Schuldenpaket: Muss man zufrieden sein?
Das Paket ist gut, aber wird es auch der historischen Chance gerecht? Leider nicht!
Kaum sickerte durch, dass Merz und Klingbeil die Grünen ins Boot gelockt bekommen haben, gab es bei vielen ein großes Aufatmen. Endlich Investitionen, endlich mehr für Geld für Klimaschutz, endlich mehr Spielraum für die Bundesländer, endlich wieder Wachstum. Sogar an der Börse wurde die Einigung gefeiert. „Die Anlegerstimmung hat sich heute mit einem Schlag gedreht“, kommentierte Marktanalyst Jochen Stanzl von CMC Markets gegenüber dem Manager Magazin.
Ja, die Grünen haben das Paket in den Verhandlungen verbessert. Weil neben Panzern und Granaten auch Geld für Cybersicherheit und Katastrophenschutz von der Schuldenbremse ausgenommen wird, weil 100 der 500 Milliarden aus dem Sondervermögen in den Klimafonds geschoben werden – und dort in Förderprogramme für Wärmepumpen oder ein Klimageld fließen können; und weil eine Regel gefunden wurde, die sicherstellen soll, dass die Investitionen zusätzlich fließen.

Aber: Es gibt auch Hintertürchen. Als zusätzlich sollen Investitionen nämlich gelten, wenn sie größer als zehn Prozent des Bundeshaushaltes sind. Das wäre 2024 alle Investitionen über 49 Milliarden Euro gewesen. Tatsächlich waren im Haushalt aber rund 60 Milliarden Euro für Investitionen vorgesehen, wenn man finanzielle Transaktionen wie das Generationenkapital mal abzieht. Heißt: Elf Milliarden könnte Schwarz-Rot vom Haushalt in das Sondervermögen verschieben, um damit anderes zu finanzieren. Das ist kein Drama, weil auch eine Mütterrente oder Steuersenkung sinnvoll sein kann, aber es schmälert das Investitionsvolumen. Und es weicht diese „Zusätzlichkeit“, auf die die Grünen so stark gepocht haben, eben auf. Ein anderes Manko: In den Verhandlungen wurde die Laufzeit von zehn auf zwölf Jahre gestreckt und damit die jährlichen Investitionen von 50 auf 41,6 Milliarden Euro reduziert. Für den Klimafonds gibt es davon also nur acht statt zehn Milliarden pro Jahr. Mit acht Milliarden lässt sich höchstens ein Klimageld light finanzieren.
Ganz abgesehen davon, dass ein Klimageld auch keine Investition, sondern eine Sozialausgabe ist. Grünen-Chefin Franziska Brantner hatte sich am Donnerstag bei Maybrit Illner noch mehrmals über Schulden für Steuergeschenke und Konsumausgaben echauffiert. Das könne sie ihrer Tochter nicht zumuten, das sei unverantwortlich und eine Belastung für die nächste Generation. Die Grünen-Chefin klang wie Christian Lindner!
Die Frage stellt sich: Ist besser gut genug? Also: Haben die Grünen wirklich das Beste herausgeholt aus dem Paket? Immerhin war das eine historische Chance. Zum einen hatten Lars Klingbeil und Friedrich Merz viel zu verlieren. Beide dürsten nach Macht. Merz will endlich Kanzler werden. Dafür macht er sogar das komplette Gegenteil dessen, was er vor der Wahl seinen Wähler versprochen hatte. Und er stand mit dem Rücken zu Wand. Ohne die Grünen und ohne das Schuldenpaket hätten Neuwahlen gedroht, für die er in seiner eigenen Partei abgesägt worden wäre. Zum anderen haben die geopolitischen Umstände die Stimmung in der Bevölkerung gedreht: 59 Prozent der Bevölkerung war laut Deutschlandtrend für das Schuldenpaket; Zweidrittel für mehr Verteidigungsausgaben und Dreiviertel sogar für mehr Investitionen in Infrastruktur. Die Grünen hatten also einen Verhandlungspartner mit Zeitdruck und dem Rücken zur Wand und die Öffentlichkeit bereit für ein einmaliges Schuldenpaket.
