Streichliste: So wird Berlin kaputtgespart
Die Berliner GroKo kürzt drei Milliarden Euro im Haushalt 2025. Eine Warnung vor der GroKo im Bund?
Keine 100 Tage bis zur Bundestagswahl. Am wahrscheinlichsten ist wohl eine Neuauflage der GroKo. Also: CDU und SPD, aber dieses Mal mit Merz als Kanzler. Einen Vorgeschmack darauf, was dem Land dann blüht, liefert gerade die GroKo aus Berlin, geführt von Kai Wegner (CDU). Die haben nämlich gestern ihre neuen Pläne für den Landeshaushalt 2025 öffentlich gemacht und ein 3-Milliarden-Sparpaket beschlossen. Ein Sparpaket wohlgemerkt, das die Bereiche Bildung, Verkehr, Soziales und Kultur schmerzlich trifft. Und schon nach nur einem Jahr viele Versprechen aus dem Koalitionsvertrag wieder abgeräumt.
„Wir haben einfach in den letzten Jahren in Berlin zu viel Geld ausgegeben“, begründete Wegner die Kürzungen. Es gehe um die Zukunftsfähigkeit der Stadt. Berliner werden sich bei dem Satz die Augen reiben. So auch ich, der fast fünf Jahre dort gewohnt hat. Berlin ist überfüllt – ob Kitas, Schulen, Straßen, Ämter oder Wohnungen. Berlin ist dysfunktional und außerhalb von Nobelvierteln marode, dreckig und arm. Dazu hat Berlin die zweithöchste Arbeitslosenquote unter allen Bundesländern – fast zehn Prozent, Tendenz seit 2019: steigend.
Von zu viel ausgegebenem Geld merkt man in Berlin nichts. Das ist auch nicht der wahre Grund für Wegners Rotstift. Sondern vielmehr, dass die Steuern und der Länderfinanzausgleich weniger Geld einbringen als 2023 gedacht, für 2025 eine globale Minderausgabe in Höhe von zwei Milliarden Euro als Puffer in den Haushalt gebucht wurde und all das unter der Schuldenbremse nun zusammenbricht.
Einerseits bitter, dass das ausgerechnet passiert unter Führung von Kai Wegner, der so nachdrücklich wie kein anderer CDUler auf eine Reform der Schuldenbremse pocht. Andererseits eine Warnung vor dem, was erst in einem Kabinett mit Merz, Spahn und Linnemann unter der die Räder kommen dürfte.
Rund 100 Millionen Euro weniger Zuschüsse bekommt die BVG für den Kauf von Elektrobussen. Damit kann die BVG ihren Plan streichen, bis 2030 die ganze Flotte auf Elektroantriebe umzustellen.
Die konkrete Streichliste lässt einen zusammenzucken und den Kopf schütteln. Denn darauf stehen viele wichtige Projekte, die Berlin und seine Bewohner dringend gebraucht hätten. Wichtig: Keines der Projekte wird gestrichen, weil Berlin nicht an das nötige Geld kommen würde oder es keine Leute gibt, die das umsetzen könnten, sondern einzig allein, weil die eigens verpasste politische Zwangsjacke namens Schuldenbremse das Geld willkürlich verknappt – und die GroKo unter den Bedingungen noch die falschen Prioritäten setzt.
Der Koalitionsvertrag der Berliner GroKo trägt den Titel „Für Berlin das Beste“. Die Streichliste offenbart, dass diese Koalition aus Berlin sicher nicht das Beste rausholt – geschweige denn das Beste für Berlin ist.
Die Streichliste
Das 29-Euro-Ticket im ÖPNV, das erst im Juli eingeführt wurde, soll 2025 wegfallen. Bedeutet für 210.000 Abonnenten einen Preisanstieg von 29 auf 58 Euro im Monat. 29 Euro weniger für Miete, Heizkosten, Einkäufe oder Restaurantbesuche. Außerdem soll das Sozialticket ab 2025 monatlich nicht mehr neun sondern 19 Euro kosten, also mehr als doppelt so viel. Kleiner Reminder aus dem Koalitionsvertrag: „Mit einem unbefristeten 29-Euro-Ticket für alle und einem Sozialticket für 9 Euro wollen wir den ÖPNV als klimafreundliches Fortbewegungsmittel noch attraktiver machen“. Große Worte, nichts dahinter. Einspareffekt: rund 400 Millionen Euro.
Rund 100 Millionen Euro weniger Zuschüsse bekommt die BVG für den Kauf von Elektrobussen. Damit kann die BVG ihren Plan streichen, bis 2030 die ganze Flotte auf Elektroantriebe umzustellen. Was dazu wohl im Koalitionsvertrag stand? Zitat: „Außerdem werden wir die Beschaffung von Elektrobussen inklusive der erforderlichen Infrastruktur fortsetzen“. Schlecht gealtert.
Generell werden mindestens 100 Millionen Euro weniger sollen für den ÖPNV in der Innenstadt und Neubauprojekte bereitstehen.
