Der Tag der Entscheidung ist angebrochen. Die ersten Wahllokale haben geöffnet. Am Mittwochmorgen deutscher Zeit könnte sich die Entscheidung in der wichtigsten Präsidentschaftswahl der Welt schon abzeichnen. Wird es Trump oder Harris?
Weil Harris die wirtschaftspolitische Linie von Biden im Großen und Ganzen fortführen würde, lohnt vor allem ein Blick auf das Trump-Programm: Was würde er ändern? Hier eine Einordnung zu seinen drei wichtigsten Forderungen!
Steuern senken, Haushalt kürzen
Trump will die Unternehmensteuer weiter senken. Schon in seiner ersten Amtszeit hatte er den Steuersatz von 28 auf 21 Prozent gekürzt, nun soll es gar auf 15 Prozent runter gehen. Im Gegenzug würden aber die Steuergutschriften aus dem Inflation Reduction Act entfallen, den Trump streichen will.
Auch hat er in seiner ersten Amtszeit den Spitzensteuersatz von 39,6 auf 37 Prozent gesenkt. Das gilt allerdings nur bis 2025. Trump will das mindestens entfristen, vielleicht sogar den Steuersatz noch weiter senken. Außerdem soll das Limit für steuerliche Abzüge (derzeit bei 10.000 US-Dollar) aufgehoben werden, wovon vor allem Großverdiener profitieren.
Im Gegensatz zu Harris will Trump die Steuergutschrift für Kinder (ähnlich dem Kinderfreibetrag in Deutschland) nicht auf 6.000 US-Dollar anheben, sondern bei 2.000 Euro belassen. Zuschüsse für Mittelschichtsfamilien, die ihr Eigenheim kaufen, sieht Trump nicht vor. Harris will bis zu 25.000 US-Dollar als Steuergutschrift beisteuern.
Im Haushalt drohten unter Trump radikale Kürzungen, die vor allem Geringverdiener, Arbeitslose und Geflüchtete treffen würden. Hoffnung auf einen Kabinettsposten für den Haushalt macht sich schließlich niemand Geringeres als Elon Musk, der den US-Haushalt nach Vorbild des argentinischen Präsidenten Milei zurechtstutzen und die Staatsschulden reduzieren will. Die große Gefahr: Das würde die US-Konjunktur abwürgen und Millionen von Arbeitslosen erzeugen, die dann wiederum unter den Kürzungen litten.
Au Revoir Paris
Er ist schon in seiner letzten Amtszeit aus dem Paris-Abkommen ausgestiegen und er würde es wieder tun. Klimawandel ist für Trump ein „Hoax“, zu Deutsch: ein Schwindel, und Umweltauflagen und Klimaabkommen nur eine Bremse für die Energieproduktion und ein Inflationstreiber. Da Klimaschutz nur global gelingen kann, ist es das schlimmste aller Signale, wenn die größte Volkswirtschaft der Welt mit den weltweit zweithöchsten Emissionen (nach China) aus dem Abkommen aussteigt und sich des Klimaschutzes entledigt. Weil es die Emissionen hochtreibt und auch, weil es Nachahmer in anderen Ländern provoziert. Die Klimaziele wären noch mehr in Gefahr als ohnehin schon.
Um die Energiepreise zu senken, will Trump die Förderung von Öl und Gas ausweiten, also der Fossilindustrie ein zweites Leben einhauchen. Gerade, wenn die USA die heimische Produktion hochfährt, während Deutschland Öl und Gas mit dem Emissionshandel künstlich verteuert, dürfte das auch hierzulande Wasser auf die Mühlen der Konservativen und Rechten sein, die unter dem Deckmantel der Industriepolitik eine Rückabwicklung von Klimapolitik fordern.
20 Prozent auf alles, außer China-Importe
Während die Steuerpolitik von Trump neoliberal ist, ist die Handelspolitik protektionistisch. „Buy American, Hire American“ ist die Devisen. Um die eigene Industrie zu schützen und wieder groß zu machen, will er alle Importe mit Zöllen in Höhe von 20 Prozent belegen. Importe aus China sogar mit 60 Prozent. Dabei liefert kein Land so viele Waren in die USA wie China. 2022 waren es Waren im Wert von rund 536 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Aus Deutschland kamen Waren im Wert von 146 Milliarden US-Dollar. Überhaupt haben die USA einen großen Importüberschuss von fast vier Prozent der Wirtschaftsleistung, kauft also mehr im Ausland ein, als sie an das Ausland verkauft. Was für kleine Entwicklungsländer oder strategische Produktionsbereiche noch nachvollziehbar sein könnte, ist so pauschal für die USA ein großer Fehler.
Schließlich haben die USA weltweit das Privileg, in eigener Währung zu bezahlen. Der Dollar ist nun mal die Weltreservewährung und noch immer überall gefragt. Wenn andere Länder Dollar-Reserven aufbauen wollen, benötigen sie einen Exportüberschuss gegenüber den USA (nicht andersherum). Das ist für die USA aber ein Vorteil, den Trump übersieht. Weil sie mit eigener Währung im Ausland einkaufen können, ohne dass die Handelspartner mit den Dollars in den USA einkaufen gehen (zumindest nicht in gleicher Höhe). Der Importüberschuss bedeutet: die US vergrößert ihren materiellen Wohlstand, indem das Ausland für die US-Verbraucher mitproduziert – und sich mit US-Dollar-Guthaben (oder US-Staatsanleihen) zufriedengibt.
Dazu kommt: Die Zölle würden alle Importe verteuern und das Preisniveau anheben. Dabei verspricht Trump doch eigentlich eine niedrigere Inflationsrate. Ein Eigentor. In manchen Bereichen würden zwar US-Produkte die verteuerten Importe ersetzen, aber sicher nicht alle, geschweige denn viele. Heißt: Importe würden schlicht teurer. Am härtesten treffen würde das kleine und mittlere US-Einkommen. Für die geht nämlich ein größerer Teil des Einkommens für Konsumimporte drauf als für Spitzenverdiener und Reiche.
Individuelle Zölle in bestimmten Branchen können strategisch wichtige Industriezweige schützen. Aber 20 Prozent auf alles, ist schlicht Voodoo-Handelspolitik. Darunter würde auch Deutschland leiden, schließlich sind die USA der größte Abnehmer deutscher Exporte. Rund zehn Prozent aller Exporte gehen in die USA. Abzüglich der Importe hat Deutschland allein mit den USA einen Exportüberschuss von 63 Milliarden Euro. Besonders bitter: Für Deutschland wäre das dann schon der zweite Zollstreit – neben China – und das ausgerechnet mit den zwei wichtigsten Handelspartnern.
Insofern kann man sich nur wünschen: Möge Trump deutlich verlieren – und im Fall einer Niederlage die US-Demokratie nicht noch weiter anzünden.
Traurig (nicht nur) an dieser Wahl: Kaum jemand macht sich die Mühe, ein Wahlprogramm zu lesen oder gar die Konsequenzen zu verstehen. Entschieden wird nach Köpfen und Vorurteilen, als Parolen genügen ein paar Aufreger (Migration, Abtreibung, Wirtschaftswachstum ...). Anders lässt sich nicht erklären, dass Menschen so offensichtlich gegen ihre eigenen Interessen wählen.
Ein Sieg von Trump wäre ein Armageddon, nicht nur ökonomisch, aber auch. Dass er mit solchen abenteuerlichen Ideen bei vielen Wählern auch noch als wirtschaftskompetent durchgeht, ist schon deprimierend. Umso mehr danke nochmal für die Aufklärung!