Faule Versprechen für die Krankenversicherung
20 Milliarden Euro: So teuer sind die gebrochenen Koalitionsversprechen für Kassen und Beitragszahler
Mit weniger Netto vom Brutto verabschiedet sich die Ampel aus der Regierung. Zum ersten Januar wird nicht nur der Pflegebeitrag um 0,2 Prozentpunkte steigen, sondern auch der Zusatzbeitrag für die Krankenversicherung um 0,8 Prozentpunkte. Wer 3.000 Euro brutto im Monat verdient, hat dadurch im Monat grob 15 Euro weniger netto. Aufs Jahr gerechnet sind es schon 180 Euro.
Zum Vergleich: Bei dieser Einkommenshöhe bringt der Abbau der kalten Progression gerade einmal knapp 100 Euro Entlastung im Jahr. Kleine und mittlere Einkommen werden also durch die Kombination aus höheren Sozialabgaben und Abbau der kalten Progression ärmer. Große Einkommen hingegen nicht, weil die überproportional vom Abbau der kalten Progression profitieren, aber von steigenden Abgaben nicht mit ihrem ganzen Einkommen betroffen sind (hier erklärt). Zum Abschied verschenkt die Ampel also Trostpflaster an Arme und Champagner an Reiche.
Dabei wäre die historisch starke Anhebung der Beiträge gar nicht nötig gewesen, hätte sich die Ampel nur an den Koalitionsvertrag gehalten. Das steht nämlich drin, dass die Ampel den Pflegekassen die coronabedingten Mehrkosten erstatten will. Hat sie aber nicht vollständig gemacht und schuldet noch immer sechs Milliarden Euro (hier erklärt).
Außerdem steht im Koalitionsvertrag, dass die Ampel den Kassen mehr Geld für Bürgergeldbezieher geben will. Weil die nicht selbst in die Kasse einzahlen, aber natürlich Leistungen beziehen, zahlt der Bund eine Pauschale. Diese Pauschale ist aber viel zu klein, wie die Krankenkassen und Verbände seit Jahren monieren.
“Wir bekennen uns zu einer stabilen und verlässlichen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Den Bundeszuschuss zur GKV dynamisieren wir regelhaft. Wir finanzieren höhere Beiträge für die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II aus Steuermitteln.”
– Koalitionsvertrag, Seite 68
Dieses Jahr beträgt die Pauschale 119 Euro. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Beitrag eines Mindestlohnempfängers beträgt fast das Dreifache, nämlich 350 Euro pro Monat. Die Folge: Gut neun Milliarden Euro an Beitragseinnahmen fehlen den Krankenkassen jedes Jahr. „Wir finanzieren höhere Beiträge für die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II aus Steuermittel“, versprach die Ampel im Koalitionsvertrag. Daraus wurde nichts.
Und dann ist da noch das Versprechen, dass die Ampel den Zuschuss an die Krankenkasse aus dem Bundeshaushalt „regelhaft dynamisieren“ will. 2024 ist der Zuschuss mit 14,5 Milliarden Euro aber wieder so gering wie 2017. Allein 2022 und 2023 hat die Ampel einmalig höhere Zuschüsse für die Coronakosten beschlossen. Bereinigt man die 14,5 Milliarden Euro in diesem Jahr noch um die Inflation, bleiben davon nur etwas mehr als zehn Milliarden Euro über. Real sind die Zuschüsse also seit 2017 sogar gesunken. So viel zur „regelhaften Dynamisierung“.
Warum gibt es nicht mehr Geld? Schuldenbremse! Das gestand zumindest das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage der AFD im Frühjahr ein: „Im Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP ist vereinbart, den Bundeszuschuss zur GKV regelhaft zu dynamisieren und höhere Beiträge für Beziehende von Bürgergeld zu finanzieren. Angesichts der angespannten Haushaltslage des Bundes und der Vorgaben der Schuldenbremse konnten diese Maßnahmen jedoch bisher nicht umgesetzt werden“.
In Summe macht das rund 20 Milliarden Euro, die die Ampel den Sozialversicherungen versprochen, aber nicht gegeben hat. Anders gewendet: Weil Schulden im Bundeshaushalt vermieden werden, müssen die Beitragszahler die Quittung dafür zahlen. Statt im kommenden Bundestagswahlkampf wieder Scheindebatten über eine Reform der Einkommensteuer zu führen, sollten sich die Mitte-Links-Parteien mal die Sozialabgaben vorknöpfen!
Danke für die Klarstellung. Das ist eine große Sauerei und Schlamperei! Wieder mal werden allein die gesetzlich Versicherten zur Kasse gebeten. GKV steigt stetig und die PV wird durch die Decke schießen oder die Pflege ganz zusammenbrechen. Ich glaube aber nicht, dass eine neue Regierung das irgendwie anders machen wird. Ganz im Gegenteil: Der Sozialabbau wird rapide weiter zunehmen.
Vielen Dank Maurice!
Mir stellt sich folgende Frage; wie gut können Wahlkampfversprechen bezüglich der Sozialabgaben überhaupt noch funktionieren, nachdem SPD & Grüne jetzt drei Jahre lang das Vertrauen bei dem Thema verspielt haben? Besonders Scholz‘ SPD hatte ja auch mit dem sozialen Wohnungsbau geworben, aus dem dann leider viel weniger wurde als erwartet..