Außerdem gibt es im Verkehrsbereich weniger Geld für Fahrradinfrastruktur, Leihräder, Lärmschutz und Brückensanierungen.
Rund 80 Millionen weniger gibt es auch für Investitionen in die Schwimmbäder der Bäderbetriebe, für das Schul- und Sportstättensanierungsprogramm, für Fahrzeuge und Technik bei der Feuerwehr und beim Katastrophenschutz, für das Klimaschutz-Programm BENE II und den Gewässerschutz
Gestrichen wird sogenannte Brennpunktzulage für Lehrkräfte in Höhe von insgesamt 3,2 Millionen Euro. Laut Koalitionsvertrag sollte sie „in bestehender Form beibehalten“ werden. Gedacht war die Zulage, um gerade den Schulen, die am dringendsten Lehrer, Sozialerbeiter und Sonderpädagogen brauchen, bei der Personalsuche zu helfen.
Sieben Millionen Euro weniger gibt es für die freie Jugendarbeit, eine Kürzung um 17 Prozent.
Auf den geplanten Neubau von zwei Grundschulen wird verzichtet, die Mittel für den Kitaausbau um 14 Millionen Euro gekürzt, die Zuschüsse an das Studierendenwerk um 7,5 Millionen reduziert. Außerdem sollen 100 Millionen Euro bei Hochschulverträgen gespart werden, indem altersbedingt ausscheidende Landesbedienstete nicht ersetzt werden. Alles Maßnahmen, die es dem ohnehin maroden Bildungssystem noch schwerer machen, als es ohnehin schon ist, weil Personal fehlt und die Gebäude bröckeln.
Die Wohnraumförderung wird um 150 Millionen Euro gekürzt, obwohl in Berlin die Neumieten explodieren, weil der Wohnungsraum knapp ist. Für Zuschüsse zur Begrenzung der Mieten im sozialen Wohnungsbau gibt es drei Millionen Euro weniger.
Selbst bei der Straßenreinigung sollen 5 Millionen Euro eingespart werden.
Die Innovationsförderung bekommt 8,4 Millionen Euro weniger, die Charité für die Erneuerung der technischen Infrastruktur nur 8,5 statt 17,3 Millionen Euro und diverse andere Forschungseinrichtungen auch weniger. In Talkshows wird über ausbleibende Produktivitätsfortschritte geklagt, aber an Forschung gespart? Komisch!
Den anteilig größten Einschnitt im Budget gibt es bei der Digitalisierung der Verwaltung. 70 Millionen Euro sollen eingespart werden, rund ein Viertel der Mittel. Allein die Mittel für die Einführung elektronischer Akten werden halbiert, dazu diverse Anschaffungen von Informations- und Kommunikationstechnik aufgeschoben. Digitalisierung mit Sparflamme!
Auch für das Förderprogramm zum Breitbandausbau werden 4,5 Millionen Euro weniger Mittel eingeplant. Gut, wer nicht digitalisiert, kann auch auf den Netzausbau verzichten, könnte man zynisch sagen.
Und dann ist da noch der Sparhammer für die Berliner Kultur. Minus 130 Millionen, circa 12 Prozent. Heißt: weniger Geld für die Volksbühne, das Deutsche Theater, die Stiftung Oper, das Berliner Ensemble, die Komische Oper, Musikfestivals, Künstlerräume und vieles mehr.
Aus dem Kopfschütteln schon wieder rausgekommen? Ich noch nicht!
Ich habe 57 Jahre lang in Berlin gelebt und erschrecke jedes Mal, wenn ich dort bin, wie arm alles wirkt. Besonders leid tut es mir für die Kinder, deren Situation immer schlechter wird. Ein Verbrechen an den nächsten Generationen, überall.
Ich versteh es nicht, dieser Regierung muss doch klar sein, was sie damit anrichten!
Herr Höfen, Sie schreiben: das falsche Prioritäten gesetzt werden, gibt es Bereiche wo man hätte anstatt sparen können?
Da sollten doch Leute in Verantwortung sein, die eine ähnliche Ausbildung genossen haben wie sie, sprich die Damen und Herren müssten es doch merken, daß sie es damit vielem Menschen noch schwerer machen!?
Ich verstehe Ihren Text so, das die GroKo in Berlin auch anders handeln könnte, es aber nicht macht. Und da kommt bei mir die Frage hoch, ob man es irgendwie darauf anlegt, daß mehr Leute AfD wählen, sich mehr Menschen radikalisieren und es zu mehr Spannung zwischen Armen Menschen kommen soll.....das muss dieser Regierung doch bewusst sein!?
Und die Aussicht, dass wir nächstes Jahr Herrn Merz als Herrn Bundeskanzler in einer GroKo sehen und es dann auf Bundesebene genauso gemacht werden.....ich schreie, Kopfschütteln reicht mir da nicht mehr....
Es liest sich wie ein Drama, worin sich die Protagonisten schauend über die Bevölkerung beugen, es aber nicht sehen, das sie die Antagonisten sind.....
Ich danke Ihnen für Ihre Arbeit Herr Höfgen,
Und Grüße alle hier Lesenden.