13 Kommentare
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Avatar von Philipp
3dBearbeitet

Das Problem fängt doch schon dabei an, dass die "Wirtschaftsweisen" als "Wissenschaftler" bezeichnet werden. Nichts gegen dich, Maurice, du bist ja auch Wirtschaftswissenschaftler, aber unsere "Wirtschaftsweisen" sind bestenfalls Priester. Mit Wissenschaft haben die so viel am Hut, wie der Klerus im Mittelalter. Mehr als ihren Glauben haben die nicht vorzuweisen. Und ihr Glaube wird seit Jahrzehnten von der Realität falsifiziert - aber sie halten eisern daran fest.

Wären sie echte Wissenschaftler, hätten sie ihre Theorien und Ansichten schon längst hinterfragt, weil sie offensichtlich nicht zur Realität passen. Tun sie aber nicht. Sie halten an ihren Glaubenssätzen fest. Und leider halten nicht nur unsere "Wirtschaftsweisen" diese Glaubenssätze für Gottgegeben, sondern auch unsere Politiker stellen diesen Schwachsinn nicht in Frage - leider bis hinein in Die Linke. Das Unheil hat mit Gerhard Schröder und der Agenda 2010 angefangen. Und die SPD hat sich noch immer nicht von der neoliberalen Cerebralseuche befreien können. Sieht man ja an dem Blödsinn, den Lars Klingbeil da veranstaltet.

Seit 30 Jahren sparen wir unser Militär, unsere Infrastruktur und unseren Sozialstaat kaputt. Gewinne werden Konsequent privatisiert, und Verluste werden sozialisiert. Die Reichen werden immer reicher - und tragen zeitgleich immer weniger zum Gemeinwesen bei. Die Armen werden immer ärmer. Und die Mittelschicht wird geschröpft. Und wenn doch mal einer der überreichen Kapitalisten seinen Anteil an wichtigen Unternehmen veräußern will, steht der deutsche Staat daneben und hält Maulaffenfeil (so geschehen bei Tennet, und gerade wieder bei KNDS), anstatt fraglichen die Anteile zu kaufen.

Und anstatt endlich die Überreichen fair an den Kosten unserer Gesellschaft zu beteiligen (was diese sich problemlos leisten könnten), wird gegen die Ärmsten und Schwächsten unserer Gesellschaft hetzt und ihnen auch noch das letzte bisschen Teilhabe und Würde aberkannt. Aber diejenigen, die das Problem verursachen, werden geschont - und sie werden reicher und reicher. Mit Sozialstaat hat das nichts mehr zu tun, das ist asozial. Asozial und Menschenverachtend.

Nur unsere Öffentlichkeit feiert die Asozialen, die Hetzer, die Geiferer - während die Mittelschicht immer weiter ausblutet, und die Überreichen auf ihren Konten immer obszönere Summen ansammeln.

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Avatar von Daddyou

Kann man so unterschreiben.

Was die Wirtschaftsweisen betrifft:

Die kommen ja nicht selten zu Schlußfolgerungen, die der durchschnittsintelligente Bundesbürger auch ohne erhebliches Fachwissen so treffen könnte. Das ist ungefähr so, als würde man sich eine externe Controlling-Beratung für viel Geld ins Haus holen, die dann feststellt, dass man durch die verminderte Ausgabe von Buntstiften den ein oder anderen Euro sparen könnte, während die Geschäftsführer Millionengehälter einstreichen.

Ein kurzer Gedanke zu den Investitionshilfen der aktuellen Bundesregierung:

Während man eine Entlastung der Privathaushalte offensichtlich für völlig unnötig hält, versucht man die Großindustrie zu buttern, versucht die EU, die 15 % Einfuhrzölle in die USA als Erfolg zu verkaufen.

Wäre ich Geschäftsführer einer Firma, die relativ viel in die USA exportiert und würde ich es streng nach den Zahlen beurteilen müssen, nüchtern und emotionslos, wäre für mich klar, dass ich lieber in ein Werk in den USA investieren würde als in den Standort Deutschland.

Es geht also weiter mit kurzsichtiger Politik, deutschlandweit und europaweit. Unterwürfig gegenüber Typen wie Trump, aber auch unterwürfig gegenüber dem Großkapital.

Wenn jetzt so mancher Minister der aktuellen Regierung offen fordert, man möge das nötige Kleingeld doch bitte bei den sozial Schwachen und der arbeitenden Bevölkerung eintreiben, anstatt die Reichen über Gebühr zu belasten, wird sofort klar, dass man in diese Regierung - trotz SPD-Beteiligung - keinerlei Hoffnung mehr setzen muss.

Es ist fast wie in Amerika bei Trump - ein paar Monate rum und man weiß schon, das wird absolut scheiße, die Wohlstandsschere geht weiter auseinander, der soziale Unfrieden wird größer und die Bereitschaft des deutschen Michels, populistische Drecksparteien zu wählen, wird unter dieser Regierung nicht sinken, sondern sogar noch steigen.

