der Gasspeicher. Macht allein fast 20 Milliarden, die ohne den Krieg nicht angefallen wären. Zu behaupten, der Krieg begründe in 2024 keine Notlage mehr und deshalb die Gelder aus dem normalen Haushalt zu stemmen, grenzt an Realitätsverweigerung.
Immerhin: Die Ampel hat sich die Tür zur Notlage ein Stück offengelassen. Sollten die Kosten für die Unterstützung der Ukraine noch höher ausfallen, soll die Notlage im Jahresverlauf erklärt werden. Außerdem will die Ampel mit der Union darüber sprechen, ob die Union eine Notlage für die 2,7 Milliarden Euro im Fluthilfe-Fonds für das Ahrtal mittragen will. Eigentlich wären die Stimmen der Union nicht nötig, da es für die Notlage nur eine einfache Kanzlermehrheit braucht, aber die Ampel will einer möglichen Klage der Union vorgreifen.
Ansonsten haben Scholz, Habeck und Lindner ganz offensichtlich nur über den Rotstift verhandelt. Das sind die Ergebnisse:
45 Milliarden werden im Klima- und Transformationsfonds bis 2027 gestrichen, unter anderem 12,5 Milliarden an Zuschüssen für die Bahn. Allein im nächsten Jahr sollen 12,7 Milliarden aus dem Fonds wegfallen. Das Klimageld kann man damit wohl endgültig abschreiben.
Der Co2-Preis wird von 30 auf 45 Euro erhöht.1 Ursprünglich geplant war ein Anstieg auf 40 Euro. Sprit wird dadurch circa vier Cent pro Liter teurer. Das bringt ungefähr vier Milliarden Euro an Mehreinnahmen in den Klimafonds.
5,5 Milliarden an geplanten Zuschüssen für die Übertragungsnetzbetreiber entfallen. Dadurch steigen die Netzentgelte und die Strompreise für Firmen und Verbraucher. Das Vergleichsportal Verivox geht davon aus, dass ein Haushalt mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 4000 kWh ohne den geplanten Zuschuss mindestens 100 Euro mehr pro Jahr für Strom zahlen muss.
Die Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme steigt zum 1. März von sieben auf 19 Prozent. Für die Verbraucher wird Heizen dadurch nächstes Jahr rund vier Milliarden Euro teurer.
Die Preisbremsen für Strom und Gas entfallen, was vor allem Kunden mit schlechten Verträgen oder in der Grundversorgung trifft.
Der Bürgergeldbonus in Höhe von 75 Euro pro Monat, den Arbeitsuchende erhalten, die an einer Weiterbildung teilnehmen, wird wieder gestrichen. Ebenso werden die Sanktionen für Arbeitssuchende verschärft, die den Pflichten vom Jobcenter nicht nachkommen. Und beim Wohngeld und dem Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rente soll etwas abgekniffen werden. Heißt: 1,5 Milliarden Euro weniger im Sozialstaat – und wieder Peitsche statt Zuckerbrot.
Die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie steigt von sieben auf 19 Prozent. Mehreinnahmen für den Bund: circa drei Milliarden.
Der erst beim großen Baugipfel beschlossene Geschwindigkeitsbonus für Haushalte, die bis Ende 2024 ihre Heizung austauschen, wird von 25 auf 20 Prozent reduziert. Ebenso vom Tisch ist, dass der maximale Fördersatz von 70 auf 75 Prozent steigen sollte. Das macht etwa 800 Millionen Euro aus und bremst die ohnehin lahme Wärmewende weiter aus.
Unternehmen, die Plastik in Umlauf bringen, müssen ab 2024 die Plastikabgabe zahlen. Weil diese von der EU eingeführte Abgabe bisher aus dem Haushalt gezahlt wurde, galt sie als klimaschädliche Subvention. Kostenpunkt: 1,4 Milliarden Euro, die natürlich die Verbraucher im Supermarkt bezahlen werden.
Noch eine neue Steuer gibt es: die Ampel will die Kerosinsteuer für innerdeutsche einführen. Grüne und Umweltverbände haben das schon lange gefordert. Mehreinnahmen: 150 bis 300 Millionen Euro, je nach Steuersatz.
Die Agrardieselbeihilfe für die Landwirtschaft soll gestrichen werden. Kostenpunkt: 450 Millionen Euro, die am Ende im Supermarkt an die Verbraucher weitergereicht werden.
Vorzeitiges Aus für den Umweltbonus, sprich: die Förderung beim Kauf von E-Autos. 2024 waren ursprünglich 810 Millionen Euro im Haushalt geplant, die jetzt entfallen.
Gekürzt werden zudem Förderungen für die Solarbranche. Ob private Zuschüsse oder Hilfen bei der Ansiedlung von Solarunternehmen ist noch offen. Ebenso die Höhe der Einsparungen.
Außerdem wurde beschlossen, Anteile an der Post und Telekom zu verkaufen, dafür aber das Eigenkapital bei der Bahn um 12,5 Milliarden zu erhöhen. Weniger Anteile bei Post und Telekom schaden der Aktienrente, der die Dividenden zufließen sollten. Die Eigenkapitalerhöhung bei der Bahn ist sinnvoll, läuft aber ohnehin an der Schuldenbremse vorbei. Die Verkäufe wären also nicht nötig gewesen.
Unterm Strich stehen deutlich höhere Belastungen für die Verbraucher. Die Mittelschicht und die Bürgergeldempfänger müssen für das Schuldenurteil bluten. Alle Versprechungen der FDP, wonach Steuererhöhungen verboten seien, sind genauso hinfällig wie die Worte vom SPD-Parteitag, wonach beim Sozialstaat nicht gekürzt werden. Bei der AfD dürften hingegen die Sektkorken geknallt sein. Denn der Haushalt 2024 garantiert noch mehr Wählerfrust als ohnehin schon. Davon profitiert derzeit keine Partei so stark wie die Nazis von der AfD.
Robert Habeck behauptete im ZDF, die Kürzungen führten zwar zu Unmut, seien aber „natürlich die einzig denkbare Antwort“. Das ist ersten schlicht falsch und zweitens Neoliberalismus in seiner pursten Form. Habeck singt das „There is no alternative“-Lied von der neoliberalen Ikone Margaret Thatcher.
Falsch ist das, weil der Ampel nach dem Schuldenurteil kein Geld im eigentlichen Sinne fehlte, sondern nur die Legitimation, um Schulden im Klimafonds zu machen. Es gibt aber ganz viele andere Wege, um Geld an der Schuldenbremse vorbei auszugeben. Die Ampel hätte nicht kürzen müssen, um einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen. Diesen Zwang gab es schlicht nicht. Das ist eine Lüge.
Hier deshalb vier Vorschläge, wie die Ampel trotz Schuldenurteil den Haushalt 2024 hätte aufstellen können.
Mit einem 7-tägigen kostenlosen Probeabonnement weiterlesen
Abonnieren Sie Geld für die Welt, um diesen Post weiterzulesen und Sie erhalten 7 Tage kostenlosen Zugang zum gesamten Post-Archiv.