Linke Mythen über Lindners Aktienrente
Warum Linke die Aktienrente aus den falschen Gründen verteufeln
Christian Lindner bekommt seinen Wunsch erfüllt. Der Staat geht dieses Jahr mit zehn Milliarden Euro an die Börse. Wie das geht? Der Finanzminister verkauft Staatsanleihen im gleichen Wert und lässt das Geld von der öffentlich-rechtlichen Stiftung KenFo anlegen. Nicht Lindner bestimmt also, wie angelegt wird, sondern die Stiftung. Lindner gibt aber die Regeln vor: Aktien sollen erlaubt sein und Nachhaltigkeitskriterien eine Rolle spielen. Das Risiko für eventuelle Verluste trägt der Bund, versichert Lindner, als er sein Konzept vorstellt.
Wenn es nach ihm geht, soll das keine Eintagsfliege bleiben. Lindner will jedes Jahr aufs Neue zehn Milliarden anlegen, mindestens die nächsten 15 Jahre. Und auch erst dann sollen möglichen Renditen verwendet werden. Nur so komme ein brauchbarer Kapitalstock zusammen. Das Ziel: Mit den Renditen aus den dann wohl mehr als 150 Milliarden an Kapitalstock soll die gesetzliche Rente entlastet werden. Wobei eigentlich gar nicht die Rente entlastet wird, sondern nur der Bundeshaushalt. Der stockt nämlich derzeit die Rentenkasse kräftig auf, mit mehr als 100 Milliarden pro Jahr. Die Aktienrente ist also viel mehr eine Aktienrücklage für den Bundeszuschuss: je mehr der Bund an der Börse verdient, desto mehr spart er an Rentenzuschüssen im Haushalt. Weder sollen die Renditen aber die Rentenbeiträge senken noch das Rentenniveau erhöhen. Die nächsten Jahre werden die Rentner davon also gar nichts mitbekommen, solange sie nicht in den Geschäftsbericht der KenFo schauen.
Beschlossen ist der 15-Jahres-Plan im Kabinett allerdings noch nicht. Gleichwohl ist Lindner optimistisch. Er sehe dafür einen »einen gemeinsamen politischen Willen«, sagt er. Schließlich sei im Koalitionsvertrag vereinbart, auf Rentenkürzungen und eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters zu verzichten. Und »um diese Zusage generationengerecht abzusichern, werden wir zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen«, so Lindner.
Weder Liberale noch Linke sind mit der Aktienrente glücklich. Liberalen geht sie nicht weit genug, Linken hingegen geht sie schon längst zu weit.
Mit der Aktienrente aus dem FDP-Wahlprogramm hat das, was Lindner angekündigt hat, auch nicht mehr viel zu tun. Die FDP wollte, dass sich die Bürger direkt mit einem Teil ihrer eigenen Rentenbeiträge am Kapitalmarkt beteiligen und so von den Renditen profitieren können. »Echtes Eigentum für die Altersvorsorge« lautete der Plan, Schweden war das große Vorbild. Davon ist nichts übrig. Vorerst zumindest. Arbeitsminister Hubertus Heil, der formal für die Rente verantwortlich ist, stellt klar: »Mir ist wichtig zu sagen: Wir legen keine Sozialversicherungsbeiträge an.« Die Aktienrente ist eigentlich keine mehr. Deshalb versucht sich Lindner auch im Namenswechsel – »Generationenkapital« nennt er es jetzt.
Was die FDPler vermissen, sehen einige Linke schon als Problem. Allerdings häufig aus den falschen Gründen.
Mythos 1: Das Umlageprinzip wird gekippt, die Rente privatisiert
Das wäre tatsächlich fatal, ist aber nicht der Fall. Eigentlich bleibt alles beim alten Umlageprinzip, bei dem die Erwerbstätigen mit ihren Beiträgen die Rentner finanzieren. Die Beiträge bleiben gleich, das Rentenniveau gleich, die Ansprüche gleich. Auf die Riester-Rente hätte die Kritik gepasst, auf die Aktienrente nicht.
Eher spielt der Staat mal Hedgefonds. Er beschafft sich zu niedrigen Zinsen Geld (durch den Verkauf von Anleihen) und legt es in der Hoffnung auf höhere Zinsen und Kursgewinne und Dividenden an. Man kann es auch so sehen: Der Bund beteiligt sich weltweit an Unternehmen, um von dort Gewinne für den eigenen Haushalt abzuzwacken. Selbst bei sieben bis zehn Prozent Rendite brächte das ab 2038 (Auszahlungsbeginn nach Lindners Wunsch) gerade einmal einen niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag, brächte also nicht mehr als ein paar Prozent der dann jährlich benötigten Rentensumme. Ein Tropfen auf den heißen Stein.
Mythos 2: Das Geld fehlt woanders
Ja, ich kann nicht leugnen, dass die zehn Milliarden jedes Jahr an anderen Ecken besser platziert wären. Aber, nein, die zehn Milliarden für die Aktienrente fehlen nirgendwo anders. Das Argument ist schlicht falsch. Da die zehn Milliarden nicht ausgegeben, sondern angelegt werden, gelten sie als »finanzielle Transaktion«. Ein wichtiges Detail, denn finanzielle Transaktionen unterliegen nicht der Schuldenbremse, schränken also den Haushalt nicht ein. Zehn Milliarden für die Aktienrente hießen nicht zehn Milliarden weniger für anderes.
