Ukraine-Hilfen bald nach Kassenlage?
Ukraine-Hilfen aus G7-Krediten und Russland-Vermögen zu bezahlen, birgt Risiken. Besser wäre, die Notlagenklausel der Schuldenbremse zu ziehen
Eigentlich hatte Olaf Scholz der Ukraine Hilfen „so lange wie nötig“ versprochen. Jetzt aber macht er sie abhängig von der Kassenlage im Bundeshaushalt. Finanzminister Lindner hatte deshalb Außenministerin Baerbock und Verteidigungsminister Pistorius schon am 5. August per Brief mitgeteilt, dass es keine neuen Ukraine-Hilfen geben werde, sofern diese nicht im Haushalt 2024 oder im Haushaltsentwurf 2025 hinterlegt sind. Ausgenommen sei nur bereits bewilligtes Material. Als das Schreiben vor wenigen Tagen bekannt wurde, gab es einen Sturm der Entrüstung. Auch der ukrainische Botschafter war entsetzt über die Berichte. In Moskau hingegen dürfte Putin dreckig gegrinst haben.
Man könnte glatt sagen: Die Schuldenbremse arbeitet für Putin!
Hilfen bald aus G7-Kredit und Russland-Vermögen
Das „So-lange-wie-nötig-Versprechen“ von Scholz ist nur so viel wert, wie die Schuldenbremse zulässt – oder die Ampel Wege abseits der Schuldenbremse findet. Im Bundeshaushalt selbst haben sie keinen Weg gefunden. Oder besser gesagt: finden wollen. Dafür aber einen Weg außerhalb des Haushalts. Ein internationaler Kredit und Russlands Vermögen sollen bald anstelle des Haushalts herhalten. Regierungssprecher Büchner erneuerte sogar das Versprechen: „Wir setzen die Hilfe fort, solange es nötig ist".
Zur Einordnung: Dieses Jahr sind im Haushalt noch rund sieben Milliarden Euro für Ukraine-Hilfen vorgesehen, 2025 aber schon nur noch vier Milliarden, 2026 sogar nur drei Milliarden – und ab 2027 nur noch eine halbe Milliarde (hoffen wir, dass es dann keine Hilfen mehr braucht!). Statt aus dem Haushalt sollen die Hilfen künftig aus einem 50-Milliarden-Dollar-Kredit fließen, auf den sich die G7-Staaten bei ihrem Gipfel im Juni geeinigt hatten. Der EU-Anteil an diesem Kredit soll außerdem aus den Zinserträgen bedient werden, die aus dem von der EZB eingefrorenen Vermögen der Russischen Zentralbank stammen. So der Plan.
Ursprünglich gab es auch die Idee, das Vermögen der Russischen Zentralbank direkt zu konfiszieren und an die Ukraine zu geben. Die Idee wurde aber schnell verworfen: zu weitgehend, zu unsicher.
Das Problem: Auch der jetzt vereinbarte G7-Plan ist noch nicht ausgereift, rechtlich heikel und hat noch viele Fragezeichen. Die Bundesregierung hoffe zwar auf Umsetzung zum Jahresende, so Robert Habeck noch heute gegenüber Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Doch das ist angesichts des geltenden Genehmigungsstopps ein Spiel auf Zeit zulasten der Ukraine und zugunsten Putins. Ein Regierungsmitglied räumt gegenüber dem Handelsblatt außerdem ein, man könne noch nicht genau sagen, wann das Konstrukt rechtlich und technisch stehe. Das sieht auch Habeck ein und fordert eine pragmatische Lösung, falls beim Übergang zum G7-Modell das Geld ausgehe.
Viele offene Fragen
Wie eine solche pragmatische Lösung dann aussähe, ist dabei nur eine von vielen offenen Fragen. Ungeklärt und unsicher ist beim G7-Kredit auf Basis des eingefrorenen Vermögens nämlich vieles. Wer stellt den Kredit an die Ukraine zur Verfügung? Wer bezahlt die Zinsen? Wie teilen sich die G7 die Garantien für den Kredit auf? Welche Garantien sollen das sein? Haften alle G7-Länder gemeinschaftlich? Muss gar die Ukraine mithaften? Wie groß wird der EU-Anteil? Wie lange soll der Kredit laufen? Wie wird sichergestellt, dass die russischen Vermögen während der Laufzeit eingefroren bleiben? Und so weiter.
Gerade die letzte Frage ist besonders heikel. Denn bisher müssen die EU-Sanktionen alle sechs Monate einstimmig verlängert werden. Die USA fordern daher von der EU, das Sanktionsrecht so zu ändern, dass das Russland-Vermögen unbefristet eingefroren wird. Nur dann könne es als Sicherheit für den Kredit gelten.
Man kann aber davon ausgehen, dass Orbans Ungarn eine solche Änderung blockieren würde – so wie es bisher schon nahezu alle EU-Hilfsmaßnahmen für die Ukraine im Rat blockiert hat. Und ausgerechnet seit Juli hat Ungarn auch noch turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft inne. Ganz schlechtes Timing. EU-Diplomaten sehen die US-Forderung deshalb als unerfüllbar an.