Aber Hauptsache, Markus Söder kann sich mit irgendeiner Wurst in der Fresse auf social media präsentieren...

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Avatar von Philipp
2dBearbeitet

Ich glaube, in einem Punkt denkst du zu simpel. Eine deutsche Firma wird nicht notwendigerweise allein wegen der Zölle ein Werk in den USA errichten. Das mag für große Konzerne wie BMW gelten, die ohnehin bereits in den USA vertreten sind. Die können ihre Produktion ausbauen, indem sie Vorhandenes hochskalieren. Aber ein deutscher Mittelständler, einer der berühmten heimlichen Weltmarktführer, der bisher ausschließlich in Deutschland produziert und die gesamte Welt verkauft, wird wegen der Zölle nicht einfach mal so in die USA expandieren.

Und zwar aus mehreren Gründen: Zum ersten sind solche Firmen ja häufig gerade deshalb Weltmarktführer, weil niemand auf diesem Planeten ihren Produkten das Wasser reichen kann. Die können es sich leisten die Zölle zu 100% ihren Kunden aufzudrücken. Die Kunden haben die Wahl, ob sie das einfach bezahlen (und auf ihre Regierung sauer sind), aber ob sie mit minderwertigerem Material von anderen Herstellern arbeiten. Die meisten werden sich für das Bezahlen der Zölle entscheiden.

Und zum Anderen macht man nicht einfach mal so eine Produktion in den USA auf, wenn man deutsche Arbeitsmarktverhältnisse und Fachkräftequalität gewohnt ist. In den USA hast du entweder studierte Ingenieure, oder Hilfskräfte. Dazwischen gibt's bei denen nichts. Das ist der Grund, weshalb u.a. BMW seit Jahrzehnten einen riesigen Aufwand in seinen US-amerikanischen Fabriken betreibt, um aus den Hilfsarbeitern auf eigene Kosten Fachkräfte nach deutschem Vorbild zu machen. Ohne diesen Aufwand müssten die für ihre US-amerikanischen Werke sämtliche Produktionsprozesse neu entwickeln. Das ist unglaublich teuer, da ist es tatsächlich billiger, die Leute gescheit auszubilden. Ein Konzern wie BMW kann das leisten, ein kleiner deutscher Mittelständler nicht.

Das ganze Gerede von Politik und Wirtschaftslobbyisten von wegen "herrje, diese Zölle, das wird unser Ende sein", dient doch nur dazu, Druck auf die Arbeitnehmer auszuüben, um bei den nächsten Tarifverhandlungen wieder einmal Nullrunden oder sogar Lohnkürzungen durchzusetzen - wo eigentlich weiterhin (mindestens für die nächsten zehn Jahre) kräftige Lohnzuwächse angesagt wären, um unsere Binnenkonjunktur zu stützen.

Aber es läuft weiter, wie bisher: Eigentümer und Konzernbosse bekommen obszön hohe Dividenden und "Gehälter" ausbezahlt, während die Arbeitnehmer wieder einmal für die Fehler der überbezahlten und weitgehend inkompetenten "Manager" bluten müssen.

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Avatar von Dirk Held

In die USA zu investieren ist auch nicht wirklich sinnvoll. Man muss heute viele Rohstoffe international zukaufen und für die greifen dann wieder die Zölle. Und wer sagt denn das in USA die Wirtschaft stabil bleibt. Langsam beginnt dort auf Managerebene das Aufbegehren gegen die Zollpolitik. Bevor ich dss Risiko einginge als Firmenchef würd ich erst mal abwarten. In China wurde auch viel Investitionskohle verbraten

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Avatar von Valentin

Was die Wirtschaftswissenschaften angeht kann ich dir so dick zustimmen ich studier den scheiß aktuell und das ist wie wenn du im Theologie Studium versuchen würdest rechnerisch zu zeigen das es nen Gott gib vor allem wenn es um diese Ultra liberale Schule geht die wir hier in Deutschland haben. Ist absolut verrückt weil 90% der Annahmen für Modelle sind so weit entfernt von der Realität das wenn die Realität kommt das Modell direkt auseinander fliegt, eigentlich völliger Schwachsinn.

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Avatar von Kay Pöhler

Wiedermal eine sehr erhellende und wohltuende Sichtweise auf die eigentlichen ökonomischen Problemlagen des Landes. Danke, Maurice! Dass die Nachfrageseite von Politik, Mainstream-Ökonomie und den Medien so beharrlich ignoriert wird, kann man nur als ideologische Verblendung bezeichnen. Die herrschenden Gedanken sind eben allzu oft die Gedanken der Herrschenden.