Im Gegenteil: Wenn die Renditen in Zukunft den Bundeszuschuss für die Rentenkasse schmälern (oder nicht so stark steigen lassen), entstehen unter der (unsinnigen) Schuldenbremse sogar neue Spielräume. Bei den zuvor erwähnten zehn Prozent Rendite wären das also über 15 Milliarden mehr für anderes. Das ist nicht zwar viel und das ist auch nicht der richtige Weg, weil man so faktisch die Schuldenbremse mit Gewinnen aus dem Ausland hintergeht, aber den Mythos entlarvt es trotzdem.
Mythos 3: Spekulationsverluste zahlt der Steuerzahler
Ein Klassiker, der mal wieder von Ulrich Schneider zum Besten gegeben wurde. Schneider, seit zwei Jahrzehnten Präsident des Paritätischen Gesamtverband, kommentierte die Aktienrente so in der Tagesschau:
»Wenn man spekuliert und wenn man sich verspekuliert oder wenn eine große Wirtschaftskrise da ist, die auf große Börsennotierungen durchschlägt, gibt es weiterhin das Risiko von Verlusten. Dafür muss nach Lindners Plänen der Steuerzahler aufkommen!«
Daran ist alles falsch.
Erstens, Verluste für Rentner sind ausgeschlossen, weil ihre Rentenansprüche von der Anlageperformance unabhängig sind. Deswegen beteuert Hubertus Heil, es würden keine Sozialbeiträge angelegt, sondern aufgenommenes Kapital. Verluste könnte höchstens die Stiftung machen, die das Geld für den Bund anlegt, nicht die Rentenkasse selbst. Und wenn das passiert, kommt der Bund für die Verluste auf. Heißt: Die Rentenansprüche sind dadurch nicht gefährdet.
Zweitens, im Feuer stünde höchstens das Geld aus dem Bundeshaushalt. Weil das aber an der Schuldenbremse vorbeiläuft (Stichwort: finanzielle Transaktion), bedeuteten Verluste, die der Bund begradigen muss, keine Kürzungen im Haushalt. Die öffentliche Verschuldung würde zwar steigen, aber Kürzungsnot entstünde nicht. Und überhaupt ist sinnfrei, von »Steuergeld« zu sprechen. Die zehn Milliarden beschafft sich der Staat, indem er Banken neue Anleihen verkauft. Die Banken bezahlen mit Zentralbankgeld, kein Steuerzahler ist hier beteiligt. Den Bundeshaushalt mit einem Steuersäckel gleichzusetzen, ist ein neoliberales Hirngespinst.
Zum Schluss: Spekulationsverluste über lange Anlagehorizonte sind zwar möglich, aber unwahrscheinlich. Für diese nüchterne Einsicht muss man nicht einmal Aktienfan sein. Der Indexfonds MSCI World, der die nach Börsenwert größten Unternehmen der Industriestaaten bündelt, hat seit 1975 eine durchschnittliche Rendite von rund 9 Prozent jährlich erzielt. Sollte dieser Index crashen, haben wir ganz andere Probleme als die paar Milliarden Kursverlust für unsere Aktienrente – sorry, Generationenkapital! Dann ist nämlich mit Sicherheit die Wirtschaft als Ganzes gecrasht. Davor bleibt weder eine neumodische Aktienrente noch ein altmodisches Umlageprinzip gefeit. Insofern ist das mit den Spekulationsverlusten ein gut gemeinter, aber schlecht durchdachter Strohmann. In Debatten mit Liberalen gewinnt man damit keinen Blumentopf.
Die Aktienrente ist OK
Nur weil von links Mythen vorgebracht werden, ist Kritik natürlich nicht unberechtigt. Nur sollte sie eben auch treffsicher sein. Die Aktienrente, wie sie jetzt kommen soll, richtet nicht viel Schaden an, aber sie hilft eben auch nicht weiter. Das wahre Rentenproblem wird damit weder verschlimmert noch verbessert. Verbesserungen bräuchte es aber dringend. Allein dafür müssen andere Hebel gezogen werden. Welche das sind, habe ich zuletzt in diesem Artikel beschrieben.
Wenn es so leicht ist mit "finanziellen Transaktionen", bezahlt mit Bundesanleihen, Aktien zu kaufen, wieso macht dies der Bund nicht mit 100 Milliarden oder mehr pro Jahr und kann vielleicht aus den Gewinnen sprich Dividenden seinen gesamten Bundeshaushalt daraus bezahlen? Besonders die Aktien von Unternehmen der Energie-, Gesundheits-, etc. -Branchen wären gute Anlagen, damit endlich die "richtigen" Teile der Wirtschaft wieder in den Besitz der Allgemeinheit gelangen. Das wäre doch ein "gesunder Sozialismus" durch die Hintertür!
Eine konkrete Frage:
Wie geht das zusammen ?
Gibt es ein Ungleichgewicht wenn der Indexfonds seit 1975 im Schnitt um 9% gestiegen ist aber die Wirtschaftsleistung diesem hinterherhinkt ? Wer zahlt die Differenz ? Oder wo ist der Denkfehler ?
Danke schön