Werden die Grünen ihr Eliten-Image los?
Lang ist daran gescheitert, den Grünen das Eliten-Image abzuschütteln. Ob Brantner das schaffen kann?
Ricarda Lang hat Recht: Die Grünen werden als Elitenprojekt wahrgenommen. Heute mehr denn je. Das zeigen auch die Wahlergebnisse. Die Grünen sind die Partei der einkommensstarken Akademiker in den Großstädten. Von denen werden sie überdurchschnittlich gewählt. Bei Nicht-Akademikern kommen sie deutlich schlechter an, bei Arbeitern fast gar nicht.
Solange das so bleibt, sagt Lang, können die Grünen keine Volkspartei werden. In der ARD-Doku Konfrontation gesteht sie sogar: Ich bin daran gescheitert, das Image zu ändern. Sie wollte das soziale Profil der Grünen schärfen, die Partei näher an Gewerkschaften bringen, hat in Talkshows immer wieder über Entlastungen, Inflation und Löhne gesprochen. Nun aber gibt sie auf und tritt als Parteichefin zurück. Ihre Analyse aber bleibt: Die Grünen müssen weg vom Öko-Eliten-Image.
Und jetzt die Vollblutakademikerin gegen das Elitenimage?
Genau das aber verkörpert Franziska Brantner. Seit 2013 im Bundestag, seit 2021 parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium und vor allem: die rechte Hand von Robert Habeck. Sie gilt als kluge und harte Verhandlerin mit Wirtschaftskompetenz. Sie entwarf für Habeck zum Beispiel die Rohstoffstrategie und koordinierte den Stopp von Nord Stream 2. Eigentlich wollte Habeck sie zur Wahlkampfleiterin machen, nun aber kandidiert Brantner als Parteichefin – offensichtlich auf Wunsch von Habeck, der sich gleich nach Bekanntgabe öffentlich für sie stark gemacht hat. Die Frage stellt sich aber: Ist sie die richtige, um das Elitenimage abzustreifen?
Wohl kaum. Sie verkörpert, was sie ist: eine nerdige Vollblutakademikerin und eine machthungrige Besserwisserin. Ihre Vita ließt sich wie das perfekte Klischee: Sie studierte Politikwissenschaften an Eliteuniversitäten wie der Sciences Po in Paris oder der Columbia University in New York, promovierte an der Uni Mannheim, arbeitete bei den Vereinten Nationen und der Bertelsmann Stiftung, bevor sie erst in das EU-Parlament und dann in den Bundestag einzog.
Seit 2009 ist die 45-Jährige aus Heidelberg Parlamentarierin und trotzdem außerhalb ihres Wahlkreises völlig unbekannt. 17.000 Follower hatte sie auf Instagram, bevor sie ihre Kandidatur vor vier Tagen bekannt gab – heute sind es trotz Medienrummel gerade einmal viertausend mehr. Hype? Fehlanzeige.
Ihre Bewerbung postete sie auf Instagram, unterlegt mit dem Grönemeyer-Song „Zeit, dass sich was dreht“, aber jeder ihrer Sätze ist aalglattes und inhaltsloses Politblabla, gemischt mit Floskeln aus PoWi-Seminaren, die kein Mensch versteht. Hier ein paar Beispiele:
„Wir stehen in der Tradition von Fortschritt und Aufklärung und haben beide doch ganz neu definiert.“
„Es braucht Bündnisgrüne, weil wir für die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger über den Horizont hinaus denken.“
„Es braucht grüne Politik, weil wir Bündnisgrünen wissen, dass Freiheit auch Wurzeln braucht, eine Verankerung des Individuums in seiner Gemeinschaft.“
„Es braucht grüne Politik, weil wir Bündnisgrünen nicht nur Staat und Markt, sondern zentral die Bürgergesellschaft als dritte Kraft sehen.“
„Wir können als Partei der demokratische Ort sein, an dem sich Menschen versammeln, die an unser Land und Europa glauben. Dafür trete ich an.“
Nicht eine konkrete Forderung. Keine einzige. Wohin dieser „Neustart“ gehen soll, den sie ankündigt, weiß danach niemand.
Zweifelsohne sind Habeck und Brantner kluge Köpfe, aber navigieren sie die Grünen auch in die richtigen Gewässer?
Merkel-Kurs in Richtung Schwarz-Grün?