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Avatar von Josua Cho

Dankeschön! So muss Wirtschaftsjournalismus.

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Avatar von Günter

Solange das öffentliche Getöse um die ständig steigenden "Staatsschulden", am besten noch akkumuliert seit der Zeit Jesu' Geburt, nicht aufhört, glaubt das "Volk" doch tatsächlich, dass wir oder unsere Enkel die ganze Summe zurückzahlen müssen. An wen eigentlich?

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Avatar von Luck

Obwohl Volkswirtschaft oft wie Religion behandelt wird, zwingt dies nicht, an angeblich heiligen Glaubenssätzen festzuhaltrn.

Denn auch Religion ist durchaus anders interpretierbar und wird dadurch erst schlüssig. Der Grundstandard ist in beiden "Religionsfeldern" von absurder Dummheit und Einfalt geprägt.

Ohne eine Überarbeitung des Gottesbildes wie auch der Gleichgewichtsmodelle und den konkreten Restriktionen des jeweiligen Geschäftsmodells wird es nicht nur nicht besser werden, sondern irgendwann in einer Katastrophe enden.

Würde das Say'sche Theorem gelten, dass sich jedes Angebot seine Nachfrage schafft, hätte es weder Keynes noch monetaristischer Erklärungen bedurft. Der Monetarismus scheint aber nicht zu begreifen, dass nur das Schrauben an Zinssätzen letztendlich auch nicht das goldene Lösungsmittel ist. Denn keine Geldmenge wird erhöht, wenn es sich eine Investition nicht rechnet. Und eine Investition, die sich rentiert, aber letztendlich nur eine andere Ex-Investion aus dem Produktionsprozess nimmt, weil sich dann diese nicht mehr rechnet, schafft noch keinen zusätzlichen Wohlstand per saldo.

Letztendlich ist jedes Angebot von der Nachfrage abhängig.

Märkte tendieren aber dazu, die Nachfragemöglichkeiten immer ungleicher zu verteilen (Stichwort: economies of scale). Potentielle Kaufkraft durch Asset Inflation begünstigt dabei gerade den Wenig-Besitzenden und einkommensarmen Bevölkerungsteil gerade nicht, sondern wirkt teilweise noch kontraproduktiv, weil sich so ein immer geringer werdender Bevölkerungsteil noch ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung leisten kann.

Über eine Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit kann man gewisse Probleme zwar temporär verlagern, aber nicht aus der Welt schaffen.

Ohne eine Nutzung der Notenbank-Möglichkeiten bei gleichzeitiger Kritik an den Gleichgewichtsmodellen wird es innerhalb des Systems keine Lösung geben mit der Folge, dass letztendlich kleinere und mehr falsche Kuchen gebacken werden als ohne diese Restriktionen.

Grundsätzlich muss man aber auch infrage stellen, ob Wohlstand am BIP-Indikator wirklich richtig messbar ist. Denn jede Rüstung schafft keinen Wohlstand, von dem man leben kann, sondern "verschwendet" nur Ressourcen, die man für die Schaffung wirklichen Wohlstandes besser einsetzen könnte. Und wenn man das destrutive Potential betrachtet, wird die Rechnung noch fragwürdiger.

Sparen soll die Reihenfolge bestimmen, wie Nachfrage abgearbeitet wird und nicht dazu führen, dass der Nachfragestrom abbricht und somit auch das Angebot darunter leiden muss.

Eine wissensbasierte Gesellschaft macht sich nicht von angeblichen Glaubenssätzen abhängig, sondern überwindet seine selbst verursachte Entmündigung und gestaltet dann ihr Fortkommen selbst und bewusst.

Bezogen auf den "Glauben" heißt das dann, dass man sich nicht wie ein Paulus selbst verleugnen muss, sondern voller Überzeugung, Begeisterung und Hingabe seinen Weg, individuell aber auch gemeinsam geht.

Aber dafür sind jeweils neue Gottesbilder vonnöten, obwohl diese der Ketzer von Nazareth oder so mancher Aufklärer eigentlich schon geschaffen hat.

Die Frage ist damit nur noch, wann wir dies begreifen werden.

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Avatar von Sven Bauer

Philipp gut erkannt.

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Avatar von Scott Barger

Greetings:

S Subscribed.

(Free for the moment.)

Would appreciate same.

Value your work.

Thank you.

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Avatar von Daniel

Danke, Maurice. Klar auf den Punkt gebracht.

In der ZEIT war kürzlich ein Artikel darüber, wie durch den Big Beautiful Bill die gestiegene Nachfrage der obersten 10% die gesunkene Nachfrage der ärmeren 90% zumindest so auffängt, dass es wirtschaftlich noch einigermaßen läuft. Kann das wirklich so funktionieren?

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Avatar von Nils

Am Ende kriegen wir noch eine mwst Erhöhung 🫠

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