Wehrt euch, Sozialdemokraten!
Rechte bringen den Sozialstaat in Verruf und die SPD schaut dabei zu. Schluss damit. Diese 4 Reformen sollte die SPD jetzt einfordern!
Rechte nehmen den Sozialstaat unter Beschuss. Zu groß, zu teuer, zu bürokratisch, so der Tenor. Und sogar Schuld an der Wirtschaftsflaute. Selbst die Abschaffung des Bürgergeldes setzt den Forderungen nach radikalen Einschnitten kein Ende. Täglich gibt es neue Kürzungsvorschläge. Setzt die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag nicht falsche Anreize? Kann man am Entlastungsgeld für Pflegegrad 1 nicht sparen? Klammheimlich werden 2026 zudem Gelder für die psychologische Betreuung von traumatisierten Flüchtlingen halbiert.
Und die SPD? Legt sich unter den Teppich und wartet, bis alles vorbei ist. In der Hoffnung, dass vom Sozialstaat dann noch genug über ist und die bürgerliche Mitte die SPD nicht länger als „Partei der Arbeitslosen“ wahrnimmt? Und winkt derweil eine Unions-Geschenk nach dem nächsten durch den Koalitionsausschuss: Asylwende, Bürgergeld-Aus, Steuersenkungen für Unternehmen, für die Gastro und jetzt sogar für Flugtickets.
Das Problem: Je länger die Debatte gegen den Sozialstaat läuft und je mehr Wünsche der Union erfüllt werden, desto ruinöser wird der Ruf des Sozialstaats und desto kleiner die Verhandlungsmacht in der Koalition. Außerdem: Es ist ein Irrglaube, dass die SPD Stimmen in der Mitte gewinnt, indem sie rechte Angriffe auf den Sozialstaat einfach so passieren lässt.
Stattdessen sollten Sozialdemokraten sich wehren. Und mit eigener Offensive in die Debatte um den Sozialstaat gehen. Eigene Forderungen stellen. Gerne auch solche, die die Mittelschicht besserstellen. Einige sinnvolle Verbesserungen stehen sogar schon im Koalitionsvertrag, sie müssten nur umgesetzt werden. Und selbst wenn nicht dort stünden: Wirtschaftsministerin Katherina Reiche lässt sich auch nicht vom Koalitionsvertrag stoppen, wenn sie die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag infrage stellt.
4 Vorschläge für eine Sozialoffensive
Keine Gruppe in der Gesellschaft ist so von Armut bedroht wie Alleinerziehende. Das liegt auch daran, dass die Hälfte der Alleinerziehende gar kein Unterhalt vom Ex-Partner bekommen und ein weiteres Viertel zu wenig. Der Staat springt in solchen Fällen zwar ein und zahlt einen Unterhaltsvorschuss. Dieser Vorschuss deckt aber nur das Existenzminimum. Skandalös: Seit 2008 wird das Kindergeld voll auf den Vorschuss angerechnet. Sprich: Alleinerziehende um das Kindergeld gebracht. Damit spart der Staat jedes Jahr rund zwei Milliarden Euro auf dem Nacken von rund 830.000 Alleinerziehenden. Im Koalitionsvertrag ist immerhin geeint, das Kindergeld in Zukunft nur zur Hälfte anrechnen zu lassen. Also: Worauf warten, SPD?
Seit 2007 wurden außerdem Mindest- und Höchstsatz beim Elterngeld nicht mehr angepasst. Da aber das Preisniveau seither um mehr als 40 Prozent gestiegen ist, hat die Inflation das Elterngeld unten und oben entwertet. Unten trifft das kleine Einkommen, oben die Mittelschicht. Im Koalitionsvertrag steht: “Wir wollen die Einkommensgrenze und den Mindest- und Höchstbetrag spürbar anheben“. Wie viel genau, steht leider nicht drin. Ein vollständiger Inflationsausgleich wäre aber das Mindeste. Also: Worauf warten, SPD?
Beim Kindergeld herrscht ein Zwei-Klassen-System. Eltern aus der Mittelschicht bekommen 255 Euro Kindergeld pro Monat, sprich 3.060 Euro im Jahr. Eltern mit Spitzeneinkommen sparen hingegen über den Kinderfreibetrag bis zu 4.320 Euro an Steuern – bekommen also vom Staat für ein Kind 1.260 Euro mehr im Jahr. Eine Ungerechtigkeit, die sich einfach beheben ließe. Würde der Betrag für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf im Kinderfreibetrag von 2.928 auf 600 Euro gesenkt, würden 3,5 Milliarden Euro im Bundeshaushalt frei werden, mit denen man das Kindergeld um 20 Euro pro Monat erhöhen könnte. Oder aber den Kinderzuschlag für armutsbedrohte Kinder um ganze 120 Euro. Und das ganz ohne Belastung für den Bundeshaushalt, weil nur zwischen reichen Eltern und der Mittelschicht umverteilt würde. Reiche Eltern würden nicht einmal benachteiligt, sondern nur gleichgestellt. Ein No-Brainer, mit dem Sozialdemokraten bei Millionen Familien punkten würden!
Kleine und mittlere Einkommen werden durch Sozialabgaben stärker belastet als durch die Einkommensteuer. Das liegt daran, dass es für Sozialabgaben – anders als für die Einkommensteuer – keinen Freibetrag und keinen progressiven Steuertarif gibt. Statt also die im Koalitionsvertrag verabredete Senkung der Einkommensteuer durchzuziehen, sollte die SPD auf Zuschüsse zu den Sozialversicherungen bestehen, um so die Beiträge zu dämpfen – oder sogar zu senken. Immerhin hat Jens Spahn als damaliger Gesundheitsminister verbockt, der Kranken- und der Pflegeklasse die Corona-Kosten zu ersetzen. Also?
All diese Vorschläge würden Gruppen in der Gesellschaft besserstellen, die es erstens dringend benötigen und für die es zweitens eine breite Akzeptanz gibt. Die zusätzliche Kaufkraft käme außerdem der lahmenden Konjunktur zugute. Und der Sozialstaat würde mit positiver Wirkung verknüpft. Also: Worauf warten, SPD?


Leider hat die SPD jeden Mut und die komplette Weitsicht verloren. Es tut fast schon weh zuschauen zu müssen, wie sich diese einstmals gute Partei selbst versenkt! Sie ist zum reinen Steigbügelhalter für die rechtslastge CDU-CSU verkommen, und schafft es nicht einmal bereits vereinbarte Verbesserungen durchzusetzen! Es ist gleichsam traurig und beschämend, wie sich diese früher sozialdemokratische Arbeiterpartei wegduckt, bis zur Bedeutungslosigkeit!
Es ist natürlich auch eine Frage des Personals in der Führungsetage. Seit Schröder üfhlen sich immer mehr als Genosse der Bosse, den als Anwalt der Arbeitnehmer, Kinder, Mütter und sozial Abgehängte. Wie hat es Dieter Hildebrand einmal gesagt: wie will ich mit der Faust auf den Tisch hauen, wenn ich überall die Finger drinnen habe. Es scheint alles verloren zu sein, mit AfD und CDU und CSU wird es fürchtbar werden. Dann ist es aber zu spät. Die notwendigen Gesetze sind bereits beschlossen worden, weil man nicht über die Nasenspitze hinaus gedacht hat.