Man ahnt es höchstens, wenn man sich ihr erstes größeres Interview in der ZDF-Sendung Berlin direkt anhört. Man muss gut aufpassen, um in den fünf Minuten Floskelfeuerwerk konkrete Botschaften zu finden. Selbst der Moderator wirft ihr vor, den Fragen auszuweichen. Drei Mal leitet Brantner gegenüber dem Moderator von oben herab mit „Wissen sie“ ein, um dann auf die konkrete Frage nicht zu antworten.
Zwei Botschaften gibt es aber. Erstens: Sie will Menschen erreichen, die sich Ordnung in der Migrationspolitik wünschen (Wer wünscht sich eigentlich Unordnung?), also: die Grünen nach rechts rücken, nicht nach links. Und zweitens, lobpreist sie, schwarz-grüne Bündnisse könnten „unglaublich viel zustande bringen“, im Klartext: sie will Schwarz-Grün.
Der inhaltslose Schwarz-Grün-Kurs passt zwar zum Merkel-Kurs von Habeck, ist aber durchaus riskant. Weil die Grünen mit härter Migrationspolitik der CDU, dem BSW und der FDP keine Wähler abgraben können – schon gar nicht der AfD -, sehr wohl aber Kernklientel verprellen. Bestes Beispiel: ihre Jugendorganisation. Gleichzeitig ist eine Franziska Brantner – unbeachtet ihrer Wirtschafts- und Verhandlungskompetenz – offensichtlich aber nicht dazu geeignet, den Grünen das Elitenimage abzuschütteln, das Nicht-Akademiker und Arbeiter abschreckt.
Zweifelsohne sind Habeck und Brantner kluge Köpfe, aber navigieren sie die Grünen auch in die richtigen Gewässer? Wenn man Ricarda Lang den Zustand der Grünen beschreiben und offen über Versäumnisse reden hört, bekommt man jedenfalls nicht den Eindruck, dass Brantner die Lösung dafür sein kann. Im Gegenteil. Zumal auch sie Habecks größte Patzer, die Gasumlage und das Heizungsgesetz, nicht vermeiden konnte.
Auf dem für Mitte November geplanten Bundesparteitag in Wiesbaden soll der neue Vorstand gewählt werden. Vielleicht wird der Brantner-Kurs bis dahin etwas klarer. Und: vielleicht belehrt sie mich eines Besseren. Ich würde es den Grünen und dem Klimaschutz wünschen.
In der Konfrontation-Doku kommt Ricarda Lang insgesamt recht sympathisch rüber und ihre politischen Anliegen sind glaubwürdig und unterstützenswert. Die Kompromissbereitschaft der Grünen in der Koalition und auch von Ricarda Lang im Besonderen ist m.E. hier leider nicht nur eine Stärke, sondern eben auch eine Schwäche, weil die sinnvollen Anliegen zu sehr verwässern und sich die FDP eben immer wieder durchsetzen konnte. Gerade in der Reflexion am Ende der Feldenkirchen-Doku zeigt Ricarda Lang Einsichten, die eigentlich eine super Basis für die weitere Arbeit wären.
Im Kontrast dazu wirkt Brantner kühl, bürokratisch, unnahbar. Die Tendenz zur Mitte und das gleichmäßige Mitrücken mit allen anderen Parteien nach rechts wird ein fataler Fehler sein. Nachdem sich die Linkspartei zerlegt hat und das BSW nicht links ist, nachdem Scholz auf Titelseiten Abschiebungen gefordert hat, braucht es doch gerade eine Partei, die klar und deutlich für mehr Gerechtigkeit eintritt. Dies kombiniert mit dem Klima-Thema wäre etwas, das rein faktisch eine Politik für die große Mehrheit aller Menschen wäre.
Hoffen wir, dass Banaszak einen starken Gegenpol setzen kann.
Verfolgt man die Kritik an den Grünen, ist der Vorwurf aber doch eher, sie seien realitätsfremde Traumtänzer. Sie hätten nix gelernt, seien Studienabbrecher und gescheiterer Kinderbuch Autoren. Gerade diejenigen Arbeiter, die der AfD zu neigen, haben doch gar nichts gegen Eliten wie Trump, erfolgreiche Anwälte oder Wirtschaftsleute. Selbst der Adel wird dort hofiert.
Vor dem Hintergrund scheint mir die Einschätzung, die Grünen würden als Elitenprojekt (welche und warum werden die abgelehnt im unterscheid zu anderen Eliten) wahrgenommen zumindest schief.