Warum die AfD uns alle ärmer machen will
Das Programm der AfD würde Deutschland an den Abgrund führen – das ist kein Versehen, sondern Teil ihrer Strategie
Die AfD hat von fünf Jahren Wirtschaftskrise profitiert. Steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Kaufkraft haben Existenzängste verschärft und Aufstiegshoffnungen bis weit in die Mittelschicht versiegen lassen. Frust, Angst und Not treibt die Menschen aus Protest zur AfD. Dabei hat das Programm der AfD für all diese Menschen nichts zu bieten. Im Gegenteil: Was die AfD fordert, würde die deutsche Wirtschaft in eine noch viel größere Krise befördern, Millionen Jobs kosten und vor allem kleine Einkommen noch kleiner machen. Die AfD ist die wahre Degrowth-Partei. Nur nicht in grün, sondern in braun. Und zwar im doppelten Sinne: ökologisch wie auch gesellschaftlich!
Sebastian Friedrich und Nils Schniederjann haben den Newsletter Über Rechts gegründet. Das Ziel: die ideologischen Grundlagen der Rechten verstehen und sichtbar machen – für alle, die nicht nur wissen wollen, dass die AfD stark ist, sondern warum sie es ist. Sebastian und Nils erklären, welche gesellschaftlichen Entwicklungen die Rechte stark gemacht haben – und was ihnen entgegengesetzt werden kann. Hier gehts zum Newsletter.
Die AfD will aus dem Euro und der EU aussteigen, obwohl die deutsche Exportwirtschaft von beidem abhängt. Ohne Euro würde die neue Währung sofort massiv aufwerten und deutsche Exportgüter auf den Weltmärkten schlagartig verteuern. Vielleicht zehn, vielleicht 20, vielleicht auch 30 Prozent. Gegen diesen Kostenschock wäre die Energiepreiskrise ein Kindergeburtstag. Selbst das konservative Ifo-Institut schätzt die Kosten für die deutsche Volkswirtschaft auf fast 700 Milliarden Euro.[1]
Und auch die Energiepolitik der Partei wäre ökonomisch fatal: Der Strom für die Wirtschaft soll nicht mehr aus günstigen Erneuerbaren kommen, sondern wieder aus Kohle, Gas und Kernkraft, wodurch die Strompreise für Unternehmen und Bürger dadurch deutlich in die Höhe schießen würden.
Treffen soll das vor allem diejenigen mit kleinen und mittleren Einkommen. Denn die AfD plant zusätzlich die Spitzensteuersätze und Unternehmenssteuern zu senken, Solidaritätszuschlag und Erbschaftssteuer sollen sogar ganz wegfallen. Das käme fast ausschließlich den reichsten zehn Prozent zugute. Für den ärmeren Teil der Gesellschaft will sie staatliche Leistungen wie das Bürger- und Arbeitslosengeld 1 massiv kürzen. Außerdem möchte die Partei das Streikrecht einschränken und die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen abschaffen, was die Bedingungen für Arbeitskämpfe deutlich verschlechtern würden.
Kurz: Ihr Programm würde nicht nur der Gesamtwirtschaft schaden, die Partei ist zugleich der Feind der Ärmeren und aller Beschäftigten mit kleinen und mittleren Einkommen.
Eine brummende Wirtschaft, hohe Löhne für alle, das Gefühl grundlegender Sicherheit – für die Neue Rechte ist das Dekadenz.
Vordenker gestehen: Wohlstand ist nicht gewollt
Bleibt die Frage: Warum das Ganze? Hasst die AfD das Land, das sie angeblich wieder zu alter Größte führen will? Oder hat ein Konglomerat aus neoliberalen Wirrköpfen und ökonomischen Analphabeten das Parteiprogramm geschrieben? Wer mit rechten Funktionären und Vordenkern der AfD spricht, erfährt, dass es tatsächlich einen tieferliegenden Grund gibt, warum Wohlstand für die Partei nicht an erster Stelle steht.
Vor ein paar Monaten haben Sebastian und Nils zum Beispiel Erik Lehnert interviewt. Lehnert gibt die wichtigste Theoriezeitschrift der Neuen Rechten, die Sezession, heraus und gilt als wichtiger Vordenker dieser Bewegung. Zugleich ist er zwar parteilos, spielt aber als Fraktionsgeschäftsführer der AfD im brandenburgischen Landtag mittlerweile eine wichtige Rolle in der Partei.