Statt Verschiebebahnhöfen und Schulden für die Mütterrente zu vermeiden, hätten sie das Paket größer und grüner machen sollen.
Die einzige Grenze für ihre Forderungen in der Verhandlung war eigentlich, dass Merz am Ende so gerade noch sein Gesicht wahren können muss. Eine vollständige Reform der Schuldenbremse, dazu noch im neuen Bundestag mit Stimmen der Linken, wäre sicher weit über dieser Grenze gewesen. Aber warum haben die Grünen das Paket nicht größer gemacht? Warum haben sie nicht 600 Milliarden gefordert, die zwei renommierten Institute – IW und IMK – in einer prominenten Studie als Investitionsbedarf ermittelt haben? Warum die 100 Milliarden für den Klimafonds nicht obendrauf statt aus dem Sondervermögen herausgeschnitten? Warum nicht noch 100 Milliarden und eine Altschuldenlösung für die Kommunen? Warum nicht zwölf statt zehn Prozent Investitionsquote als Definition für die Zusätzlichkeit? Erst recht, wenn doch das Geld für zwölf statt zehn Jahre fließen soll? Bis kurz vor die Grenze des Gesichtsverlustes haben es die Grünen nicht geschafft.
Ja, sie haben das Paket verbessert, und ja, sie mussten einen Kompromiss finden, aber sie haben sicher nicht den bestmöglichen Kompromiss gefunden. Der Grund: Sie haben die falschen Forderungen auf den Verhandlungstisch gelegt. Statt Verschiebebahnhöfen und Schulden für die Mütterrente zu vermeiden, hätten sie das Paket größer und grüner machen sollen. 100 Milliarden mehr für Klima und Kommunen hätten mehr gebracht, als vier Milliarden Mütterrente zu vermeiden. Das waren die falschen Prioritäten. Und der eigene Gesetzentwurf, nach dem 1,5 Prozent der Wirtschaftskraft für Sicherheitsausgaben unter die Schuldenbremse fallen sollte, hat eher geschadet als geholfen.
Die lose Verabredung zur vollständigen Reform der Schuldenbremse ist das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt ist. Denn durch das Schuldenpaket ist der Druck auf eine echte Reform um zwölf Jahre verschoben. Damit sollte in dieser Legislatur keiner rechnen.
Also, um auf die Frage zurückzukommen: Besser ist in dem Fall gut, aber gemessen an der einmaligen Chance und der riesigen Verhandlungsmacht der Grünen sicher nicht das Bestmögliche. Der große Gewinner ist Friedrich Merz. Der darf mit einem Blankocheck für Verteidigung und historisch großem Spielraum für Investitionen in das Kanzleramt einziehen.
Danke Maurice
Das Video in YT war jetzt etwas schneller als der Artikel. Ja, vielleicht hätten die Grünen noch etwas mehr herausholen können, aber das ist doch ein Anfang gewesen, sonst wäre das Thema "Klima" unter den Tisch gefallen.
Das Thema Sicherheit ist in der heutigen Zeit extrem wichtig, für mich folgt darauf als nächstes Klima und nicht die Diskussion über Immigration, das wird sowieso von Gerichten zerpflückt werden. Wie wichtig Immigration für uns ist, habe ich gerade bei einem Aufenthalt im hiesigen Krankenhaus wieder gemerkt, ohne Ärzte und Pfleger aus aller Herren Länder bricht das gesamte Gesundheitswesen zusammen.
Ich bin etwas ernüchtert und sehe noch keine wirklich ergriffene Chance. Ich schätze das wird trotzdem nur ein mittelmäßiger Klimaschutz die nächsten Jahre und Merz kann sich für ein wenig Wachstum sogar noch feiern lassen, obwohl er sich mit den Federn anderer schmückt.