Ampel prellt Pflegekassen um Milliarden
Um im Haushalt zu sparen, erstattet die Ampel den Pflegekassen nicht die vorfinanzierten Pandemiekosten. Die Quittung zahlen die Beitragszahler
Schon wieder bricht die Ampel ein Koalitionsversprechen. Und womöglich sogar (schon wieder) die Verfassung, wie ein neues Rechtsgutachten begründet. Die Pflegekassen und Sozialverbände sind empört, die Beitragszahler sollten es auch sein. Sie werden belastet, weil die Ampel die Schuldenbremse höher hängt – schon wieder!
Der Hintergrund: Die Pflegekassen haben seit 2020 13,1 Milliarden Euro an Pandemie-Kosten für den Staat vorgestreckt. 7,3 Milliarden Euro an coronabedingtem Mehraufwand, 4,4 Milliarden Euro an Testkosten und 1,4 Milliarden Euro für Corona-Prämien und den Pflege-Bonus. Bisher wurden davon allerdings nur 5,5 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt erstattet und 1,6 Milliarden Euro wurden auf die Krankenkassen umgelegt. Bleibt also ein Loch von rund sechs Milliarden Euro für die ohnehin pleitegefährdeten Pflegekassen.
Kleine und mittlere Einkommen zahlen die Quittung
Im Koalitionsvertrag hat die Ampel noch versprochen, die „pandemiebedingten Zusatzkosten aus Steuermitteln zu finanzieren“. Allerdings ist das bisher nicht geschehen und im letzten Ampel-Haushalt auch nicht vorgesehen. Auf Anfrage von CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger verweist Staatssekretärin Sabine Dittmar aus dem Gesundheitsministerium auf die „derzeit angespannte Lage des Bundeshaushalts“. Im Klartext: Dafür gibt es kein Geld.
Die Schuldenbremse darf nicht als Ausrede für rechtswidriges Handeln zulasten der Pflegeversicherung dienen.
Die Folge: Die Kassen müssen das Loch mit dem Geld der Beitragszahler stopfen – und die Beitragssätze erhöhen. Das ist gleich zweifach bitter. Erstens, weil die Pflegekassen ohnehin finanziell unter großem Druck stehen, da es in der alternden Gesellschaft nun mal immer mehr Pflegefälle geben wird – und dadurch die Kosten steigen werden. Und zweitens, weil Sozialbeiträge vor allem kleine und mittlere Einkommen überproportional belasten. Schließlich gibt es anders als bei der Einkommensteuer keinen progressiven Tarifverlauf, dafür aber eine Beitragsbemessungsgrenze.
Wie schon vor einigen Wochen in diesem Artikel (hier) erklärt, hätte die Ampel die Gelder für den Abbau der kalten Progression besser in eine Dämpfung der Sozialbeiträge investiert – und sich den aufkeimenden Konflikt mit den Kassen und Verbänden erspart. Das hätte kleine Geldbeutel stärker entlastet und die Haushalte von Ländern und Kommunen geschont. Allerdings auch weniger Steuerersparnis für Spitzenverdiener bedeutet.
Rechtsgutachten legt Verfassungsbruch nahe
Die DAK hat ein Rechtsgutachten der Juristin Prof. Dr. Dagmar Felix von der Uni Hamburg beauftragt. Sie kommt zu dem Schluss, dass die genannten Pandemieausgaben versicherungsfremde Leistungen sind, die – wichtig – der gesamten Gesellschaft und der Bekämpfung der Pandemie dienten, und nicht nur den Versicherten. Solche Leistungen werden zwar üblicherweise von den Kassen vorfinanziert, aber letztlich vom Staat erstattet. Den Kassen die Ausgaben nicht zu erstatten, sei „eine Überschreitung der verfassungsrechtlichen Grenzen für den Umgang mit Sozialversicherungsbeiträgen“, so das klare Fazit der Juristin.
Auch DAK-Vorstandschef Andreas Storm nennt das Vorgehen der Ampel „eindeutig verfassungswidrig“ und fordert vom Bund die kurzfristige Rückzahlung der entnommenen Gelder, um massive Beitragssteigerungen in der Pflegeversicherung ab 2025 zu verhindern. „Die Schuldenbremse darf nicht als Ausrede für rechtswidriges Handeln zulasten der Pflegeversicherung dienen“, so Storm. Der Pflegeversicherung drohe in wenigen Monaten die Zahlungsunfähigkeit. Außerdem sei finanzieller Spielraum für die geplante Pflegereform des Bundesgesundheitsministers Lauterbach nötig. Auch Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende vom Sozialverband Deutschland und Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt, schließen sich der Forderung an, der Bund solle die Löcher dringend stopfen. Verbände, die übrigens traditionell der SPD nahestehen, aber jetzt vom „Respektkanzler“ geprellt werden.
Den Versicherten drohen höhere Belastungen und der Ampel Verfahren vor Gericht. Denn das Gutachten stellt klar, dass Versicherte, einzelne Pflegekassen oder deren Spitzenverband rechtliche Schritte gegen diese Zweckentfremdung einleiten könnten. Ob sie das machen, ist noch offen. Ökonomisch und politisch ist der Schaden aber längst angerichtet: Schuldenbremse und Sparwahn gefährden den Sozialstaat – und belasten die arbeitende Mehrheit. Als hätte es noch nicht genug Beweise dafür gegeben, liefert die Ampel hiermit einen weiteren.
Wann gibt die Ampel eigentlich endlich zu, dass sie ab jetzt - aufgrund des Wahlkampfes - nicht mehr im Interesse der gesamten Gesellschaft, sondern ausschließlich in dem des FDP-Klientels handeln wird?
Unfassbar, was sich hier erlaubt wird.
Maurice - vielen vielen Dank, dass du dir sowas beruflich reinziehst🙏🏼
Hätte man damals die Gelder des wirtschaftsstabilisierungsfond dafür nutzen können oder passte das nicht zu den Zwecken des Fonds?