Deutschland der größte Geldgeber in der EU?
Die Ampel rühmt sich immer wieder dafür, der größte Hilfen-Geber in der EU zu sein. Das stimmt zwar in absoluten Zahlen, aber nicht im Verhältnis zur Wirtschaftskraft. Daran gemessen liegt Deutschland nur auf Platz 15, dafür Dänemark, Estland, Litauen und Lettland auf den vorderen Plätzen. Deren Hilfen sind drei bis vier Mal so groß wie Deutschlands, zumindest im Verhältnis zur Wirtschaftskraft.
Die Notlage als Königslösung
Um das „So-lange-wie-nötig-Versprechen“ einzuhalten, wäre ein Weg innerhalb des Haushalts besser. Dann wäre das Versprechen unabhängig von Ungarn und G7-Verhandlungen. Die Lösung liegt auf der Hand: Die Notlagenklausel der Schuldenbremse aktivieren.
Das geht mit einfacher Kanzlermehrheit, also auch ohne Stimmen der CDU. 2022 hat die Ampel genau das schon einmal gemacht. Und dass der Ukraine-Krieg als Notlage gilt, dürfte vor dem Verfassungsgericht nur schwer zu bestreiten sein. "Welch größere Notlage sollte es geben als diesen Krieg mitten in Europa?", so Außenministerin Annalena Baerbock vor zwei Monaten im ZDF-Interview. „Es wäre fatal, in ein paar Jahren sagen zu müssen: Wir haben die Schuldenbremse gerettet, aber dafür die Ukraine und die europäische Friedensordnung verloren“, schob sie nach. Wie recht sie doch hat!
Um ein Missverständnis zu vermeiden: Mit der Notlage wären zwar alle Ukraine-Ausgaben von der Schuldenbremse ausgeklammert, alle anderen aber nicht. Für Bürgergeld und Rentenzuschuss würde die Schuldenbremse weiter gelten, nur eben für die Ukraine-Hilfen nicht. Die Notlage bedeutete also keinen kompletten Gesichtsverlust für Christian Lindner, wie man vielleicht befürchten könnte. Es ist eher andersherum: Über das G7-Konstrukt riskiert die Ampel, ihr Gesicht zu verlieren, indem sie ihre Ukraine-Versprechen brechen.
Schon die aktuelle Unsicherheit über die Hilfen kennt bittererweise nur einen Gewinner: Wladimir Putin. Man könnte glatt sagen: Die Schuldenbremse arbeitet für Putin.
Ausnahmsweise kein like.
Wenn es nach mir ginge, bekäme die Ukraine außer Geld für humanitäre Hilfe keinen Cent. In der Bundesrepublik werden Menschen, welche die Regierung wegen ihrer Corona- oder Energiepolitik kritisieren als räääächts oder gar als Nazis beschimpft. In der Ukraine werden Denkmäler für einen echten Faschisten und Nazi-Kollabotateur, Stepan Bandera, gebaut, Einheiten der ukrainischen Armee schmücken sich mit dem Abzeichen der SS-Division Leibstandarte "Adolf Hitler" und Maurice Höfgen macht sich Gedanken, ob die Ukraine auch genügend Geld für einen mittlerweile sinn- und aussischtslosen Krieg bekommt. Ich versteh es nicht.
Wenn die USA ihre "Spielchen" spielen wollen, sollen sie auch dafür zahlen. Ich empfehle John J. Mearsheimers "Wer hat den Ukraine-Krieg verursacht" Teil I https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/wer-hat-den-ukraine-krieg-verursacht/ und Teil II: https://overton-magazin.de/hintergrund/politik/wie-kam-es-zum-ukrainekrieg/
Und wenn die Mehrheit der Bevölkerung vielleicht gar keine Ausweitung der Hilfen möchte? Umfrage Februar 2024 (IPSOS): 25% glaubten noch an einen Sieg der Ukraine, 40% nicht mehr, der Rest ist unentschieden. Vermutlich ist der Trend wegen der militärischen Situation dabei weiter in Richtung Skeptiker gegangen. Dass zunehmend ukrainische Soldaten desertieren, aktuell jeder 14te, doppelte Zahl wie das Jahr zuvor, und praktisch keiner der im Ausland lebenden Wehrpflichtigen zurückeilt, dem 'Vaterland in Not' zu helfen, spricht auch Bände. Ich würde deshalb eine kostengünstigere und realistischere Politik bevorzugen, dass nämlich die Bundesregierung offiziell den UN-Generalsekretär bittet, einen Verhandlungsprozess 'ohne Vorbedingungen' zu eruieren und bei Erfolg einzuleiten. Denn das kann viele Jahre dauern, siehe z.B. das Beispiel des Pariser Abkommens zur Beendigung des Vietnam-Krieges.