Wilde Theorien über Trumps wahren Plan
Trump crasht die Wirtschaft, um Zinsen zu sparen und günstige Einstiegskurse für die Elite zu schaffen? Unsinn!
In den sozialen Medien kursieren wilde Theorien darüber, was wirklich hinter Trumps Plänen steckt. Vorne mit dabei: rechte Crashproheten und Bitcoinfans wie Marc Friedrich. Die zwei prominentesten Theorien gehen so: Trump habe mit seiner Zollpolitik absichtlich einen Börsensturz herbeigeführt, um einerseits Zinskosten im Haushalt zu sparen und andererseits der reichen Wirtschaftselite günstige Aktienkurse zum Nachkaufen zu ermöglichen.
Kann das sein? Immerhin, könnte man meinen, habe Trump diese Theorien ja selbst damit befeuert, dass er vom Chef der US-Zentralbank mehrfach öffentlich Zinssenkungen gefordert hat (was in Deutschland übrigens ein No-Go wäre, weil die Zentralbank politisch unabhängig sein soll). Allerdings spricht sonst doch ziemlich viel dagegen. Etwa diese fünf Gründe.
Darum stimmen die Theorien nicht
Erstens: Beide Theorien widersprechen sich. Denn die reiche Elite profitiert von nominal hohen Zinsen. Wer reich ist, freut sich nicht über günstige Kredit-, sondern über hohe Guthabenzinsen. Wenn zehnjährige US-Anleihen, die sichersten Anleihen der Welt, risikolos vier Prozent Rendite bringen, ist das eine risikolose Geldvermehrungsmaschine für alle, die schon viel Geld haben. Trump erweist seinen reichen Günstlingen also keinen vermeintlichen Gefallen, indem er die Zinsen nach unten drückt. Auch sind Reiche bereits mit einem Großteil ihres Vermögens investiert und leiden deshalb unter fallenden Kursen mehr, als sie von „günstigen Einstiegskursen“ profitieren. Zumal sie häufig selbst Unternehmer sind und als solche von der Zollpolitik Schaden nehmen.
Zweitens kostet eine Rezession den Bundeshaushalt mehr Geld, als sie potenziell an Zinskosten sparen könnte. Denn wenn die Wirtschaft kriselt, sinken die Steuereinnahmen und steigen die Sozialausgaben. Und allein die Steuereinnahmen sind mit über acht Billionen US-Dollar ein acht-mal größerer Faktor als die Zinsausgaben. Den Punkt aber ignorieren all jene, die diese wilde Zinstheorie teilen.
Drittens: Wenn Trump nur Druck auf die Zinsen hätte machen wollen, hätte er eine deflationäre Politik ankündigen müssen. Pauschale Einfuhrzölle auf alles Mögliche sind aber das komplette Gegenteil; sie wirken inflationär, weil sie alle Importe verteuern – und zwar Konsumprodukte wie Vorleistungsgüter. Auf steigende Preise wird die US-Zentralbank aber mit höheren Zinsen antworten und nicht mit niedrigeren. Mit Zöllen die Zentralbank zu Zinssenkungen zwingen zu wollen, wäre ziemlich absurd.
Dazu kommt: die Rendite auf zehnjährige US-Staatsanleihen ist zwar zu Beginn des Kursrutsches an den Aktienmärkten kurz gefallen, weil viele Anleger ihr Geld aus Aktien in Anleihen umgeschichtet haben. Das ist der klassische Raus-aus-dem-Risiko-Zug, den man häufig in chaotischen Zeiten an der Börse erkennen kann. Mittlerweile stehen die Anleihen aber wie dort, wo sie vor der Ankündigung standen.
Viertens: Wenn es Trump um Geschenke für die reiche Wirtschaftselite ginge, hätte er ihnen auch mit Steuersenkungen, Staatsaufträgen oder Subventionen zu mehr Reichtum verhelfen können. Das wäre deutlich unkomplizierter gewesen, als einen Börsencrash samt Handelskonflikten mit 185 anderen Ländern vom Zaun zu brechen. Selbst Elon Musk soll Trump ja davon abgeraten haben. Weil er offenbar wusste, dass das ziemlich hohe Verluste für ihn bedeuten wird. Noch mehr als er ohnehin schon seit Beginn des Jahres wegen der Aktienflaute von Tesla zu ertragen hat!
Und fünftens ist eine Rezession samt Preiserhöhungen und zerstörten Lieferketten schwer zu kontrollieren – und politisch unpopulär. Wenn Firmen sich in Folge der Ankündigungen andere Lieferanten oder Abnehmer suchen, wenn andere Länder aus der Not heraus neue Handelsabkommen und -kooperationen schließen und die USA isolieren, wenn Konsumenten ihre Einkaufsgewohnheiten an das neue Preisgefüge anpassen, wenn Arbeiter gekündigt werden und in andere Branchen wechseln, dann sind das alles Entscheidungen, die sich nicht aus dem Weißen Haus kontrollieren lassen und langfristig großen Schaden bedeuten können. Wie tief eine politisch herbeigeführte Rezession also wirklich würde und welche Nebenwirkungen sie hätte, kann man vorher nicht abschätzen. Dazu ist eine Rezession samt Einkommens-, Job- und Börsenverlusten unpopulär und verprellt die Wähler. Gleiches gilt für Inflation. Zumal Donald Trump von den Inflationsverlierern gewählt wurde, um die Inflation zu beenden. Ein solches politisches Risiko würde selbst er nicht eingehen, nur um die Zinskosten zu senken.
Vernünftige Gründe für diese wilden Theorien gibt es also nicht. Sie kommen allerdings auch aus einer Blase, die die Wahl von Donald Trump gefeiert hat und ihm aller Fehlentscheidungen zum Trotz politische Genialität zuschreiben will. Deshalb denkt man sich eben etwas aus, auch wenn es noch wirrer ist als Trump selbst. Ernstnehmen sollte man weder solche Theorien noch die Leute, von denen sie stammen.
Kannst du vielleicht auch einen Artikel zu schreiben, welche wahrscheinlichen Gründe es geben könnte, dass er grad agiert wie er agiert?
Denn immerhin verprellt er sich ja grad nicht nur einen Großteil seiner Wählerschaft (abgesehen von den MAGA-Leuten), sondern auch den Rückhalt vieler republikanischer Gouverneure und Senatoren.
Lieber Maurice,
Seit einiger Zeit lese ich und höre, bzw sehe deine Posts.
Da ich auch Heiner Flassbeck für sein unermüdlichen Eintreten gegen die Neoklassik teile, fehlt mir noch etwas deine Einschätzung dazu. Zum Beispiel zu einem seiner letzten Einträge in seinem Block.
Danke und weiterso.