Im Gespräch erklärte er Sebastian und Nils damals seine Sicht auf rechte Politik: Die habe es einfach schwerer als die Linke. Sein Beispiel: „Die AfD will weniger Ausländer, wir wollen das japanische Remigrationsmodell.“ Das heißt: radikal abschieben, wer für sie nicht in dieses Land gehört. Weniger Ausländer im Land bedeutet aber auch, dass es weniger Arbeitskräfte gibt. Das weiß auch Lehnert:
„Einen gewissen volkswirtschaftlichen Anteil tragen die ja schon bei. Das heißt für mich, ich muss den Leuten sagen: Passt mal auf, Freunde, ihr werdet in Zukunft länger arbeiten müssen und weniger Urlaub machen. Und das ist ja eine Botschaft, die ist jetzt nicht jedem genehm.“
Weniger Ausländer, dafür aber mehr arbeiten, weniger Urlaub – und am Ende des Monats trotzdem weniger Geld in der Tasche. Lehnert ist es das wert. Damit dürfte er nicht der einzige sein. Für ihn ist der Wohlstandsverlust, der mit einer äußerst restriktiven Migrationspolitik einhergehen würde, aber kein Kollateralschaden, sondern es geht um eine grundsätzliche Frage:
„Man kann nicht alles haben. Und ich glaube, wenn ein Rechter ehrlich ist, dann würde er das immer sagen: Also, ich will nicht, dass du entartest, und dass wir nicht entarten, heißt: Zucht, Ordnung, Disziplin. Und da geht es nicht um Hedonismus. Hedonismus ist nicht die Weltanschauung. Die liegt den Linken irgendwie näher.“[2]
Ökonomische Sicherheit als Dekadenz?
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen. Ein führender Vordenker und Funktionär der AfD erklärt ganz offen, dass es nicht darum geht, den Bürgern ein besseres Leben zu verschaffen. Ganz im Gegenteil: Er tritt dafür an, dass es dem Volk nicht zu gut geht.
Das mag absurd erscheinen, doch diese Vorstellung ist tief in der Ideenwelt der Neuen Rechten verwurzelt. Die Forderung, das Volk dürfe nicht zu „dekadent“ werden, ist von jeher ein wichtiger Aspekt der rechten Weltanschauung. Nach dieser Logik verliert eine Nation an Stärke, wenn es ihren Bürgern zu gut geht.
Armin Mohler, einer der wichtigsten Vordenker der Neuen Rechten, brachte das 1978 einmal in einem kurzen Text auf den Punkt: „Im Grunde gibt es für uns nur ein einziges Problem“, schrieb er. „Wie wir der Dekadenz ein Ende machen, die unsere Welt ergriffen hat.“[3] Eine brummende Wirtschaft, hohe Löhne für alle, das Gefühl grundlegender Sicherheit – für die Neue Rechte ist das Dekadenz.
Umso erstaunlicher ist es, dass die AfD laut dem letzten ARD-Deutschlandtrend in puncto Wirtschaftskompetenz gleich hinter der Union auf Platz zwei landet.[4] Dabei will die AfD die deutsche Wirtschaft nicht prosperieren lassen. Sie will das Land bewusst in eine Krise stürzen, um anschließend autoritäre Strukturen errichten zu können.
Dass die AfD ein ökonomisches Programm propagiert, das für die meisten Menschen einen dramatischen Abstieg bedeuten würde, ist also kein Versehen. Die wirtschaftliche Verelendung ist Teil des Projekts einer nationalen Erneuerung. Doch wer der AfD folgt, wird am Ende nicht stärker, sondern ärmer.
Noch mehr von Sebastian und Nils lesen? Dann hier entlang!
[1] Ifo-Institut: Europawahl: Dexit würde 690 Milliarden Euro kosten, 19.05.2024
[2] Die Ausschnitte kann man in der vierten Folge des Features „Deutsches Denken – Rechte Intellektuelle der Bundesrepublik“ hören, das Sebastian und Nils für Deutschlandfunk Kultur produziert haben.
[3] Armin Mohler: „Die nominalistische Wende“. In: Criticón 47, 1978, S. 139–145, hier: S. 142.








Interessanter Artikel und wichtige Erkenntnisse. Umso bedenklicher, dass der AfD für ein solches Programm auch noch hohe Wirtschaftskompetenz zugesprochen wird. Das Gift des Neoliberalismus wirkt weiter.... Ein wirtschaftspolitischer Paradigmenwechsel ist nötiger denn je.
Solch einen Artikel könntest du auch über die CDU,FDP,Linke,Grünen machen.
Wobei die AfD keinen Genzid zusätzlich am Deutschen Volk, dabei spreche ich explizit von Volk und Nicht Staatsvolk.
Sie ist eben eine genauso skrupellose Partei wie alles anderen auch, was zukünftige Pöstchen anbelangt. Ich meine mal Frau Weidel hat früher nur für den Geldadel GoldmanSack gearbeitet.
Die Menschen sind lieber ärmer, statt ausgerottet zu werden und andere Linke Ideologien zulassen.